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Seite:Die Gartenlaube (1897) 735.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

brächt’ ich Sie morgen zu meiner Tante in Neapel, eine liebe vortreffliche Frau und die nähm’ uns auf, das bezweifl’ ich nicht, und wenn die Alten hier das erführen, dann müßten sie wohl nachgeben … Wie?“

„Ach,“ sagte Gertrud unschuldig, „Sie sollten jetzt nicht so scherzen, Arthur, mir ist nicht danach zu Mut!“

Schnell lenkte der geschmeidige Arthur ein: „Wenn Sie diesen – Scherz nicht mögen, nun dann laß ich das. Dann – dann weg damit! – Es war nur so ein Einfall ein Kind der Not, süße Gertrud. Da ich mich doch damit beschäftigen muß, wie ich Ihrem tragischen Geschick ein Ende mache – denn auf mir ruht nun doch diese Pflicht!“

„Ach ja“, seufzte sie, „es ist schwer. – Sie betrachtete ihn wieder mit ’so einem langen Blick, der ihm nun doch unbequem zu werden anfing. Nach einem starken Atemzug brachte sie die überraschende, unlogische Frage heraus; „Werden Sie mich nie verlassen, Arthur?“

„Ich?“ – Er sah sie sehr beleidigt an. – „Diese Frage! Gertrud!“

„Würden Sie mich auch nie verlassen, wenn ich – – wenn ich arm wäre? wenn ich nichts mehr hätte?“

„Gertrud,“ sagte er mit vorwurfsvollem Lächeln, „ich sehe, Sie wollen mich erzürnen. Was hat das Geld mit unsrer Liebe zu thun –?“

„Ach, das sag’ ich auch!“ seufzte sie. “Wenn ich nun aber – – wenn ich nun wirklich arm geworden wäre. Ganz, ganz arm. – Nach einem letzten Zögern überwand sie sich; „Ich bin es, Arthur. Nein, lächeln Sie nicht. Es ist wirklich so. Es ist – – ganz plötzlich ist es gekommen. Alles, alles, alles hat mein Vater verloren. Seit gestern wissen wir es!“

„Gertrud! Alle Teu- –“

Der sehr erschrockene Arthur hielt noch im letzten Augenblick an.

„Hm!“ machte er dann langsam, um etwas Zeit zu gewinnen, und that, was er konnte, um im Gesicht einen edlen Ausdruck zu behalten. „Sie – – Sie erzählen mir da ja etwas Schreckliches; etwas Entsetzliches. Alles, sagen Sie?“

Das arme Kind sah ihn ängstlich an „Sie finden es also sehr entsetzlich, Arthur…. Werden Sie mich nun verlassen, weil wir nichts mehr haben?“

„Ich? Wie können Sie denken … Aber wie können Sie das denken, Gertrud! Ich werd’ Ihnen ewig, ewig treu sein natürlich. Werd’ Sie nie verlassen das ist selbstverständlich … Alles? Ist das wahr?“

Sie nickte.

„Alles? Wirklich alles?“

„Ich sagte es Ihnen ja!“

„Sie sagen es aber so merkwürdig ruhig. Mein Gott, das ist ja ein Schicksal, um sich alle Haare – –“

Er brach wieder ab, nahm sich wieder gewaltig zusammen, da ihn ihr Gesicht erschreckte auch stieg in seinem schwindelnden Gehirn eine Hoffnung auf. „Nur um Ihretwillen, natürlich!“ verbesserte er sich. „Um Ihretwillen ist es traurig, Gertrud … Wir haben da zum Glück Ihren zweiten Vater, den Oberappellationsrat Schilcher, der sehr wohlhabend ist, und der für Sie sorgen wird, von dem Sie einst erben werden, wie man mir gesagt hat –“

„Der? fiel sie ihm rasch ins Wort „Der hat auch –!“

„Alles verloren?“

„Ja!“

Sie zögerte vor dem „Ja“ einen Augenblick, Lügen war nicht ihre Stärke. Unschuldig verlegen stand sie dann da und wandte ihr Köpfchen, ihre Schultern seitwärts, um es zu verbergen.

