verschiedene: Die Gartenlaube (1898) | |
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Der Untergang des amerikanischen Panzerkreuzers „Maine“. (Mit Abbildung.) Die Unruhen auf Cuba dauern noch immer fort, und nach wie vor bringen die Nordamerikaner den Aufständischen Sympathien entgegen. Als darum die Regierung der Vereinigten Staaten beschlossen hatte, Kriegsschiffe nach Cuba zu entsenden, hat dieses Vorgehen in Spanien Anstoß erregt. Die Amerikaner erklärten zwar förmlich, es handle sich dabei nur um einen „freundschaftlichen Besuch“, es lag aber auf der Hand, daß diese Maßregel den Aufständischen neuen Mut einflößen und die weitesten Volkskreise in Spanien in große Erregung versetzen mußte.
Um so peinlicheres Aufsehen erregte darum die Kunde, daß der amerikanische Panzerkreuzer „Maine“ am 15. Februar durch ein furchtbares Unglück im Hafen von Havanna einen jähen Untergang gefunden habe.
Die „Maine“ war ein stolzes Schiff neueren Typs, das erst vor sechs Jahren vom Stapel gelaufen war, ein stark armierter Panzerkreuzer von 6700 Tonnen mit Maschinen von 9000 Pferdekräften, dessen Baukosten über zehn Millionen Mark betragen haben.
Am 15. Februar bereitete man sich im Hafen von Havanna bereits zur Nachtruhe, als plötzlich um 9 Uhr 40 Minuten abends ein mächtiger Knall vernommen wurde. Aus dem Panzerkreuzer „Maine“ stieg wie aus einem Vulkane eine Feuersäule empor, dann kam ein Feuerregen, vermengt mit Schiffstrümmern, die auf benachbarte Schiffe niederfielen und dem Dampfer „City of Washington“ zwei Boote zerschmetterten. Sofort ließen die elektrischen Scheinwerfer ihre Lichtgarben auf das verunglückte Schiff, das im Sinken begriffen war, fallen, und zugleich stießen Boote vom Lande, sowie von dem Dampfer „City of Washington“ und dem spanischen Kriegsschiff „Alfons XII“ ab, um Hilfe zu leisten. Es gelang ihnen aber nur verhältnismäßig wenige mit dem Tode im Wasser ringende Seeleute zu retten. Mit dem Schiff gingen 253 Mann und 2 Offiziere der Besatzung zu Grunde.
Nach den Aussagen der Geretteten wurde die „Maine“ durch eine Explosion vernichtet, die im Mittelmagazin, wo die Sprengladungen für Torpedos aufbewahrt wurden, um 9 Uhr 40 Minuten erfolgte. Das Schiff wurde aus dem Wasser gehoben, barst dann auseinander und sank unter. Der so große Verlust an Menschenleben läßt sich nur dadurch erklären, daß bei der Schnelligkeit, mit der die Katastrophe sich vollzog, von der Mannschaft nur wenige an Deck gelangen konnten und die meisten mit dem zertrümmerten Schiffe in die Tiefe sanken.
Es handelt sich hier um einen der schlimmsten und schrecklichsten Unglücksfälle, die in der letzten Zeit Kriegsschiffen begegnet sind.
Wodurch die Explosion verursacht wurde, ist bisher nicht bekannt geworden. Im ersten Augenblick tauchte der Verdacht auf, daß das Kriegsschiff von den Spaniern in die Luft gesprengt worden sei. Dies rief in den Vereinigten Staaten eine starke Beunruhigung und Erregung hervor.
Bald aber kam man zu der Ueberzeugung, daß diese schwere Beschuldigung unbegründet und das Unglück durch einen Zufall entstanden sei.
Der Gnu-Ochse oder Takin. (Mit Abbildung.) Vor ungefähr fünfzig Jahren erregte die Entdeckung eines sehr merkwürdigen großen Wiederkäuers in den naturwissenschaftlichen Kreisen das größte Aufsehen. Hodgson, dessen erfolgreichen Forschungen man die Kenntnis einer ganzen Reihe von sehr sonderbaren Tieren des östlichen Himalaya verdankt, hatte von den wilden Mischmivölkern, welche in den Thälern des oberen Brahmaputra wohnen, unvollständige Häute und Schädel eines Huftieres heimgebracht, welches die Kennzeichen der verschiedensten Wiederkäuergruppen in sich vereinigte. Er nannte das Tier Budorcas taxicolor, dachsfarbige Ochsengazelle, „ein Mittelding zwischen Schaf, Antilope und Rind“. In den siebziger Jahren gelang es dem berühmten Tibetforscher Père David, mehrere zum Ausstopfen geeignete Felle mit den Schädeln nach Paris zu senden.
Rätselhaft blieb trotzdem die Naturgeschichte dieses eigentümlichen Tieres. Bis zum heutigen Tage hat noch kein Europäer den Takin lebend gesehen und die Meinungen der Zoologen über seine verwandtschaftlichen Beziehungen gehen weit auseinander. Neuerdings bot sich durch die Liebenswürdigkeit meines Pariser Kollegen de Pousargues für das Berliner Museum die längst erwünschte Gelegenheit, ein Exemplar aus einer Sammlung tibetanischer Säugetiere zu erwerben, und heute bildet der Takin eine der größten Zierden des Museums für Naturkunde zu Berlin. Meine Frau hat ein treffendes Bild von dem sonderbaren Stück gezeichnet, welches den Lesern der „Gartenlaube“ untenstehend dargeboten wird. Nach meinen Untersuchungen ist der Takin am nächsten verwandt mit dem Schafochsen, Ovibos moschatus, der heute nur noch in den unzugänglichen Teilen des Nordpolargebietes zu finden ist.
Er ist ein Tier von der Größe einer kleinen Kuh, dessen langgestreckter, mäßig gerundeter Leib auf kurzen, im oberen Teile lang behaarten und dadurch sehr plump erscheinenden Beinen ruht; der untere Teil des Laufes ist auffallend kurz, kürzer als bei irgend einem bekannten Wiederkäuer. Die Hufe sind ziemlich groß und die Afterklauen sehr breit. Der ganze Bau der Beine weist darauf hin, daß das Tier trotz seiner Plumpheit ein gewandter Kletterer ist. Der Kopf trägt durch seine Ramsnase durchaus den Charakter des Streifengnu, nur ist die Muffel einfacher geformt und ganz behaart, wie beim Schafochsen. Auch das Gehörn erinnert an das Gnu. Sehr eigentümlich sind die kleinen dicht behaarten Ohren, welche unter allen Huftieren nur beim Schafochsen in ähnlicher Form auftreten. Die ziemlich lange, äußerst grobe und zottige Behaarung des Körpers ist von einer ganz eigentümlichen, an keinem anderen Huftier nachgewiesenen Färbung und schwer zu beschreiben; ein Gemisch vom Hellgelb bis zum tiefen Braun, hier und da goldig oder oliven überflogen. Der Kopf zum Teil, die Unterseite, der Hinterrücken und der untere Teil der Läufe sind tiefbraun.
Die Mischmi nennen das Tier Takin, bei den Mantsevölkern in Moupin zwischen Kukunor und dem Chamreich heißt es Ye-Mon. Die höchsten und unwirtlichsten Gebirgszüge des östlichen Himalaya sind die Heimat des Gnu-Ochsen. Nach den Erkundigungen von Hodgson und Père David soll er gewöhnlich paarweise oder in
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0163.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2024)