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Seite:Die Gartenlaube (1898) 0139.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

die Augen sind noch glänzender, noch dunkler geworden. Emma von Zobel, eine sehr frische rosige Blondine mit übermütigem kurzen Näschen, fällt der Freundin um den Hals.

„Nett, daß der alte Prinz Julius starb und acht Tage Hoftrauer mir Gelegenheit geben, dich zu sehen,“ jubelt sie. „Uff! Der Mensch hat wahrhaftig auch mal das Ausruhen vom Vergnügen nötig,“ und sie wirft sich übermütig in die blauen Seidenpolster des Wagens. „Aber, Di, du bist ja bildschön geworden!“ ruft sie dann, „so blaß, so interessant – höre du, ich sterbe vor Neugier auf deine Erlebnisse.“

Edith wird rot und lenkt das Gespräch auf anderes. „Du mußt sehr vorlieb nehmen bei uns, Ma,“ sagt sie, „wir sind eben arme Leute.“

„Bis jetzt macht’s mir nicht den Eindruck von Armut,“ ist die fröhliche Erwiderung, und sie weist auf den eleganten Wagen und den Diener, der den Schlag zuwirft.

„Das ist geborgter Glanz,“ lächelt Edith, indem sich der Landauer in Bewegung setzt.

„So? Macht nichts, ich denke es mir einfach romantisch bei euch. O, ich bin so schrecklich gespannt auf deinen Lohengrin!“

„Wirst ihn schwerlich sehen, er liegt zu Bett.“

„Krank? Doch nicht etwas Ansteckendes? Du, Di, laß halten, da kehre ich auf dem Fleck um,“ ruft die erschreckte Freundin.

„Unsinn! Er ist gestern, als er beim Brande in Altwitz retten half, verletzt worden, das ist alles.“

„Ah! Wie war das? Erzähle doch,“ drängt Emma von Zobel, nun wieder im Gleichgewicht.

Edith berichtet in flüchtigen Sätzen der gespannt lauschenden Freundin die gestrigen Ereignisse, und währenddem ist der Wagen das Stück Chaussee entlang gefahren und rollt jetzt schon durch die Dorfstraße.

„Himmel, wie romantisch!“ ruft die kleine Blondine, „dich hat er gerettet? Sag’, Di, bist du wirklich um den Hund hineingerannt in die Flammen, oder wolltest du gerettet sein? Bekenne mal ehrlich, Di!“

„Schäme dich, Ma! So ein armes Tier – natürlich stürzte ich nur des Hundes wegen hinein.“

„Na, sei nur gut, Di, ich werde dein Abenteuer auch gewissenhaft an Edi Waldenberg berichten. Uebrigens, Di,“ sie sieht ihre schöne Freundin nachdenklich an, als sei sie neugierig, wie diese die Nachricht aufnehmen wird, „mit dem Edi – das ist ’ne schöne Geschichte – weißt du schon?“

„Kein Wort,“ versichert Edith wie elektrisiert, „wir leben ja hier wie auf einer wüsten Insel. Also, was weißt du, Ma? Was ist ihm denn passiert?“

„Denke dir nur – sein schwindsüchtiger Bruder, der Majoratsherr, hat sich verlobt!“

Aus Ediths Gesicht schwindet das zarte Rot, das eben noch ihre Wangen färbte; sie wendet den Blick zum Wagenfenster hinaus.

„Und der Edi,“ fährt Ma unbarmherzig fort, „macht seiner künftigen Schwägerin den Hof mit einem Nachdruck – ich sage dir, großartig. Die böse Welt behauptet, das seien die Präliminarien für später, er könne dann, wenn sie Witwe ist, der das ihr ausgesetzte große Wittum zufällt, ohne viel Federlesens sagen: ‚Ich habe dich schon geliebt, als du noch meinem Bruder gehörtest.‘“

„So?“ kommt es langsam von Ediths Lippen. „Wie interessant! Ich habe den Edi gar nicht für so klug gehalten.“

„Du bist ja blaß geworden, Di?“

Das schöne Mädchen antwortet nicht. In diesem Augenblick hält auch schon der Wagen vor dem Schlosse; aber es ist niemand da zur Begrüßung, Fräulein Tonette schlummert ein wenig im Lehnstuhl droben und Christel legt Anton eben eine neue Kompresse auf.

Die jungen Damen steigen nach oben, und auf der Treppe schlingt Emma von Zobel den Arm um Edith. „Du, wirst dich doch nicht im Ernst grämen um den Edi Waldenberg? Ich bitte dich, Di, die Sache ist ja mehr als aussichtslos.“

„Ich mich grämen?“ antwortet Edith, „ich denke nicht daran, ganz wahrhaftig nicht, Ma! Im Grunde ist er doch nur ein schrecklich dummer Junge, der gute Edi.“

Sie bleiben beide stehen und lachen, und dieses silberne Lachen klingt von den hohen Wänden des Treppenflurs wieder, fremdartig, ungewohnt in diesem Hause. Es ist, als ob all die alten nachgedunkelten Porträts der Wartaus aufwachten über diesen ungewohnten Jubel der Jugend und des Uebermuts.

