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Seite:Die Gartenlaube (1898) 0143.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

1683 erfolgten Tode im Volksmunde erhalten hat. Der hochverdiente Stainerforscher S. Ruf sagt in der Vorrede zu seiner Lebensskizze „Jakob Stainer“ ganz richtig: „Wer es einmal unternimmt, eine Kunstgeschichte Tirols zu schreiben, der wird das Leben und Wirken dieses Künstlers nicht umgehen können.“

Leider ist über das von Sagen und Romantik so sehr umsponnene Leben dieses Künstlers von Gottes Gnaden wenig bekannt. Erst in den letzten Decennien haben gründliche Forschungen, gestützt auf Urkunden, begonnen und noch sind dieselben durchaus nicht als abgeschlossen zu betrachten.

Treffliche Kenner der Musikgeschichte erklären, daß Stainer eine ganz neue Eigenart im Baue der Geigen erfunden habe. Ganz entgegen den Welschen, baute der Künstler seine Instrumente an den Decken, trotz ihrer hohen Wölbung, sehr dick, ließ aber das Holz nach den Backen zu rasch abnehmen und in dünne Ränder verlaufen. Mein Vater, ein eifriger Musiker, wenn auch nur ein Dilettant, besaß eine Stainergeige, die er später an einen Russen verkaufte, dessen Name mir entfallen ist. Ich erinnere mich noch genau, wie mein Vater mir einst das kostbare Instrument zeigte und dabei die Bemerkung machte, die Decke sei so schön gewölbt wie die Brust eines gut gewachsenen kräftigen Mannes. Schon diese Bauart unterscheidet die Stainergeige von jenen der italienischen Meister. Aber auch in der Wahl des Holzes war Stainer äußerst sorgfältig.

Den Bergbewohnern und den Hochtouristen ist es bekannt, wie die Museln, das sind die für Brettersägen behauenen Stämme, hell tönen und klingen, wenn sie zu Thal befördert an den Felsen anschlagen. Nicht minder bekannt ist ein in Tirol heimisches Instrument, das nach alter Bezeichnung das „hölzerne Glachter“ genannt wird und nun unter dem Namen Xylophon fast bei allen Restaurationsmusikkapellen zu finden ist. Man stellt es aus dem sogenannten „singenden Holze“ her. Auf dieses richtete Stainer ganz besonders sein Augenmerk. Er suchte in den Wäldern seiner Heimat vorwiegend altes Holz oder auf der Wurzel abgestorbene Stämme. Das so gewonnene treffliche Material wurde von dem Meister mit außerordentlicher Sorgfalt verarbeitet. Ein Kunststück der Holzschnitzerei ist bei seinen Instrumenten die Schnecke, welche oft auch einen Löwenkopf darstellt.

Was aber Stainers Geigen zu ihrem Rufe verhalf, das war ihr reiner, weicher und flötenartiger Ton. Nach dem Urteile großer Kenner übertrafen sie darin die so berühmten Geigen des Italieners Nicolo Amati und wurden mit der Zeit so kostbar, daß man später Mühe hatte, echte Stainergeigen unter dem Preise von hundert bis dreihundert Dukaten an sich zu bringen.

Dieser hohe Preis hatte zur Folge, daß die Fälschungen der Stainergeigen zahllos wurden. Hatte man im Anfang Stainers Namenszeichnung gefälscht, so wurden die Geigenmacher mit der Zeit so kühn, Zettel mit Stainers Namen und einer Jahreszahl einfach drucken zu lassen.

So ist eine Unmasse falscher Stainergeigen in aller Welt zu finden und über die Echtheit mancher Instrumente entspann sich zwischen Kennern gar oft lang dauernder Streit.

Doch nun will ich dem Leser die Hauptabschnitte aus dem Leben dieses ausgezeichneten Meisters der Geigenbaukunst erzählen. Leider sind die Nachrichten recht dürftig, denn es fehlte in jener Zeit der Chronist. So berühmt die Instrumente waren, so wenig der Beachtung würdig wurde der Verfertiger gefunden. Verworrener wurden überdies die Berichte, als sich die Poesie des Stoffes zu bemächtigen begann, und so mancher Lebensabschnitt Stainers, der als feststehend angenommen wird, ist weiter nichts als die Erfindung des Novellisten. So die Geschichte seiner Jugendliebe mit der Tochter des Geigenmachers Vimerkatti in Venedig, in welcher auch ein zweiter berühmter Instrumentenmacher Tirols, der Orgelbauer Daniel Herz in Innsbruck, eine Rolle spielt. Alle Forscher stimmen darin überein, daß es nie gelungen sei, auch nur die geringste Spur aufzufinden, daß Stainer jemals in Venedig gewesen sei.

Am 14. Juli 1621 wurde Jakob Stainer als Sohn der Eheleute Martin Stainer und Sabina Grafinger in Absam geboren.

Es ist nicht nachweisbar, wann und wo er seine Kunst erlernt hat. Am ehesten ist anzunehmen, daß er eigentlich doch aus italienischer Schule stammt, obwohl er sicher auch in der Heimat reiche Kenntnisse im Instrumentenbau gesammelt hat. Noch heute spielt gar mancher Bergler auf seiner selbstgemachten Zither, und in Tall kenne ich eine Musikgesellschaft, die sich ihre Geigen und Bässe selbst fertigt.

