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Seite:Die Gartenlaube (1897) 580.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Marconis Telegraphie ohne Drahtleitung. (Mit Abbildung.) Die seit der Entdeckung der elektrischen Wellen durch den verstorbenen deutschen Physiker Hertz schon öfter angestellten Versuche ohne eine Drahtleitung zu telegraphieren, haben neuerdings durch eine weitere Entdeckung des Italieners Marconi großes Aufsehen erregt. Die in London und an der englischen Küste vorgenommenen Versuche sind von den bedeutendsten Physikern, u. a. von W. H. Preece, der in der Royal Institution und von Professor Slaby, der in der Technischen Hochschule zu Berlin darüber berichtete, mit Interesse verfolgt worden. Marconis Erfindung beruht hauptsächlich auf einem sehr empfindlichen sogenannten Empfänger, der Hertzsche elektrische Wellen, die sich in gerader Linie gleich den Lichtstrahlen fortpflanzen, auf große Entfernungen hin nachweist und hörbar macht. Dieser Empfänger besteht aus einem Glasröhrchen von 4 cm Länge, das ziemlich luftleer gemacht ist und zwei bis auf ½ mm einander genäherte Drähte enthält. Die Wirkung dieses Empfängers hat Marconi dadurch bedeutend erhöht, daß er den freien Raum der Röhre mit einer Mischung von Feilspänen ausfüllte, die neben 96% Nickel gegen 4% Silber und Spuren von Quecksilber enthalten. Schon früher hatte Lodge einen ähnlichen Apparat zur Aufnahme Hertz’scher Wellen konstruiert, der jedoch an dem Uebelstand litt, daß die Späne nach jedem einzelnen Signal aneinander hafteten und die weiteren Zeichen abschwächten. Marconi hat, um dies zu vermeiden, die Röhre mit einem elektrischen Klopfer ausgestattet, der ihren Inhalt selbstthätig nach jedem Signal wieder durchrüttelt. Der zu diesem Empfänger gehörige Geber, der an der Primärstation zum Absenden der Signale gebraucht wird, ist ein von Professor Righi verbesserter Hertz’scher Funkenapparat, der zwischen zwei faustgroßen Messingkugeln Funken von 2 mm Länge giebt. Es ist mit ihrer Hilfe schon jetzt möglich, aus Entfernungen bis zu 10 oder mehr km zu telegraphieren; und es liegt kein Grund vor zu zweifeln, daß sich diese Entfernung bei feineren Apparaten beliebig weiter stecken läßt.

Marconi und sein Telegraphenapparat.

Dabei ist kein zwischenliegendes optisches Hindernis imstande, die Wirkung aufzuheben. Preece telegraphierte mit dem marconischen Apparat über den 13 km breiten Kanal von Bristol, aber die Signale drangen ebensogut und aus ähnlichen Entfernungen durch Mauern und Hügel hindurch und Marconi selbst gab im Gebäude des Hauptpostamtes zu London Depeschen auf, die acht starke Wände durchdringen mußten, um an ihr Ziel zu kommen. Neuerdings hat Professor Slaby in der Technischen Hochschule zu Berlin einen von ihm selber erbauten Marconischen Apparat vorgeführt und z. B. von seinem Wohnhause in Charlottenburg nach einem Auditorium der Technischen Hochschule Telegramme mit vollkommener Deutlichkeit gesendet. Der Erfinder glaubte an die Möglichkeit, die Apparate so zu verstärken, daß in London aufgegebene Depeschen nach New York sogar hörbar sein würden. Es wäre nun freilich schön, wenn man ohne Kabel über die Weltmeere telegrafieren könnte, aber so schnell vermögen wir doch an die versprochene Umwälzung nicht zu glauben. Die Telegraphie ohne Draht besitzt bis jetzt auch noch ihre Nachteile und Fehler vor allem den, daß die erregten Wellen sich nicht nur nach einer sondern nach allen Richtungen zugleich ausbreiten und mit geeigneten Apparaten überall aufgefangen werden können, gewiß eine sehr indiskrete Art des Depeschierens. Bw.     