„So,“ sagt abends Ma zu Edith, „jetzt bist du wieder die alte ‚tolle‘ Di, wie wir dich in der Pension nannten.“

Edith hat sich in ihr phantastisches Hauskostüm gesteckt, liegt in einem alten Fauteuil und wippt mit den Füßchen.

„Du kamst mir heute zuerst so wunderlich vor, so pedantisch – das kleidet dich gar nicht, Di. Uebrigens ist’s kein Wunder, denn Tante Tonette scheint mir eine ‚sehr einfache‘ Dame zu sein, und zum Sterben langweilig.“

„Glaubst du?“ fragt Edith und verzieht ironisch den Mund, „wenn du dich nur nicht irrst.“

„Die fließt ja über vor Edelmut! Wie gräßlich rührend zum Beispiel von ihr, daß sie sich Frau Christel anbietet, während des Begräbnisses im Nebenzimmer der Krankenstube zu bleiben.“

„Sehr rührend, es ist wahr,“ bestätigt Edith mit undurchdringlicher Miene.

„Schade, daß Wartau euch nicht mehr gehört; das alte Nest ist einfach himmlisch,“ fährt Emma von Zobel fort, „wirklich feudal! Ein bißchen sehr verblichene Pracht freilich, aber wenn ich mir das schön aufgefrischt vorstelle, Di, und mich hier lebend mit einem netten Mann, im nahen Verkehr mit den vielen Nachbargütern, die erste Rolle als schöne junge Frau spielend, im Winter in der Residenz, oder so – – furchtbar nett! Ich würde bei meiner Dienerschaft die Puderperücken wieder einführen, glaube ich, damit sie zum Stil des Schlosses passen.“

Edith lacht laut auf. „Wenn ich mir Frau Christel vorstelle, von gepuderten Dienern umgeben!“

„Ich sage ja nicht, daß diese Rustica hier residieren soll!“

„Nun, sie thut’s doch aber mal,“ antwortet Edith und schleudert ihren Schuh mit einer Fußbewegung über den Teppich.

„Freilich, Di, ereifere dich doch nicht; ich kann doch nichts dafür,“ schmollt Ma.

Nach einer Stunde haben die jungen Mädchen ihr Lager aufgesucht; Ma schläft sofort ein, Edith liegt mit heißem Kopf in den Kissen und starrt auf den Rokokospiegel, in dessen geschliffenem Glas bläuliche Funken blitzen, die der Mond ihm entlockt, der durch einen Spalt der Vorhänge blinzelt. Plötzlich springt das Mädchen auf und huscht hinüber zu dem Bette ihrer Freundin.

„Ma,“ sagt sie halblaut und rüttelt ihre Schulter, „liebe Ma!“ Und sie kniet vor dem Bette nieder – „Ich muß dir etwas sagen, Ma, mir drückt’s das Herz ab sonst,“ flüstert sie dicht am Ohr der erwachten Freundin, „ich bin furchtbar unglücklich, Ma, ich liebe den Lohengrin!“

„Riesig interessant!“ gähnt Ma, halb noch im Schlummer, „wenn er nur nicht Mohrmann hieße.“

„Ma, spotte nicht!“ schluchzt Edith, „es ist ja so schrecklich, begreifst du denn das nicht? Es ist ja so schrecklich!“

„Das ist dein Ernst?“ fragt jetzt die Freundin und setzt sich völlig aufrecht im Bette.

„Ja! Seit gestern weiß ich es, Ma, seit er mich aus dem Feuer trug.“

„Ich dachte seit heute, wo ich dir vom Edi erzählte?“

Edith überhört das und schluchzt nur noch mehr.

„Geh schlafen, Kind,“ tröstet Ma. „Morgen sprechen wir weiter, wenn’s überhaupt lohnt, darüber zu reden.“

Und Edith sucht das Lager auf und weint sich in den Schlaf, und ihr träumt, daß sie zugegen ist, wie Edi Waldenberg ihre Verlobungsanzeige bekommt. „So, so!“ hört sie ihn sagen, „mit dem Mohrmann, der sich ihretwegen von seiner Frau scheiden läßt?“ Und dann fährt er sich verzweiflungsvoll in die Haare – „Edith, ich liebe dich, warum hast du mir das gethan?“ Und sie muß lachen, ach, so sehr.

Sie hat ganz laut gelacht und erwacht darüber mit heftigem Herzklopfen. Wo ist sie denn? Wie ist ihr denn? Sie liegt in ihrer Schlafstube in Wartau, der Mond blinzelt durch den Vorhang und die Schloßuhr schlägt eben Eins, und unter ihr sitzt Frau Christel am Bette ihres kranken Mannes und Edith sieht sie im Geiste so deutlich vor sich. So fest sitzt sie da und so sicher, die große blonde Frau, wer könnte sie zwingen, von diesem Platz zu weichen? Und Edi – Edi bleibt arm, wenn sein Bruder, der schwindsüchtige Majoratsherr, heiratet, und Edi macht der zukünftigen Witwe schon jetzt den Hof – aus Berechnung! Er

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0139.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2019)
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