verschiedene: Die Gartenlaube (1897) | |
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Gewässern es zur Stunde von kriegerischen Vorbereitungen so lebhaft wiederholt. Aber dieser friedlich idyllische und zugleich doch belebte Charakter entspricht dem ganzen Wesen von Skutari: es ist zwar der Stapelplatz der auf dem Landweg mit den asiatischen Karawanen anlangenden, für Konstantinopel bestimmten Waren, aber gleichzeitig eine Zufluchtsstätte alttürkischen islamitischen Lebens. Der Handelsverkehr, der hier herrscht, liegt fernab dem geräuschvollen sich drängenden Schiffsverkehr im „Goldnen Horn“, wo die türkischen Kriegsschiffe ankern; das politische und militärische Leben schlägt hier keine Wogen. Aber um so reiner ist sein Charakter als orientalisches, von europäischem Einfluß wenig berührtes Kulturbild. Hoch über die Stadt, die sich hellschimmernd am blauen Wasser des Bosporus hügelan ausbreitet, ragen die uralten dunklen Cypressen des Riesenkirchhofs Busuk-Mesaristan, empor, hier lassen sich seit alter Zeit besonders fromme Konstantinopeler Türken bestatten, weil sie in asiatischem Boden, in ihrer eigentlichen Heimat, ruhen wollen.
Auch die schöne Moschee gleich am Landungsplatze der Boote wird von den Gläubigen in Stambul gern besucht. Und die scheuen Beterinnen, die sich, um ihre Andacht hier zu verrichten, im stillen Kait über die blaue Flut herüberfahren lassen, ganz in Schleier gehüllt, versäumen dann selten, den nahen Bazar zu besuchen wo sie allerhand reizende Waren aus Persien und Indien angehäuft finden, die gar lockend zum Einkauf laden.
Auch uns trägt die schmale Barke hinüber. Der bräunliche Führer des Kait in der zersetzten Pluderhose und dem durchschimmernden Musselinhemd singt dazu seine sonderbaren Triller, in melancholisch klingenden halben Tönen jäh aufsteigend und fallend. Die Luft ist verschleiert, die Hitze zittert in ihr, nur drei Punkte läßt das grelle Sonnenlicht deutlich erkennen: den Leanderturm da drüben auf dem Inselchen, die Spitze des schönen Berges Tzamlidza hinter dem weitgedehnten Skutari und dessen großer weißschimmernder Moschee. Darüber grüßen die Cypressen-Wipfel des berühmten Friedhofs. Bei unsrer Ankunft ertönt gerade das Geheul der Rusai-Derwische, die von ihrem Kloster, dem „Teké“, herab zur Andacht rufen. Auch unser Bootsmann folgt der strengen Mahnung in dem grüngemalten teppichgeschmückten Betraum und er wird die Schauer der Andacht mitempfunden wenn Ben-Daud, der riesige Neger, an ihn herantritt, um ihn zur Teilnahme an der Gebetsübung einzuladen. Wir aber folgen den anmutigen Frauengestalten, die gleichzeitig mit uns landeten. In ihren hellseidenen Gewändern sind sie uns vorausgeeilt zum Bazar. Und nun sind sie auch bereits wieder verschwunden in der ersten Bude, dort jenseits der Moschee unter den Platanen, wo der Pantoffelmacher, den „Babuschi“, feilhält, der so reizend für die Füße und Füßchen der Schönen sorgt mit rotem und gelbem Saffian, Goldfaden und Flitter.
Bei dieser wichtigen Beschäftigung sie zu stören, wäre nicht rätlich, und so setzen wir unsern Weg fort durch die mit allerhand grellbuntem Kram gefüllten Buden zu beiden Seiten, bis wir, des verwirrenden Treibens müde, wieder unsere Barke aufsuchen. Vom Strahlenschimmer einer mondbeglänzten Zaubernacht übergossen, liegt, während wir uns zurückrudern lassen, wie eine Märchenstadt vor uns das alte Stambul, das heute wieder – wie schon so oft im Lauf der Jahrhunderte – eine Quelle der Beunruhigung und des Streits für ganz Europa geworden ist.
Das Dante-Denkmal in Trient. (Mit obenstehender Abbildung.) In Trient, der ältesten Stadt von Südtirol, wurde jüngst ein Dante-Denkmal enthüllt. Der Reisende, der dem Süden zustrebt und auch die berühmte Bischofsstadt berührt, erblickt es schon vom Fenster des Eisenbahnwagens aus und wird sofort durch diese neue Zierde der Stadt in überraschender Weise gefesselt. Unter den vielen Denkmälern, durch welche das Andenken des großen italienischen Dichters verherrlicht wurde, ist dieses neueste sicher das schönste und wirkt dabei machtvoll durch seine Größe, denn es erreicht die stattliche Höhe von nahezu 18 m.
