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Seite:Die Gartenlaube (1898) 0159.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

„Wir müssen uns dennoch zu treffen suchen.“

„Ja, Edmond! Ich habe lange über alles nachgedacht. Hier können wir uns nicht sehen, auch nicht in Giersdorf, aber ich weiß einen dritten Ort, wo wir uns treffen können.“

„Und dieser Ort?“

„Die alte Burg Kynast. Mein Vater klettert dort nicht hinauf, das ist ihm zu unbequem, aber mir und meiner Begleiterin erlaubt er, so oft wir wünschen, den Waldberg hinaufzusteigen, den die alte Burgruine krönt. Der Arzt hat mir’s verordnet. Der gute Arzt, wir können jetzt das Rezept brauchen.“

„Und deine Begleiterin?“

„Lottchen ist schweigsam, das weißt du ja; wenn sie nur in aller Ruhe ihren Chartreuse trinken kann, so sitzt sie auch allein am Trompetertischchen und sieht und hört nichts.“

„Und oben die Leute?“

„Die Tochter des Kastellans ist eine Freundin von mir; die muß ich mit ins Geheimnis ziehen und das soll noch heute geschehen. Die alte Burg hat mehrere Höfe und allerlei Verstecke, ein Turmzimmer unten an der Treppe, die zur Zinne in die Höhe führt, und andere verfallene, aber doch zugängliche Räume. Unbequemen Spähern läßt sich da leicht aus dem Wege gehen. Nur daß du französischer Offizier bist, verschweigen wir lieber – sie ist ein deutsches Mädchen von der schwärmerischen Sorte, welche durch anders angestrichene Grenzpfähle aus dem Häuschen gebracht wird. Sei du ein Deutscher aus dem Süden, durch die Kriegswirren hier ins Land verschlagen, vielleicht ein Arzt oder ein Schriftsteller, der die Chronik dieser Tage schreibt, oder noch besser ein Maler.“

Der Franzose erhob sich und gab nur noch leise seine Zustimmung.

„Da kommen schon wieder einige gelangweilte Badegäste,“ fuhr er fort, „welche Stoff suchen für den Kaffeeklatsch. Nimm den Schleier vor – da kommt der Wirtschaftsinspektor vom Schloß; er tröstet die Herrschaft über jede Mißernte mit allerliebsten Histörchen aus dem Badeleben. Ich möchte ihm nicht Ersatz geben für sein verregnetes Heu. Ich bin sehr gern bereit, Warmbrunn überhaupt zu verlassen; meine Badekur ist beendet; ich bedarf nur noch einer Luftkur, und da kann ich den Bergen, dem Kynast und dir näher ziehen, wenn ich nach Hermsdorf übersiedle; dort erreicht mich leicht jeder Brief, jeder Bote, und den Berg zu ersteigen ist mir, mag es mir anfangs schwer fallen, auch eine stärkende Uebung.“

Leontine hatte sich erhoben, wie der Offizier. Beide schritten scheinbar gleichgültig nebeneinander her. Jetzt nickte das Fräulein lebhaft.

„Wohl, du giebst mir deine Wohnung an und ich werde noch heute nachmittag auf die Burg hinaufeilen, ehe der Vater kommt. Hier wird’s in der That belebt in den Schattengängen und es ist das beste, daß ich nach Hause fahre, ehe die hungrige Langeweile vor dem Mittagsessen uns auf Weg und Steg anglotzt. Auf Wiedersehen im Gespensterschloß der schönen Kunigunde!“


Klärchen Röger war in großer Aufregung und mit eigenen kühnen Plänen beschäftigt. Ein Gespräch mit dem alten Rübezahl hatte sie in eine fieberhafte Unruhe versetzt. Einige Andeutungen über die Pläne der preußischen Freischaren, welche der Bergführer dem Vater gemacht, raubten ihr den Schlummer, und als sie in die Mondnacht hinauseilte, sah sie auf dem Platze vor der Burg den alten Mann sitzen, nachdenklich den Kopf in die Hände gestützt. Da der Vater schlief, konnte sie ungestört mit ihm sprechen.

Rübezahl blickte auf; über seine Züge glitt’s wie stille Wehmut, als er das reizende Kind, das ein leichtes Gewand lässig übergeworfen, in seiner unbefangenen frischquellenden Schönheit vor sich sah. Lebendiger als je wurde ihm die Erinnerung an seine Tochter und er vergaß fast, Klärchen zu fragen, was sie zu ihm führe zu so ungewöhnlicher Stunde.

„Ihr müßt mir alles erzählen, Rübezahl,“ sagte sie, „werden die Freischaren drüben bald aufbrechen?“

„Das wird von den Befehlen des Grafen Götzen abhängen. Ich erwarte morgen früh einen alten Kameraden, welcher mir aus der Grafschaft Briefe übergeben wird, die ich dann selbst weiter nach Schreiberhau befördere. Um die Aufmerksamkeit des Feindes zu täuschen, lösen wir Boten uns an bestimmten Stationen ab.“

„Und Ihr geht morgen wieder zu den Freischaren zurück?“

„Sobald ich in Glatz die Depeschen habe.“

Klärchen schwieg einen Augenblick.

