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Seite:Die Gartenlaube (1897) 400.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

zurück, zu einer Art von Pirsche, auf welche mich die Beobachtung der Hähne und ihrer Gewohnheiten gebracht hatte. Vielleicht ist in ähnlichen Revieren diese Erfindung auch schon von anderen Jägern gemacht worden – sollte dies aber nicht der Fall sein, so stelle ich meine Erfindung, ohne dafür ein Patent zu nehmen, hiermit der gesamten Jägerei zur Verfügung. Doch will ich bekennen, daß ich selbst diese Art der Pirsche nicht als völlig weidmännisch betrachte, denn streng genommen sollte der Schuß nur auf den balzenden Spielhahn abgegeben werden. Aber in einem so reich besetzten Revier ist der im Interesse eines geregelten Bestandes nötige Hahnenabschuß auf der Balze allein unmöglich zu vollziehen

Ich hatte beobachtet, daß die Hähne, welche im Lauf des Vormittages auf den sonnbeschienenen Saatfeldern einfielen, stets die gleiche Flugrichtung gegen den zunächst liegenden Waldsaum nahmen, wenn sie von den arbeitenden Bauern aufgesprengt wurden und sich mit Vorliebe auf bestimmten, besonders hohen Bäumen einschwangen. Diese Beobachtung nützte ich auf folgende Weise; an einer Waldecke, von der sich ein weiter Ausblick über die Felder bot, legte ich mich mit dem Jäger auf den Ausguck. Gewahrten wir Hähne auf den Feldern, so ließen wir Gewehre und Stöcke zurück, machten einen weiten Umweg, und unauffällig über die Aecker hin und her bummelnd, gingen wir die Hähne langsam an. Näher als auf dreihundert Schritte ließen sie uns selten kommen, dann strichen sie dem Walde zu. Ich merkte mir so gut wie möglich die Bäume, in deren frei ragende Gipfel sie sich eingeschwungen hatten, langsam traten wir wieder den Rückweg an, und während sich der Jäger in den Feldstauden oder in einer Wegschlucht verbarg, kehrte ich auf großem Umweg zu der Waldecke zurück und wartete, bis die Hähne wieder auf die Felder strichen. Das geschah oft schon nach einer halben Stunde – manchmal hat es aber auch eine lange Geduldprobe gekostet. Fühlten sich die Hähne auf dem Felde sicher und begannen wieder zu äsen, so holte ich das Gewehr aus dem Versteck und eilte durch den Wald, um die Stelle zu suchen, die ich mir gemerkt hatte. Nicht immer fand ich sie, denn von innen sieht sich der Wald ganz anders an als von draußen. Fand ich mich aber zurecht, dann kam ich fast immer zum Schuß, sobald der Jäger auf dem Feld die Hähne wieder anging. Wenn die Sache möglichst unauffällig gemacht wurde, schwangen sich die Hähne regelmäßig auf die gleichen Wipfel ein, und häufig hatte ich schon beim Einfall einen freistehenden Hahn in Schußnähe vor dem Lauf. War mir aber der Wipfel mit dem Hahn durch anderes Gezweig verdeckt oder außer Schußbereich, so galt es, lautlos Schrittlein um Schrittlein seitwärts oder näher zu rücken, wobei mich zuweilen der versteckte Hahn durch einen Laut, den ich bei Gebirgshähnen niemals gehört habe – durch ein leises ,Oehg’ – zur rechten Stelle leitete. Wurde ich des Hahnes ansichtig, so konnte ich beobachten daß er diesen Laut nur hören ließ, wenn er mit gestrecktem Kragen eifrig nach dem auf den Feldern umherbummelnden Jäger äugte. Sollte die Pirsche gelingen, dann durfte der Jäger dieses Wandern über die von den Hähnen bevorzugten Felder auch nicht einfallen, bevor der Schuß gefallen war. Heikel gestaltete sich die Sache immer, wenn sich mehrere Hähne in meiner Nähe eingeschwungen hatten. Da setzte es qualvolle Minuten mit Herzklopfen und schwerem Atem, bis ein unbeachteter Hahn, den ich vertreten hatte, all die anderen mit sich fortnahm. Hatt’ ich es aber nur mit einem einzigen Hahn zu thun und machte der Jäger draußen auf dem Feld seine Sache gut, so war ich regelmäßig des Erfolges sicher.