Ein engerer Landsmann Dantes, der 1851 zu Florenz geborene Bildhauer Cäsar Zocchi, ist der Schöpfer des herrlichen Werkes, dessen Bronzebestandteile in Rom gegossen wurden, während die Stufen und der Sockel aus Rosengranit bestehen. „Dante, dem Vater, des Trentinum unter dem Beifall und der Mithilfe der Nation“ – lautet die Inschrift auf der Basis des Denkmals, deren Rückseite auch das bronzene, lorbeerumkränzte Wappen von Trient trägt. Zum Ausschmücken des Piedestals hat der Künstler Motive aus Dantes „Göttlicher Komödie“ verwertet. Stockwerkartig übereinander sind Darstellungen aus der „Hölle“, dem „Fegefeuer“ und dem „Paradies“ angebracht. Erstere ist durch einen trefflichen Gedanken Zocchis veranschaulicht worden. Auf der obersten der Stufen sitzt in ernstem Sinnen der Totenrichter mit seinem Drachen.
„Graus sitzt dort Minos, fletscht die Zähn’ und bringt
Die Schuld ans Licht …“
wie es im fünften Gesang der „Hölle“ lautet.
Lebensvolle, den Sockel umringende Erzgestalten stellen darüber das Fegefeuer dar. Den Mittelpunkt derselben bildet Zusammentreffen Vergils mit dem Dichter Sordello, links davon sind drei der „Neidigen“ der Schilderung des dreizehnten Gesanges abgebildet, eine weitere Gruppe, rechts von der ersten, zeigt die „Hochmütigen“ und die „Trägen“, während die Gruppen der Rückseite den „Geiz“ und die „Verschwendung“ vergegenwärtigen. Damit der versöhnende Abschluß nicht fehle, schwebt aus der Mitte dieser Unglücklichen eine weibliche Idealfigur als gereinigte Seele zum Himmel empor.
Ueber diesem Rundbilde finden wir in geläuterter Einfachheit das Paradies als einen mystischen Kreis reizender Engel, unter ihnen schwebt auch Dantes Geliebte Beatrice. Die Spitze des Denkmals krönt die 7 m hohe Figur Dantes, die Rechte emporgehoben, sein Hauptwerk in der Linken.
Nebenbei sei noch bemerkt, daß der Bildhauer Zocchi seine eigenen Züge auf dem Denkmal angebracht hat. Der Totenrichter Minos ist sein Porträt. Außerdem hat er seine Gattin als Modell für Beatrice verwendet und in zwei anderen Figuren seine jugendlichen Töchter dargestellt.
Liebeserwachen. (Zu unserer Kunstbeilage.) Als leichtbeschwingten kecken Götterknaben hat sich die Phantasie der Griechen den Gott der Liebe vorgestellt. Mit Pfeil und Bogen bewaffnet, schwebt Amor auf goldnen Flügeln durch die Welt, an wem er seine Macht erweisen will, den trifft sein Pfeil, und wen sein Pfeil getroffen hat, der ist unrettbar seiner Macht verfallen. Aber für das holde Wunder des ersten Liebeserwachens genügte dem heiteren Griechensinn dies Gleichnis nicht, neben Amor erschuf er ein fröhliches Heer ihm gleichartiger junger Liebesgötter, von Amoren und Amoretten, und bevölkerte damit die Welt zwischen Himmel und Erde. Sie gingen der Menschheit mit gutem Beispiel voran: nicht scharfes Gewaffen, ihr Kuß weckte in dem Erwählten die Liebe, und in Gruppenbildern solch seliger Götterkinder, die zum ersten Kuß sich einander zuneigen, haben Poesie und Kunst alter und neuer Zeit am anmutigsten und lieblichsten den keuschen Zauber dargestellt, der dem ersten Erwachen reiner Herzensliebe heiligende Weihe giebt. Unser Bild hat das schöne Motiv in eigenartiger reizvoller Weise neugestaltet. Die jungen Genien befinden sich inmitten der blühenden Natur. Das zurückgeneigte Lockenhaupt der Amorette ist mit Rosen geschmückt und Rosen bedecken den blühenden Wiesengrund. So ist die zärtliche Gruppe zugleich eine Allegorie des Lenzeserwachens im Süden. Läßt doch der Kuß der Frühlingssonne dort neben Veilchen gleich auch die Rosen erblühen!
Inhalt: Zum 22. März. Gedicht von Rudolf von Gottschall. Mit Bild. S. 165. – Trotzige Herzen. Roman von W. Heimburg (10. Fortsetzung). S. 166. – An der Gruft des Kriegsherrn. Bild. S. 168 und 169. – Vor hundert Jahren. Von Paul Lindenberg. S. 172. Mit Abbildungen S. 173, 174 und 175. – Ein wichtiger Fortschritt im Seidenbau. Von Dr. Udo Dammer. S. 175. – Caligula und Tito. Novelle von H. Rosenthal-Bonin. S. 176. – Landungsplatz in Skutari. Bild. S. 177. – Blätter und Blüten: An der Gruft des Kriegsherrn. S. 179. (Zu dem Bilde S. 168 und 169.) – Landungsplatz in Skutari. S. 179. (Zu dem Bilde S. 177.) – Das Dante-Denkmal in Trient. Mit Abbildung. S. 180. – Liebeserwachen. S. 180. (Zu unserer Kunstbeilage.)
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_180.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)