Verschiedene: Die Gartenlaube (1897) | |
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büßten der Feuerwehrmann Lange aus Sprottau und ein Mann aus der Umgegend, Laugsch, ihr Leben ein. Besseren Lohn fand die Tapferkeit des Gerichtsadjunkts Dr. Maly in Trautenau. Dort, im Quellgebiet der Elbe, wo die Aupa furchtbar gewütet hat, wurden ganz besonders viel Menschenleben bedroht. Von Feuerwehrmännern angeseilt, stürzte sich der Genannte in die tobenden Fluten, um den Bewohnern eines gefährdeten Hauses Hilfe zu bringen. Er lud einen Mann auf und nahm in jeden Arm ein Kind. Mehr als zehnmal durchmaß der Wackere hin und zurück die Fluten, immer wieder trotzte er der Todesgefahr, bis alle – 32 Personen – gerettet waren! Kaum war er mit dem letzten in Sicherheit, da sank auch krachend das Haus in die Fluten. Noch gar manches Beispiel ähnlichen Opfermuts ließe sich anführen, doch müssen wir leider auch hierin auf Vollständigkeit verzichten.
Vom Quelllauf der Elbe selbst wurde in Spindelmühle ein Teil des großen Gasthofs „Zum Deutschen Kaiser“ eingerissen. Dieser vielbesuchte Sommerfrischort liegt vor dem Ausgang des Bärengrundes. Etwa 100 Personen befanden sich in dem Gasthaus. Da das Wasser gegen das andre niedrigere Ufer zu übertrat, hielt man das Haus trotz seiner Lage am Fluß für nicht gefährdet, auch dann noch, als gegen 10 Uhr abends der wütende Strom die Brücke wegriß. Da bahnte sich noch vor Mitternacht das tückische Element einen Weg zurück in das alte Bett, das erst durch eine Stromregulierung dem Flusse abgewonnen worden war, und zwar dicht hinter dem Hause. Nun stürmten mit den Wellen Baumstämme und Felsblöcke gegen seine Wand. Und gegen 2 Uhr nachts krachte der so bestürmte eine Flügel des Gasthofs in sich zusammen. Zum Glück ohne Leben zu gefährden, da sich die Gäste alle nach der Seite zu geflüchtet hatten, wo am neuen Bett des Flusses das Wasser zurückgewichen war, das bald noch weiter zurückwich, so daß es schließlich auch möglich wurde, sich watend hinüber auf's andere Ufer in das Wirtshaus „Zur Elbe“ zu retten. Ein Opfer erforderte aber doch auch diese Katastrophe: ein Kellnerbursche ertrank bei der Flucht.
Aehnlich wie bei Wien der Wienfluß hat bei Dresden die kleine Weißeritz, welche, in zwei Armen vom Erzgebirge herabkommend, sonst so munter und anspruchslos am schönen Tharandt vorbei durch den idyllischen Plauenschen Grund der Elbe zufließt, Verheerungen angerichtet, die im erstaunlichsten Kontrast zu ihrer Größe und ihrem Charakter stehen. Wohl macht nur die Wirkung der Wasserhose, deren vom Himmel niederstürzende Flut sich des Bettes der Weißeritz bemächtigt hatte, die ungeheure Katastrophe erklärlich, welche mit rasender Gewalt Häuser und Brücken, in Löbtau sogar das neue Rathaus, niederriß und allein in Deuben hundert Familien obdachlos machte und vielen Menschen das Leben raubte, doch zeigt das Schicksal des letzteren aufblühenden Fabrikortes auch gerade, wie sehr das bergige Terrain am Grade der Wirkung beteiligt war. Wurde die Friedrichstadt Dresdens von der Weißeritz schwer geschädigt, so haben die Elbufer der Alt- und Neustadt nicht weniger unter der Hochflut der Elbe zu leiden gehabt. Als am 1. August ihr Spiegel einen Höhestand zeigte, wie er seit Jahrhunderten bei einem Sommerhochwasser nicht zu verzeichnen gewesen, da mußte auch das große allbeliebte Volksfest, das jährlich auf der „Vogelwiese“ am Elbufer von der Dresdener Bogenschützengilde veranstaltet wird, aufgesagt werden. Am furchtbarsten hat die Elbe dort gehaust, wo die Berge der Sächsischen Schweiz ihr Bett einengen und die aus Böhmen sich heranwälzende Flut, die dort schon unendlich viel Schaden gethan, von den vielen angeschwollenen Berggewässern frischen Zuwachs erhielt. Die reizenden Hochthäler dieser herrlichen Landschaften, welche man sonst nur als Stätten der Rast und Erholung kennt, erschienen in wilddurchwogte Seen verwandelt. Gerade der durch Wolkenbrüche veranlasste Austritt von sonst harmlosen Zuflüssen der Elbe hat auch verursacht, daß die Elbstädte Schandau, Pirna und Königstein so hart mitgenommen wurden.
