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Generalfeldmarschall Graf von Blumenthal.
Jubiläen um das Vaterland verdienter Männer sind Feste, an denen das gesamte Volk den innigsten Anteil nimmt. Ein solcher Festtag steht uns am 30. Juli bevor, denn an ihm wird einer der hervorragendsten Heerführer in dem großen Kriege für Deutschlands Einheit, Generalfeldmarschall Graf von Blumenthal, sein siebzigjähriges Dienstjubiläum feiern.
Leonhard von Blumenthal wurde am 30. Juli 1810 zu Schwedt a. O. geboren und erhielt seine Ausbildung in den Kadettenhäusern zu Kulm und Berlin. Siebzehn Jahre alt, trat er am 30. Juli 1827 als Lieutenant in das damalige Gardereserve- (jetzige Gardefüsilier-) Regiment ein und besuchte dann von 1830 bis 1833 die Allgemeine Kriegsschule zu Berlin.
Mit dem Avancement ging es dazumal recht langsam vorwärts, erst am 14. Januar 1844 – nach fast siebzehnjähriger Dienstzeit – wurde Blumenthal Premierlieutenant, 1849 als Hauptmann in den Generalstab der Armee versetzt.
Von nun an ist Blumenthal fast ununterbrochen in höchst verantwortungsreichen Stellungen thätig geblieben. Er machte den Feldzug in Schleswig und Jütland im Stabe des Generals von Bonin mit, der nach Ablauf des Waffenstillstandes von Malmö (26. März 1849) die schleswig-holsteinische Armee befehligte, und wurde im Mai zum Chef des Generalstabes ernannt. Die Dänen wurden bei Kolding und Gudsoe geschlagen, dagegen erlitten die Schleswig-Holsteiner vor Fridericia durch überlegene Streitkräfte eine empfindliche Niederlage und mußten die Belagerung aufheben. Trotz aller patriotischen Begeisterung konnten ihre wenig geschulten Truppen den Krieg zu keinem glücklichen Ausgange führen, als Preußen und das übrige Deutschland sie im Stich ließen. Der hochbegabte Leiter des Generalstabes hatte sich aber doch in jenem Feldzuge rühmlich seine Sporen verdient und eine praktische Schule der Befehlserteilung durchgemacht, die keine Generalstabsreife in Friedenszeiten zu ersetzen vermag.
Nachdem er wieder in die preußische Armee zurückgetreten war, wurde Blumenthal 1850 der mobilen Division Tietzen in Kurhessen beigegeben, am 18. Juni 1853 empfing er seine Beförderung zum Major, am 22. Mai 1859 die zum Oberstlieutenant. In letzterem Jahre wurde er zum persönlichen Adjutanten des Prinzen Friedrich Karl ernannt, der in dem genialen Generalstäbler den richtigen Mann fand, um mit ihm seine reformatorischen Gedanken über den militärischen Dienstbetrieb und die Friedensausbildung des Heeres für den Krieg zu erörtern und durchzuarbeiten. Freudig und verständnisvoll half ihm Blumenthal dabei, der auch an des Prinzen Seite blieb, als der Krieg gegen Dänemark ausbrach. Am 15. Dezember 1863 zum Chef des Generalstabes des kombinierten mobilen Armeekorps ernannt, hatte er als solcher entscheidenden Anteil am Sturm auf die Düppeler Schanzen und am Uebergange nach Alsen, zu dem der erste Gedanke von ihm ausging. Die mustergültige Disposition zum Doppelsturm aber war das gemeinsame Werk des Prinzen und seines Generalstabschefs, und dem letzteren erwarb seine Thätigkeit in diesem Feldzuge bereits einen ganz außergewöhnlichen Ruf in militärischen Kreisen.
Die Ereignisse des Jahres 1866 sollten Blumenthal in ebenso nahe Beziehungen zu dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm bringen wie die vorher zum Prinzen Friedrich Karl und damit eine Verbindung anknüpfen, die erst mit dem Tode des Kaisers Friedrich endete. In dem bevorstehenden Feldzuge gegen Oesterreich ward dem preußischen Thronerben eine große Aufgabe zugeteilt, indem er den Oberbefehl über die II. Armee erhielt. Als Generalstabschef wurde ihm General von Blumenthal beigegeben. Am 20. Juni bekam die Armee den Befehl, in Böhmen einzumarschieren. Ihr Vorrücken bezeichneten die Siege von Soor und Königinhof, Nachod, Skalitz und Schweinschädel. In der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz führten „Unser Fritz“ und Blumenthal die Moltkeschen Weisungen, die v. Finkenstein dem Kronprinzen überbrachte, in tadelloser Weise aus: die Ankunft der II. Armee bei Chlum brachte den Sieg, durch den sich das Schicksal des Benedekschen Heeres entschied. Nicht minder wie bei Königgrätz zeichnete sich Blumenthal dann noch durch seine Anordnung der Verfolgungsmärsche und Operationen zwischen Olmütz und Wien aus. Nach dem Frieden wurde er Kommandeur der 14. Division in Düsseldorf und bald darauf zum Generallieutenant befördert.
