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Seite:Die Gartenlaube (1899) 0102.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

erkannte, glitt es wie ein Schatten des Unbehagens über ihre Züge. Doch als er sie mit seiner rauhen, erregten Stimme grüßte, dankte sie mit ruhigem Wort. Dann nahm sie die Arbeit auf, als wäre sie allein.

Er stand hinter ihr, dabei umklammerte die Hand so fest den Wurzelballen der kleinen Pflanze, daß die Erde zu Boden bröselte. Sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, sagte er leis: „Schauen Sie doch her, Fräulein, was ich Ihnen gebracht hab’!“

Sie hob das Gesicht, und der Anblick der seltenen Pflanze schien ihr Freude zu machen. „Ein Edelweiß! Wo haben Sie das gefunden?“

Schon wollte sie die Blumen nehmen, aber da begegnete ihr Blick seinen heißen Augen. Sie zog die Hand zurück. „Ich danke für Ihren guten Willen, Mazegger, aber ich kann diese Blume nicht nehmen.“

Aus dem Gesicht des Jägers war alles Blut gewichen. „Nicht nehmen können Sie das Blüml? So? Und warum nicht?“

„Weil … weil die Pflanze in der Blütezeit ausgegraben ist und verwelken muß. Sie gewöhnt sich nicht mehr an neuen Boden.“

„Das ist eine Ausred’! Vorige Woche hat Ihnen der Förster ein Edelweiß gebracht … und das hat doch auch schon geblüht! Warum soll das meinige nicht fortkommen! Oder … wollen Sie es nur nicht nehmen, weil es von mir ist?“

Sie schwieg und mischte auf der Palette eine Farbe.

„Fräulein …“ die Stimme des Jägers zitterte, „ich bin um das Blüml einen harten Weg gestiegen: Schauen Sie hinauf zur Tejawand … von da droben hab’ ich’s heruntergeholt … weil ich gemeint hab’, das Blüml macht Ihnen Freud’. Und jetzt frag’ ich in allem Ernst: wollen Sie das Edelweiß nehmen?“

„Nein!“ erwiderte sie ruhig.

Mit ersticktem Fluch zerquetschte er die Pflanze in der Faust und schleuderte sie weit in den See hinaus.

Da sah sie mit stummem Blick zu ihm auf. Dann rückte sie die Staffelei ein wenig beiseite, um das Motiv, das sie begonnen hatte, breiter überschauen zu können. Mit geballten Fäusten stand er hinter ihr und wartete, als müßte sie ihm noch ein Wort zu sagen haben.

„Also wirklich?“ unterbrach er die Stille mit heiseren Worten. „Das einzige Wörtl ist alles gewesen? Alles für mich?“

Sie schwieg und setzte die gemischte Farbe mit sicheren Pinselstrichen auf die Leinwand.

„Und vor den andern da droben, gelt, vor den hat man sich hinstellen können eine geschlagene Stund’ und plauschen, daß ein End’ schier nicht zu erleben war?“

Sie schien nicht zu hören, was er sagte.

„Aber der! Natürlich! Der ist halt was Feineres als unsereiner! Ein Fürst! Ah ja, da rentiert sich’s freilich, daß man’s Göscherl aufmacht! Aaaah! So ein gnädiger Herr Fürst!“

Nun blickte sie doch verwundert auf. „Ein Fürst? Wer?“

Mazeggers Antwort war ein Lachen, das sein ganzes Gesicht verzerrte. „Gut verstellen können Sie sich auch, das muß ich sagen! Aber Sie wissen schon, wen ich mein’! Er hat sich ja so gnädig lang’ bei Ihnen verhalten, daß er schier aufs Fortgeh’n vergessen hat!“

Da huschte eine leichte Röte über ihre Wangen. „Das war der Fürst? Der die Jagd im Gaisthal gepachtet hat?“

„Geh, Fräul’n, thun S’ nur nicht, als ob Sie das nicht gewußt hätten!“

„Nein, das hab’ ich nicht gewußt!“ erwiderte sie ruhig und wandte sich wieder zu ihrer Arbeit.

„Aber gefallen hat er Ihnen, gelt? Natürlich, wenn so einer kommt, mit seinem hochfeinen Spinnwebeng’sicht und seinen glanzigen Frauenzimmeraugen, aaah, da springen gleich alle verriegelten Thürln auf!“

Ohne die Arbeit zu unterbrechen, sagte sie mit kaum merklicher Erregung in der Stimme: „Wenn es der Fürst ist, von dem Sie sprechen, dann ist es auch Ihr Herr, der Sie ernährt und dem Sie Achtung schulden. Ich will mir denken, daß Sie nicht wissen, was Sie da geredet haben! Aber jetzt gehen Sie, Mazegger! Sie sehen, daß ich arbeite. Ich verliere das gute Licht, wenn Sie mich noch länger stören! Und wenn ich Ihnen raten darf, so suchen Sie sich auf dem Heimweg darüber klar zu werden, was Sie da für häßliche Dinge gesagt haben. Dann werden Sie selbst …“

Sein rauhes Lachen unterbrach sie. Er würgte an Worten, die ihm nicht über die Zunge wollten, und plötzlich faßte er mit rohem Griff ihren Arm.