In Stainers Jugendzeit hielten sich am Hofe des Erzherzogs Leopold und der Claudia von Medici in Innsbruck sehr viele italienische Künstler auf, denn die Stadt wurde vielfach von Fürstlichkeiten aus Italien besucht, denen zu Ehren große musikalische Feste gegeben wurden. Dort dürfte Stainer die Bekanntschaft der italienischen Geige gemacht haben, denn seine Erstlingswerke lehnen sich in der Form jener des welschen Meisters Nicolo Amati an. Ich glaube sogar, daß Stainers Jugendarbeiten ganz gewöhnliche Instrumente waren, die er, auf den Jahrmärkten herumziehend, um wenige Gulden verkaufte.

Seine außerordentliche Begabung im Geigenbau ließ ihn die Geheimnisse der italienischen Geigenmacher erkennen, er lernte von diesen Meistern, bis er sie endlich sogar übertraf und die eigentliche deutsche Aera der Geigenbaukunst schuf. Die Klänge der italienischen Geige hatten seinem deutschen Gemüte nicht zugesagt. Er sann, baute und arbeitete und schuf die deutsche Geige. So sagt Dr. Schafhäutl.

Schon mit zwanzig Jahren (1641) war Stainer eifrig mit Geigenmachen in Absam beschäftigt und zog mit seiner Ware auf den Märkten umher, mit ausländischen Kaufleuten Handel treibend. In so jungen Jahren schon unterhielt er ein Liebesverhältnis mit einem Mädchen aus Absam, Namens Margaretha Holzhammer, das er am 26. November 1645 heiratete. Im Jahre 1648 hielt sich Stainer längere Zeit, mit Geigenmachen beschäftigt, in Kirchdorf in Oberösterreich auf. Er wohnte im Hause des Handelsmannes Salomon Huebmer, welchen er auf den Haller Märkten kennengelernt hatte. Dieser Aufenthalt sollte ihm später noch große Unannehmlichkeiten und vielen Verdruß bereiten, da er bei Huebmer einige Gulden Schulden hinterließ.

In demselben Jahre hatte sich Erzherzog Ferdinand, der 1646 die Regierung angetreten, mit seiner Gemahlin Anna von Toskana und seinem Bruder Sigmund Franz mit dem Hofstaate drei Tage in St. Magdalena im Hallthale aufgehalten. Hier wurde Stainer dem Erzherzoge vorgeführt, und dabei fand nicht nur sein Instrument, sondern auch sein Spiel gerechte Bewunderung. Von dieser Zeit an wurde der Künstler öfter in das Hoflager nach Innsbruck berufen.

Damals führten die jungen Eheleute den Haushalt bei den Schwiegereltern. Erst im Jahre 1666 erwarb Stainer von seinem Schwager ein Haus nebst Garten. Sein Ruf und Ruhm fand immer größere Verbreitung. Kunstkenner hatten ihm den Titel „Celeberimus testudinum musicarum fabricator“ („Der sehr berühmte Geigenmacher“) beigelegt, und der Erzherzog ernannte ihn zu seinem Hofgeigenmacher.

Diese Anerkennung ließ den bescheidenen Mann auch in der Achtung seiner Mitbürger und vor allem in den Augen der Geistlichkeit ganz gewaltig steigen, denn aus der einfachen Bezeichnung „Geigenmacher“ wurde selbst in den kanonischen Büchern ein „ehrsamer und fürnehmer Herr“. Mit dem Tode des Erzherzogs Ferdinand Karl verlor aber Stainer einen großen Gönner und es begann für ihn die schlimme Zeit.

Erzherzog Sigmund Franz, welcher nun in der Regierung folgte, entließ alle italienischen Musiker von seinem Hofe.

Dessen Regierung dauerte freilich nicht lange; er starb schon am 24. Juni 1665, und mit ihm erlosch die zweite österreichisch-tirolische Regentenfamilie. Tirol kam an Kaiser Leopold I. In dieser Zeit wurde Stainer vom Gerichte in Thauer vorgeladen wegen seiner in Kirchdorf gemachten und noch immer nicht beglichenen Schulden. Salomon Huebmer war ein strenger Gläubiger; anderseits ist es allerdings verwunderlich, daß der damals in seiner Glanzperiode stehende Meister die im Grunde unbedeutenden Lasten nicht abzuwälzen trachtete. Freilich hatte er für eine starke Familie zu sorgen, denn er hatte neun Kinder, einen Knaben, der frühzeitig starb, und acht Mädchen. Bei der ersten Mahnung Huebmers zahlte Stainer fünfzehn Gulden à conto und versprach mit Revers, den Rest am künftigen Hallermarkte zu tilgen.

Aber schon kurze Zeit nachher wurde er neuerdings beim genannten Gerichte vorgeladen, und zwar wegen der Restforderung des Salomon Huebmer und auch wegen Erstattung aller aufgelaufenen Kosten. Die geforderte Summe war aber so angeschwollen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0143.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2024)
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