Im Deutsch-französischen Kriege trat dann Blumenthal abermals als oberster militärischer Berater an die Seite des Kronprinzen, als Generalstabschef der III. Armee, die in ihrer Zusammensetzung aus preußischen und süddeutschen Truppen die mit einem Schlage zur Thatsache gewordene Einigung der deutschen Stämme zur Anschauung brachte. Die jubelnd begrüßten Siege bei Weißenburg und Wörth eröffneten die Reihe glänzender Erfolge. Das Verhältnis Blumenthals zum Kronprinzen, zugleich aber auch die seltene Gerechtigkeitsliebe und edle Bescheidenheit des letzteren, wird am besten dadurch gekennzeichnet, daß, als König Wilhelm dem Prinzen bei ihrer ersten Zusammenkunft in Pont à Mousson das Eiserne Kreuz I. Klasse verlieh, dieser erklärte, diese Auszeichnung nur dann annehmen zu können, wenn auch sein Generalstabschef sie erhielte. König Wilhelm entsprach gern diesem Wunsche, er wußte gleichfalls ganz genau, was er an Blumenthal hatte, ebenso auch Moltke, und so kann es nicht wunder nehmen, daß er vor wichtigen Entscheidungen von der obersten Heeresleitung mit zur Beratung herangezogen wurde. Dies geschah insbesondere vor Beginn der Operationen, welche die Katastrophe von Sedan herbeiführten. Blumenthal war es, der jenen von Moltke am 24. August in Bar le Duc gefaßten Plan eines Rechtsabmarsches der auf Paris vorrückenden Heere in nördlicher Richtung, um die Armee Mac Mahons an der Vereinigung mit Bazaine zu hindern und gegen die belgische Grenze zu drücken, in entschiedenster Weise befürwortete. Die Folge dieser strategischen That war der Sieg bei Sedan. Nach diesem ersten Abschnitte des großen Krieges fiel der III. Armee die Aufgabe zu, den südlichen, größeren Halbkreis der Cernierung von Paris zu bilden und diese Einschließung nach Süden und Westen hin gegen Ausfälle wie gegen Entsatzversuche zu decken. Auf die ersten raschen Siege folgte eine langwierige und schwere Arbeit für den prinzlichen Führer und für seinen Generalstabschef, der vom Großen Hauptquartier wiederum mehrfach zu Rate gezogen wurde, namentlich bei den Vorbereitungen der Einschließung und den später zur Sicherung der Belagerungstruppen gegen die Loire getroffenen Maßregeln.
Während des ganzen Krieges waren der Kronprinz und sein Generalstabschef in stetem täglichen Verkehr, und bei allen wichtigen Geschehnissen sah man beide erscheinen, so daß in der Erinnerung der Mitkämpfer und im Bewußtsein des ganzen Volkes „Unser Fritz“ und Blumenthal unzertrennlich zusammengehören. Während des Aufenthaltes der III. Armee in Versailles war der General, wie auch alle nicht dienstlich verhinderten Herren des Stabes, regelmäßig der Tischgenosse des Kronprinzen in der von diesem bewohnten Villa „Les Ombrages“. Er saß neben ihm, als dieser am 18. Januar 1871 zum Schlosse nach Versailles fuhr, um dort die letzten Anordnungen für die Kaiserproklamation zu treffen und bei der Feuertaufe des neuen Kaiserreiches am folgenden Tage, in der Schlacht am Mont Valerien, begaben sich beide nach dem Hospiz Brezin, um den Fortgang des Kampfes zu verfolgen.
Der Maler Anton von Werner, der den General damals in Versailles kennenlernte, schreibt ihm alle Eigenschaften zu, welche einen Militär von seiner fachmännischen Bedeutung liebenswert machen mußte: natürliche Einfachheit, Bescheidenheit, Offenheit und Witz, ohne zu verletzen, unverwüstlichen Humor und herzgewinnende Liebenswürdigkeit. „Ich habe ihn,“ setzt er hinzu, „kaum anders als lachend und mit einem Witzwort auf den Lippen gesehen – trotz seiner sehr ernsten und verantwortungsreichen Stellung. Als Stratege stimmte Blumenthal mit Moltke in dem Grundsatze überein. „Erst wägen – dann wagen!“ ohne deswegen ein Muster der Vorsicht allein zu sein, wie man ihn irrigerweise wohl hingestellt hat. „Allerdings“, urteilt General von Verdy du Vernois, „erwog er persönlich alles, ehe er seine Vorschläge machte, bis in die kleinsten Einzelheiten aufs genaueste und eingehendste, aber in dem Ergebnis seiner
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_491.jpg&oldid=- (Version vom 20.2.2021)