Das Freiligrathhaus in Aßmannshausen. (Zu dem Bilde S. 565.) Zu Füßen des Niederwalds, von dessen Höhe das hehre Standbild der Germania als Wacht am Rhein auf die Fluten des herrlichen Stromes herabgrüßt, liegen rechts und links zwei Orte, die auf der Ruhmestafel des Rheinweins hoch oben stehen: Rechts breithingelagert das stattliche Rüdesheim, links eingeschmiegt in die Mündung des Hellenthals das kleinere Aßmannshausen. Während aber der goldne Rüdesheimer in anderen Rheingauer Marken bedeutende Rivalen hat, genießt der Aßmannshauser unter den Rotweinen des Rheingaus den ungeschmälerten Ruf, an Feuer, Kraft und Milde der allerbeste zu sein. Und dieser Aßmannshäuser Rote mit seinem Rubinglanz hat noch eine ganz besondere Weihe durch einen der besten deutschen Dichter erhalten, durch Ferdinand Freiligrath. In dem alten kleinen Wirtshaus zur „Krone“, das heute noch im Ort neben dem stattlichen Gasthof gleichen Namens, ein Wahrzeichen altrheinischer Herbergspoesie, steht, wohnte in den Frühlingstagen des Jahres 1844 dieser tapfre „Ritter vom Geist“ und brachte sein „Glaubensbekenntnis“ zum Abschluß, jene Sammlung von heiliger Begeisterungsglut entflammter Freiheitslieder, die in der „Stickluft“ jener Tage wie ein erlösendes Gewitter wirkten. Als „Vierundvierziger Aßmannshäuser“ bezeichnete der Dichter in seinem poetischen Vorwort diese feurigen Poesien. Seitdem ist vieles zur schönen Wirklichkeit geworden, was damals nur ein berauschender Dichtertraum war. Und während jetzt auf der Höhe des Niederwalds die triumphierende Germania die neugewonnene Kaiserkrone hoch in die Lüfte hält, darf das kleine schiefergedeckte Giebelhäuschen der alten „Krone“ unten als Denkmal gelten für den Anteil, den die Poesie unserer patriotischen Freiheitsdichter an den Kämpfen gehabt hat, die zur Erfüllung des Ideals eines in Freiheit geeinten Deutschen Reiches führten. Als vor drei Jahren ein Halbjahrhundert zu Ende ging seit jenem Frühling, in welchem Freiligrath sein „Glaubensbekenntnis“ am Rheinesufer gesungen, ist das Gebäude denn auch in diesem Sinne mit einer Büste des Dichters geschmückt worden. Emil Rittershaus, der nun auch verstorbene Rheinlandsänger hielt dabei die poetische Weiherede, die zündenden Verse derselben hat die „Gartenlaube“ (vergl. Jahrgang 1894. Seite 356) damals zum Abdruck gebracht.

Unsere heutige Abbildung des Häuschens selbst vergegenwärtigt gar stimmungsvoll die malerisch idyllische Lage, deren es sich von jeher erfreut. Indem es der Maler abgelöst vom verkehrsreichen Strom und im Zusammenhang mit dem lauschigen Hellenthal darstellt, läßt er so recht ins Auge fallen warum gerade dieses Wirtshaus am Rhein, wo doch so viele des „Herrgotts Arm“ ausstrecken, eine so bevorzugte Poetenherberge geworden. Sie war dies schon im vorigen Jahrhundert; in dem unsrigen sind schon vor Freiligrath Karl Simrock und Hoffmann von Fallersleben Stammgäste der „Krone“ gewesen; später wurde dies in ganz besonderen Grade Emil Ritterhaus, dessen schönste Rhein- und Weinlieder gleichfalls hier entstanden und der auch die letzten glücklichen Poetentage seines Lebens hier verbracht hat. Seiner Anregung ist es zu danken, daß das Zimmer, in welchem einst Freiligrath wohnte, vom jetzigen Besitzer in seinem damaligen Zustand wiederhergestellt und mit allerhand Andenken an Freiligrath ausgestattet wurde. Der schmucke Erker und das nächste Fenster auf unserer Ansicht gehören zu dem Zimmer, zwei weitere Fenster gehen nach dem Rhein hinaus und gewährten dem Dichter den Anblick des geliebten Stromes, dem der plätschernde Rehlingsbach unterhalb der Fenster vom Hellenthal aus zueilt. Der Berg links vom Eingang in dieses heißt der Hellenberg, und hier wächst die beste Marke, der „Hinterkirch“, vom Aßmannshäuser Roten. P.     

Abendgebet in der Wüste. (Zu dem Bilde S. 568 und 569.) Unsicher ist das Leben in der Wüste. Wer die Städte und Dörfer der Oasen in der Sahara verläßt, sieht sich auf Schritt und Tritt von Gefahren umlauert. Mehr noch als den Samum, der die Brunnen verschüttet, hat der Mensch den Menschen zu fürchten, denn Raub und Totschlag stehen bei den Wüstenmenschen auf der Tagesordnung und nur Stärke und Wachsamkeit schützen die Karawanen vor räuberischen Ueberfällen. – Die Kundschafter der Karawane auf unserem Bilde, die an einem Brunnen Rast hält, haben im Laufe des Tages in weiter Ferne verdächtige Gestalten erspäht, Feinde umkreisen die friedlichen Händler und mit Besorgnis sieht man der kommenden Nacht entgegen. Im Angesicht der Not suchen die geängstigten Herzen Zuflucht im Gebet. Das vorgeschriebene Abendgebet der Moslim scheint schon zu Ende. Aber ein Teil der Leute liegt noch auf den Knieen und der Vorbeter sucht weiter den Schutz des Allmächtigen herbeizuflehen. Die Bewegung, die er gerade ausführt ist für die Betenden vom Propheten nicht vorgeschrieben; es ist jedoch die Gebärde, die jeder flehende Mensch ausführt und besser, deutlicher als eingeübte Zeichen drückt sie die Not und die Inbrunst des Betenden aus. – Dunkel wie die Nacht, die bald über die stille Wüste hereinbrechen wird, sind die Wege des Schicksals, aber beruhigt wird der Führer die Karawane durch die menschenleere Einöde leiten, denn das Vertrauen zu dem Lenker der Welt hat sein Herz wieder aufgerichtet.*      


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 34/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_580.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)
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