An dem Tag, dessen Morgen ich oben geschildert habe, holte ich mir auf der Feldpirsche noch vier Hähne, so daß wir am Abend mit neun Hähnen im Jagdhaus einrückten. So reiche Ernte hab’ ich freilich nur ein Mal gehalten, aber an guten Balztagen brachte ich doch in der Regel meine drei oder vier Hähne heim. In der ersten Zeit hatte ich meine helle Freude an diesem üppigen Jagderfolg. Nach zwei Jahren aber gab ich das Revier wieder auf – der leichte Gewinn minderte für mich den Reiz der Jagd, und reumütig kehrte ich, um der drohenden Blasiertheit zu entrinnen, zu meinem einsiedlerischen Berghahn zurück, welcher hart verdient sein will, dafür aber auch dem Jäger größere Freude bereitet als ein Dutzend Flachlandshähne. Es ist ja die Jagd an sich nur immer halbe Freude – sie wird erst ganz durch den Mitgenuß der Natur, in deren Rahmen sie sich abspielt.

Ein Morgen im Moorland, mit den dunstig zerfließenden Farben, mit der blutrot auftauchenden Sonne, mit dem Rauch der Heide, mit dem bald verschleierten, bald wieder grell aufblitzenden Spiegellicht der hundert Tümpel, mit dem schwermütigen Unkenruf und dem Kreischen der ziehenden Wasservögel – oder ein Morgen im freundlichen Hügelwald, mit seinem sanften Tageserwachen beim Gezwitscher der Meisen, beim Gurren der wilden Tauben und bei fernem Glockengeläut, mit seinem goldigen Frühlicht und all den Stimmen des auf den Feldern beginnenden Tagewerks – solch ein Bild hat auch seinen Reiz, der zum Herzen redet. Aber gut ist gut und besser ist besser – ich ziehe den Morgen in den Bergen vor, mit der stillen wundersamen Größe seines Bildes, mit dem keuschen ungetrübten Schimmer seiner Farben bei klarem Himmel, oder mit dem Kampf seiner ziehenden Nebel, durch deren Lücken ein siegender Strahl der Sonne bricht und hellen Goldglanz hinwirft über die düster versunkenen, rauschenden Wälder. Wenn du an solchem Morgen, mit der frisch erbeuteten Feder auf dem Hut, über die steilen Latschenfelder niedersteigst oder in langen Sprüngen hinuntertollst über den mürben Schnee, den Blick hinausschickend über ungemessene Weiten, da kommt dich die Lust zum Jauchzen an, und mit heller Stimme magst du hinaussingen über das tiefe, grüne Thal.

„Hui auf! Mei Büchsl hat lusti ’kracht
Und hat den Hoh(n) ums Federl ’bracht!
Dös krummbe Federl auf’m Huat
Hui auf! Dös steht ma scho’ sakrisch guat!

Hui auf! I grüaß di, du liabe Welt.
Weil i halt gar a so guat bin g’stellt!
Weil ma halt ’s Leb’n gar a so g’fallt!
Hui auf! I grüaß di, du greaner Wald!“


Unsere Krischane.

Von Charlotte Niese.
1.

Ich möcht’ nu doch wohl wissen, ob alle Menschens falsch sind!“ sagte Christiane Timmermann mit einem Seufzer. Dabei ließ sie sich auf einen Stuhl im Eßzimmer fallen, zog ein Zeitungsblatt aus der Tasche, glättete es mit ihren roten Händen und legte es dann vor sich hin.

„Ganz gewiß nicht!“ erklärte ich, eifrig in mein Butterbrot beißend. Es war nämlich um die Vesperstunde und Krischane Timmermann, die Haushälterin des aufs Land versetzten Elternhauses, hatte soeben Kaffee und Butterbrot ins Zimmer gebracht.

Sie sah mich jetzt ernsthaft an. „Hab’ ich all mit dich gesprochen? Wenn ich frag’, ob alle Menschens falsch sind, so mein’ ich das for mir allein und dann höchstens for die Intzehoer Nachrichten, obersten, nich for dir! Und nu stör’ mir nich mehr!“

Mit halblauter Stimme und den Finger auf dem Blatt langsam weiterschiebend, las sie stockend einige Sätze vor sich hin, ich aber biß von neuem in mein Vesperbrot, lehnte mich in den Stuhl zurück und fühlte mich sehr behaglich. Seit einigen Tagen war ich nämlich zum Besuch bei meinen Eltern die bereits im vorigen Jahre das Inselstädtchen verlassen hatten und nun auf dem Lande lebten. Obgleich ich es einmal nicht für möglich gehalten hatte, daß auf den traurigen Herbst, in dem die Eltern mit den Brüdern abreisten, noch ein Sommer kommen könnte, so hatte er sich dennoch eingestellt. Freilich hatte es lange gedauert, bis er kam; aber endlich war es doch so weit gewesen, daß ich unter schützender Begleitung die große Reise nach dem Festlande anzutreten vermochte. Nun also war ich glücklich angelangt, und wenn es mir auch noch ein wenig schwer wurde, mich in die neuen Verhältnisse und einige neue Menschen zu finden, so ging es doch besser, als ich zuerst dachte.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_400.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)
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