Das dichtbewohnte gewerbreiche Sachsen hat überhaupt der Ueberschwemmung die zahlreichsten Angriffspunkte geboten. Hat doch die Görlitzer Neiße, die in ihrem Quellgebiet das böhmische Reichenberg besonders heimsuchte, auch die sächsische Lausitz mit Zittau schwer geschädigt, Häuser, Brücken, Fabriken, Gehöfte, Tier- und Menschenleben vernichtend; stießen doch die beiden gleichfalls hochangeschwollenen Mulden vom Rande des Erzgebirges, gleich ihren Zuflüssen, durch die bevölkertsten Industriebezirke; mußte z.B. doch der Betrieb der Freiberger Erzgruben vieler Zwickauer Kohlenschächte, zahlreicher großer Fabriken in Chemnitz und andern hervorragenden sächsischen Städten eingestellt werden! Am 31. Juli war in Sachsen der Verkehr von nicht weniger als 26 Eisenbahnlinien gestört. Wie in Schandau der Vicebürgermeister Stadtrath Max Müller in den Fluten umkam, so haben – von Deuben abgesehen – auch verschiedene andre sächsische Städte und Dörfer Todesfälle zu beklagen. Aber auch schöne Erfolge des nie rastenden Rettungswerks hat der Bericht aus Sachsen zu verzeichnen! Als z. B. am 31. Juli ein Kommando Pioniere in Döbeln eintraf, wo die tobende Mulde ganz besondere Gefahr schuf, wurde vom Rittergut Schweta gemeldet, daß sich auf der „Bischofswiese“ die Einwohner auf die Dächer geflüchtet hätten und andre wieder bei dem Versuche, sie von den Dächern auf Kähnen zu retten, ins Wasser gestürzt und an Bäumen hängen geblieben seien. Es wurden zwei Pontons mit 15 Pionieren dorthin dirigiert und 23 Personen durch sie aus der gefährlichen Lage befreit.
Je mehr wir uns das Bild dieser furchtbaren Heimsuchungen deutlich machen, um so lebhafter regt es an zu der Frage: Giebt es denn keine Mittel, um endlich einmal der Wiederkehr so schrecklicher Katastrophen mit Erfolg vorzubeugen?! Wohl sind in Schlesien und anderwärts amtliche Untersuchungen darüber im Gang, wir können nur lebhaft wünschen, daß sie bald, recht bald, sich in Thaten umsetzen! Gegenüber den lautgewordenen pessimistischen Stimmen, welche die Möglichkeit von solch vorbeugenden Maßregeln überhaupt leugnen, möchten wir jedoch nachdrücklich wiederholen, was schon von zwei Jahren an dieser Stelle geschrieben wurde: Wohl sind Wind und Regen Gewalten, über die wir keine Herrschaft besitzen. Wir sind nicht imstande, Wolkenbrüche zu verhüten, ja nicht einmal dieselben vorherzusagen. Und doch kann manches geschehen, um die verderblichen Folgen derselben, die Ueberschwemmungen mit ihren Verlusten an Hab' und Gut und Menschenleben, zu verhüten oder auf ein geringeres Maß zurückzuführen. Man muß in das Gebirge hinaufgehen und dort, wo sich die ersten Wasserrinnsale sammeln, durch zweckmäßige Anlagen das Gefälle vermindern, so daß die Wasserfluten sich in Mulden und Becken stauen und langsamer zu Thal abfließen. Und wenn dadurch bei besonders starken Wolkenbrüchen Ueberschwemmungen vielleicht nicht gänzlich verhütet werden, so wird doch ihr Umfang und ihr erster Anprall gemildert. Wind und Wetter können wir nicht gebieten, aber die Wasserläufe in unsrer Heimat müssen wir soweit möglich beherrschen und regeln!
Dies für die Zukunft! Die Gegenwart aber fordert weit unmittelbarer ein Werk der Hilfe, an dem sich gewiß jeder Deutsche beteiligen wird, dem ein warmes Herz in der Brust schlägt. Die Zahl der aller Habe Beraubten zählt nach Tausenden, die Verluste, welche viele hundert Gemeinden betroffen, nach vielen, vielen Millionen! Wo solche Thatsachen das Mitleid und die Mildthätigkeit herausfordern, bedarf es kaum weiterer Worte. Gleich nach den ersten Nachrichten hat sich denn auch überall der schöne Drang bethätigt, den vielen so plötzlich Verarmten schleunigst Hilfe zu bringen. Die Landesregierungen haben es sich angelegen sein lassen, das so dringliche Wohlthätigkeitswerk einheitlich zu organisieren, und in der Reichshauptstadt ist ein „Centralkomitee für die Ueberschwemmten Deutschlands“ ins Leben getreten, an dessen Spitze die Stadtbehörden stehen, und das auch die durch Hagel so schwer heimgesuchten Gegenden in Württemberg und Elsaß-Lothringen in den Kreis seiner Wirksamkeit gezogen hat. Für die Annahme von Verträgen wirkt als Centralstelle die Städtische Hauptstiftungskasse in Berlin (Rathaus). Auch die Leser der „Gartenlaube“ werden zur Steuer der Not das Ihrige beitragen und gern ihre schon so oft erprobte Mildthätigkeit auch diesmal wieder bewähren. Möge jeder sein Scherflein, und sei es noch so klein, beisteuern zur Linderung der großen, großen Not! Wer nicht vorzieht, es an eins der bestehenden Hilfskomitees zu senden, der möge es uns anvertrauen. Wir sind gerne bereit, auch die geringste Gabe entgegenzunehmen und ihrer Bestimmung zuzuführen, sowie auch seinerzeit in der „Gartenlaube“ darüber Quittung zu leisten.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_572.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2016)