Da erhob sie sich, und aus ihren Augen traf ihn ein so ruhig stolzer Blick, daß ihm die Hand von ihrem Arm fiel, als wäre sie gelähmt.

Schweigend kehrte sie dem Jäger den Rücken, legte den Farbenkasten zusammen und stellte ihn mit der Staffelei in den Schatten eines Baumes. Prüfend betrachtete sie noch einmal ihre Arbeit, nahm den Basthut ab und strich die Haare von den Wangen zurück. Dann stieg sie langsam gegen die Hütte hinauf.

Mazegger stand wie versteinert, so lange er sie noch sehen konnte. Als sie verschwunden war, reckte er seine Gestalt, wie von einem Bann erlöst, und brach in ersticktes Lachen aus. Das Gesicht von fahler Blässe überzogen, ging er zu dem Baum zurück, an den er seine Büchse gelehnt hatte. Zitternd klammerten sich seine Hände um die Waffe, während sein Blick die Höhe suchte, über deren Büsche das von Epheu umsponnene Dächlein herunterblinkte. Es war eine wilde Drohung, die aus seinen brennenden Augen flammte. Und dabei murmelte er vor sich hin: „Wart’ nur, du Stolze, du, wir reden schon noch ein Wörtl miteinander!“

Er warf die Büchse auf den Rücken und schritt in den Wald hinein. Jeden Pfad vermeidend, kletterte er an der Lehne des Berges hin. Und plötzlich warf er sich der Länge nach ins Moos und grub das Gesicht in die Arme. Fast eine Stunde lag er so. Müd’, als wären ihm alle Glieder wie gebrochen, richtete er sich endlich auf. Sein Gesicht brannte, und die Falten des Aermels hatten ihm Striemen auf die Wangen gedrückt.

Er zog die Uhr – es war Mittag geworden, und da konnte er nun ins Thal hinuntersteigen, ohne fürchten zu müssen, daß ihm der Förster auf dem Weg begegnen könnte, der ihm verboten war.




7.

Es war gegen ein Uhr mittags, als Praxmaler, völlig erschöpft vom raschen Lauf, bei den Jagdhäusern eintraf. Auf halbem Wege war er vorausgegangen unter dem Vorwand, die Heimkehr des Fürsten anzumelden, damit der „Herr Kammerdiener“ alle Bequemlichkeit für seinen Herrn in Bereitschaft halten könnte. Ettingen hatte dem Diensteifer des Jägers gerne zugestimmt, weil es ihm lieb war, mit seinen Gedanken allein zu sein. Da hatte nun Pepperl lange Schritte gemacht, und als er um die erste Wegbiegung herum und seinem Herrn aus dem Gesicht gekommen war, hatte er einen Dauerlauf angeschlagen, bei dem er schließlich das letzte „Bröserl“ seines Atems auspumpte.

Als er glücklich die Tillfußer Lichtung erreichte, schnappte er nach Luft wie ein aufs Trockene geratener Fisch nach Wasser. Die Faust auf seine schwer arbeitende Brust drückend, spähte er nach allen Seiten, ohne etwas Verdächtiges zu gewahren. Still und friedlich lagen die Jagdhäuser mitsamt der Sennhütte in der weißen Mittagssonne, über den Dächern zerfloß der blaue Rauch in der zitternden Luft, kein Mensch war zu sehen, nur ein paar Kühe grasten mit bimmelnden Glocken über das Almfeld hin.

Das Bild dieses sonnigen Friedens wirkte wie Oel auf die erregten Wogen in Pepperls Seele. Er atmete auf, und schweren Schrittes – denn es lag ihm wie Blei in den Knieen – stieg er zum Jagdhaus hinauf.

„He! Herr Kammerdiener!“ rief er mit lauter Stimme, als er in den Flur trat. „Herr Kammerdiener!“

Keine Antwort ließ sich hören.

Er wird halt in der Kuchl sein! dachte Pepperl und schritt auf die Thüre zu, aus der ihm so wundersame Düfte entgegenquollen, daß er schnuppernd die Nase hob. „Sakra! Sakra! Da giebt’s heut’ wieder was Nobels!“ Er stellte Büchse und Bergstock nieder, nahm das Hütlein ab und trat in die Küche.

Sein erster Blick suchte den Kammerdiener, und da er ihn nicht fand, vergaß er völlig, die Jungfer Köchin zu grüßen, und fragte nur: „Wo is er denn?“

„Wer?“

„Der Herr Martin.“

„Den hab’ ich den ganzen Morgen noch nicht gesehen. Wahrscheinlich sitzt er drunten in der Almhütte und schneidet der Sennerin die Cour. Ein rundes, gesundes Mädl … das ist so der Gusto von unserem Herrn Kammermops!“

„So is schön!“ stotterte Pepperl, dem der Schreck glühheiß

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0102.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
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