Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1897) 796.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Die Huldigung der deutschen Weine und Feldblumen vor Prinz Waldmeister
und Prinzessin Rebenblüte.

Aus „Waldmeisters Brautfahrt“ von Otto Roquette. Illustrierte Prachtausgabe.

„Sie werden sich wundern,“ erwiderte er, „wie grundlos diese Furcht gewesen sein wird, wenn Sie an diesen herrlichen Menschen näher herantreten.“

Ihre Vorstellung von ihm ist nur ein Rest Ihrer flachen, gedankenlosen Mädchenerziehung, bei der es keine sündhaftere Verirrung gab, als sich einen Gott zu denken, der nicht im Katechismus stand. Diesem edelsten aller Sterblichen kann man eher zum Vorwurf machen, daß ihm in seinem Gottesbegriff die ganze Welt verschwand. Aber von der ,intellektuellen Liebe‘ zu diesem Allgott, die in seinem einsamen Herzen glühte, wissen freilich nur wenige von denen, die täglich zu ihrem ‚lieben Gotte‘ beten.“

Verzeih, Liebste, ich habe mich fortreißen lassen, Dir beinahe selbst ein philosophisches Kollegium zu lesen. Weß das Herz – und auch der Kopf – voll ist, deß fließt die Feder über. In der nächsten Zeit werde ich Dich mehr in Ruhe lassen. Das „Heft“ nimmt den größten Teil meiner freien Zeit in Anspruch, und seit vom Herausgeben die Rede ist, muß ich mich ganz anders zusammennehmen, als da ich nur Notizen zum eigenen Repetieren machte.

Wünsche mir Glück, Liebste. Ich habe ja endlich gefunden, was mir not thut!

Und immerhin ist es für das eine versagte Glück ein Ersatz, den ich dem Himmel nicht genug danken kann.Deine M. 


Achter Brief.

Am 15. Januar.     
Dein Getreuer Eckartsbrief, liebste Mary, trifft soeben in meiner Arbeitsstunde bei mir ein. Ich lasse Sokrates, der mir gerade zu schaffen machte, einen Augenblick warten, um Dich über Deine schwesterliche Sorge umgehend zu beruhigen.

Nein, Liebste, Du siehst Gespenster. Wenn Du so einem Privatissimum beiwohntest, würde Dir nicht von fern der Gedanke kommen, mein eheliches Glück könne auch nur einen Augenblick dadurch gefährdet werden. Für mich ist Dimitri nur der verehrte Lehrer, der meinen Kopf beschäftigt, nicht mein Herz. Für ihn bin ich – Matuschka, sein Mütterchen, das, wenn sich’s nicht um Philosophie handelt, ihm an Autorität, Erfahrung, Lebensweisheit weit überlegen ist und überdies – die Frau seines Freundes und Lebensretters, dem sein junger Hausfreund für viele geistige und leibliche Wohlthat Dank schuldig ist. Der Hausherr selbst ist und bleibt der einzige und unumschränkte Herr und Gebieter in meinem Herzen, und zwischen mir und dem „Dritten im Bunde“ kann von einer anderen als geschwisterlichen Neigung nie die Rede sein, auch nicht von der leisesten sogenannten platonischen Liebe, höchstens von der „intellektuellen“, wie Spinoza sie verstanden hat.

So! und nun sage ich, wie Du zuweilen thatest, wenn ich Dir mit meinen Backfischsorgen in der Freiviertelstunde. den Kopf warm gemacht hatte: „Beruhige Dich!“ und fahre fort in der schwierigen Aufgabe, zu erklären, warum man sagen konnte, Sokrates habe die Philosophie vom Himmel auf die Erde zurückgeführt.

Farewell, dearest! Deine alte getreue   M.

(Schluß folgt.)


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger, 1897, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_796.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)
OSZAR »