Ah! ging es erleichternd durch Arthur, der dies alles erfaßte; er lächelte, da ihre Augen wegschauten. Das erfindet sie! fuhr ihm durch den Kopf. Oder Papachen hat’s ihr eingegeben oder der alte Nußknacker. Ach, du kleines dummes Mädchen, das mußt du nicht glauben, daß Arthur van Wyttenbach so leicht anzuschmieren ist! – Er fand jetzt all seine edlen, vornehmen Züge wieder und sagte mit seinem weichsten Bariton. „Meine teure Gertrud! Wie traurig ist das alles. Sie und Ihr Vater und Herr Schilcher – drei so edle Menschen! – Zum Glück bin ich da. Ich. Jetzt fühl’ ich erst, daß die Vorsehung mich neben Sie gestellt hat!“

Sie blickte ihm mit noch zagender Freude in die kleinen, aber so schön aufleuchtenden Augen. „Arthur – Sie werden mich nicht –“

„Verlassen? – Sagen Sie nie mehr so ein abscheuliches Wort! Nein, auch nicht im Scherz; es kränkt mich zu tief! ….“

Ich bin nicht reich, meine geliebte Gertrud – leider nicht – – das heißt, ich sage leider nur um Ihretwillen. Aber ich werde arbeiten! wirken! schaffen! ich für alle vier! Alle meine Gaben, meine Fähigkeiten werde ich entfalten, daß man staunen soll, o, die Welt weiß noch nicht was hier in mir steckt! Ich werde Wunder thun, Gertrud – denn die Liebe thut Wunder – die Liebe, die allmächtige. Und Sie Kleinmütige, Verzagte, Ungläubige – ja ja, mein süßes Kind war etwas ungläubig und verzagt – Sie sollen eines Tages sagen: dieses Unglück damals war mein schönstes Glück, denn es hat mir erst gezeigt, was mein Arthur ist, was ich an ihm habe!“

„Arthur!“ seufzte das Mädchen vor Rührung und Glück; ihre feucht schimmernden Augen lächelten ihn an. „O, wie lieb’ ich Sie! Wie sind Sie edel und gut. – O und wie schlecht war ich, daß ich zweifeln konnte. Verzeihen Sie mir das, Arthur! Nie mehr! Nie mehr!“

13.

Arthur, der mit einem verzeihenden Blick auf sie niedersah, fühlte ich im Zug hätte gerne noch eine Weile in diesem erhabenen Sinn auf sie eingesprochen; zu seinem Bedauern, öffnete sich aber die kleine Rauchzimmerthür und Rutenberg erschien. „Die Partie ist aus,“ sagte er. „Aber anders, als ich mir einbildete. Ich bin arm geworden.“

„Mein ganz ergebenstes Beileid, Herr Rutenberg,“ entgegnete Arthur gemütlich lächelnd. Plötzlich fiel ihm ein, daß er ja mit diesem „verarmten“ Mann Mitleid haben mußte. Er wurde ernst, sehr weich, schüttelte wie verstohlen den Kopf, warf dann aber einen strahlenden, heimlichen Blick auf seine Gertrud und lächelte ihr ermutigend zu.

Gleich darauf staunte Rutenberg – das Kind trat vor ihn hin, mit einer seltsam triumphierenden Miene und Gebärden sie sah ihm wie anklagend in die Augen. „Ach, bitte!“ sagte sie dann. Ihr langer, magerer Arm hängte sich in seinen, so zog sie ihn durch den Salon und zu ihrem Zimmer. Er fühlte sich förmlich hineingeschoben die Thür fiel ins Schloß. Als sie ihn losließ und ein wenig zurücktrat, sah er, daß ihr so siegreich strahlendes Gesicht sich verfinstert hatte, die feinen, seidigen Brauen drängten sich zusammen. „Vater!“ sagte sie leise, aber wie in tiefer Empörung.

„Na, was giebt’s?“ fragte er.

„Vater! O, wie schäm ich mich, daß ich dir geglaubt hab'! – Nein, nicht geglaubt, nein, das nicht; aber doch gezweifelt. Pfui ich an ihm gezweifelt. – O, und was für böse, schlechte Sachen du von ihm gesagt hast und er ist so edel! so großherzig! so gut!“

„Ich versteh’ dich nicht. Was meinst du –“

„Ich bin dir gefolgt!“ rief sie laut; er sah dann aber auf die Thür und sprach wieder leise. „Ich hab’ ihm das angethan, hab’ ihn auf die Probe gestellt, wie du sagtest. Hab’ ihm vorgelogen – o, wie schäm’ ich mich – daß wir verarmt wären, daß wir nichts mehr hätten. Wir nicht – auch Onkel Schilcher nicht … O, wie hab’ ich dann vor ihm dagestanden. Nun weiß ich erst, was für ein großes Herz – – Du kennst ihn nicht! Ihr alle, alle ihr kennt ihn nicht! Für dich, für Onkel Schilcher, für uns alle wollte er leben, schaffen, statt mich zu verlassen. – Und mein Vater verleumdet ihn! vor seinem Kind!“

Sie legte sich bei diesen Worten die Hand aufs Herz die schlanke, noch unreife Knospe stand so tragisch, so rührend pathetisch da, daß Rutenberg unter andern Umständen wohl gelächelt hätte.

Er fuhr nun aber doch auf, wie von einem scharfen Pfeil getroffen. „Ich verleumde ihn!“

„Ja, Vater! Du!“ Sie hob den Arm gegen ihn, sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_735.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2019)
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