verschiedene: Die Gartenlaube (1897) | |
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Nr. 21. | 1897. | |
Die Gartenlaube.
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Die Hexe von Glaustädt.
Der junge Arzt kam aus dem Nachbarhaus, dem altertümlichen, burgähnlichen Bau mit dem runden Turm und dem stattlichen Wehrgang. Hier wohnte seit etlichen Jahren der Tuchkramer und Ratsherr Henrich Lotefend, der reichste Mann in der ganzen Landgrafschaft Glaustädt-Lich. Henrich Lotefend hatte sich letzthin ein Fieber geholt, das ihn mehrere Tage bettlägerig machte und anderthalb Wochen hindurch an die Stube fesselte. Jetzt war der Patient wieder so gut wie hergestellt. Doktor Ambrosius hatte ihm nur noch ein paar Verhaltungsmaßregeln für die nächste Zukunft erteilt und dann auf dem rebenumwachsenen Altan einen Krug Aßmannshäuser mit ihm auf sein ferneres Wohlergehen geleert.
Hildegard nahm es nicht unhold auf, daß Doktor Gustav Ambrosius sie ansprach und während der fünf Minuten, die er so plaudernd am Thor verblieb, das von Herrn Lotefend und mancherlei anderes erzählte. Der junge Mann, der niemals die Form verletzte und doch etwas ungewöhnlich Freies und Frisches besaß, war ihr vom ersten Tag an sympathisch gewesen. Und so stand sie ihm freundlich Rede und zierte sich nicht, obschon die rein zufällige Begegnung am Thore leicht von üblen Gevattersleuten hätte mißdeutet und verklatscht werden können.
Endlich sagte sie doch mit artigem Kopfneigen:
„Aber ich halte Euch auf. Eure Zeit ist gemessen …“
„Zu deutsch: Ihr entlaßt mich!“ scherzte der Arzt. „Ich
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_341.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2021)