„Es werden sich zwar Soldaten und Rekruten auf unserer Burg einquartieren,“ sagte sie dann, „doch wer bürgt mir dafür, daß Robert bei ihnen sein wird?“

„Das kann ich freilich nicht verbürgen, er wird es jedenfalls durchzusetzen suchen.“

„Doch wenn es ihm nicht gelingt – o, es giebt mir einen Stich ins Herz – dann rückt er fort mit den andern Truppen und ich werde ihn niemals, niemals wiedersehn!“

„Doch wie soll ich helfen, Kind?“

„O, ich wüßt’ es schon, ich hab’ einen Plan und mir ist auf einmal so wohl zu Mute, so selig, wenn ich mir’s ausmale, wie ich ihn wiedersehe!“

„Du meinst –“

„Doch es ist nicht der gerade Weg – und das erschreckt mich, ich müßte den Vater täuschen und das fällt mir schwer aufs Herz. Und dann weiß ich auch nicht, Papa Rübezahl, ob Ihr einwilligt. Das ist in meinem Kopfe ein Gedränge von allerlei Gedanken, mir ist ganz wirr zu Mute!“

„Sag’ nur gerade heraus, was du denkst! Bei mir ist alles gut aufgehoben und so gut verborgen in meinem Kopfe wie die Depeschen in meinen Stiefeln.“

„Ach, Papa Rübezahl, ich möchte Euch gern morgen nach Schreiberhau begleiten.“

„Kann ich mir schon gefallen lassen – aber ...“

„Ja, der Vater –“

„Er wird davon nichts wissen wollen.“

„Er darf auch davon nichts wissen und da hab’ ich mir etwas recht Spitzbübisches ausgedacht. Vater wollte mich für zwei Tage aufs Schloß hinunterschicken in unsere Wohnung, damit ich dort Einkäufe von Proviant für die Burg mache. Nun denn, ich werde das in zwei Stunden besorgen und wandere dann mit Euch nach Schreiberhau, wenn Ihr mich mitnehmt, Papa Rübezahl! Der Vater wird kaum etwas davon merken und hinterdrein bin ich auch im schlimmsten Fall auf ein kleines Donnerwetter gefaßt. Das schadet nicht, nach so viel Sonnenschein, der das Herz erquickt hat.“

„Dein Vater weiß noch nichts von deiner Liebe?“

„Er hat andere Pläne mit mir. Der dicke Sohn des Schulzen drunten in Hermsdorf, den soll ich heiraten, weil er der Erbe eines schönen, großen Gutes ist. Der unglückliche Christoph liebt mich, doch wenn er mich mit seinen Anträgen verfolgt, da möchte ich immer weit in die Berge fliehen, denn ich habe einen Abscheu vor ihm. Der Vater aber denkt anders. Der arme Robert dürfte jetzt nicht bei ihm anklopfen. Doch wir zwei haben Geduld und warten auf bessere Zeiten. Wenn wir dem Vater erst einen Kirchturm zeigen, unter dem Roberts Pfarrhaus steht, da wird er schon Respekt bekommen, denn er ist kein Heide.“

„Gut denn,“ sagte der Alte kopfschüttelnd, „eine Verantwortung für deine Hinterlisten und Abenteuer kann ich nicht übernehmen; besser hättest du gethan, mir das alles zu verschweigen. Doch begleiten darfst du mich und in meinem Schutze wirst du sicher sein.“

„Ich danke Euch, Papa Rübezahl,“ sagte sie, ihm herzlich die Hand schüttelnd, „und wann soll ich mich rüsten?“

„Der andere Bote wird bis morgen mittag hier sein, dann können wir uns bald auf den Weg machen; du gehst einige Zeit voraus, um in Hermsdorf alles zu besorgen.“

Klärchen war in einem seligen Rausch; sie merkte gar nicht, daß der kühle Nachtwind sie anfröstelte unter ihrer leichten Bekleidung. Sie hätte den Mondschein mit Händen greifen und ihn überall ausstreuen mögen, wo tiefer, schwerer Schatten lag, daß die ganze Welt so freudig hell würde wie ihr eigenes Herz. Und die schönsten Träume brachte sie mit hinter den Verschlag, wo ihr Lager war, und ob sie wachte oder schlummerte, sie wußte es kaum: es waren dieselben entzückenden Bilder, die vor ihrer Seele gaukelten.

Am nächsten Mittag kam der Bote; es war ein junger kräftiger Bergführer; in einem Winkel des alten Burggemäuers gab er dem würdigen Rübezahl seine Briefe. Sogleich rüstete sich Klärchen zur Wanderschaft. Doch sie hatte kaum das vordere

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0159.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2024)
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