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Seite:Meyers b10 s0305.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

stellt sich nun der eigentümliche Fall heraus, daß die K., je höher sie ihrem idealen Inhalt nach steht, desto weniger Material braucht und desto weniger Schwierigkeiten der Technik darbietet. In dem Gebiet der bildenden Künste ist es der Architekt, welcher am meisten technisches Material braucht und am meisten praktisches Wissen nötig hat, der Bildhauer schon weniger, der Maler am wenigsten. In der Poesie erfordert die Lyrik im Rhythmus (Metrum), Reim etc. die meiste Technik, die Epik schon weniger, weil sie sich auf wenige gebräuchliche und sich gleichbleibende Maße beschränkt; in Dramen kann der Dichter sogar ganz von der rhythmischen Form abstrahieren, und wenn er sie braucht, ist sie die allereinfachste und freieste. Dies erklärt sich daraus, daß, je höher eine K. steht, desto weniger Gewicht und Bedeutung das Material hat. Allein alle geistigen Requisiten steigern sich dafür im umgekehrten Verhältnis. Für den Plastiker, der die menschliche Gestalt in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit als Objekt vor sich hat, sind schon ganz andre Anschauungen nötig als für den Architekten, der nur die leblose Natur symbolisch verarbeitet; für den Maler, der nicht bloß die menschliche Gestalt, sondern die Weltgeschichte und das Menschenleben in seinen Leidenschaften und Empfindungen zur Darstellung zu bringen hat, öffnet sich ein viel reicheres und ideentieferes Feld der Anschauungen als für den Bildhauer. Am höchsten steht der dramatische Dichter in dieser Beziehung, weil er nicht nur eine einzelne That oder Empfindung aus dem Menschendasein herauszugreifen und in einem charakteristischen Moment zu gestalten, sondern das Menschenleben selbst in seinen mannigfachen Konflikten nach seiner zeitlichen, innern und äußern Genesis zu entwickeln verstehen muß. Die K. bildet also einmal einen Gegensatz zur Natur, und zwar steht in diesem Gegensatz dem Natürlichen nicht nur das Künstlerische, sondern auch das Künstliche gegenüber. Im letztern Sinn sagt man z. B.: „das ist keine K.“, d. h.: das ist ganz einfach, leicht begreiflich, natürlich, wogegen das Künstlerische dadurch einen Gegensatz gegen das Natürliche bildet, daß es einerseits auf eine Idee tendiert, anderseits dem freien Gestaltungstrieb menschlichen Talents entsprungen ist. Dann steht die K. auch im Gegensatz zur Wissenschaft, denn diese hat zwar auch die Idee zum Inhalt und Zweck, aber in der Form des Gedankens, nicht in der schönen Gestaltung und sinnlichen Anschauung. Drittens bildet die K. den Gegensatz zum Handwerk oder Gewerbe (vgl. Kunstgewerbe).

Kunst, Maschine zur Förderung oder zur Wasserhebung beim Bergbau, welche durch Pferde (Roßkunst) oder Wasser (Radkunst) betrieben werden kann. Die Kunstgestänge übertragen die Kraft der Maschine auf die ausübenden Maschinenteile, und die Kunstkreuze dienen zur Aufnahme und Fortpflanzung der Bewegung nach verschiedenen Richtungen. Unter Kunstgezeug begreift man die Gesamtheit der Teile der Förderungs- oder Wasserhebemaschinen, welche in einem besondern Schachte, dem Kunstschacht, aufgestellt sein können. Kunstsatz heißt der mit dem Pumpenkolben versehene Rohrteil einer Grubenpumpe. S. auch Fahrkunst.

Kunst, Wilhelm, Schauspieler, geb. 2. Febr. 1799 zu Hamburg, war eine Zeitlang eine Berühmtheit des Tags und jedenfalls der bekannteste Schauspieler Deutschlands, denn er hat, wie sein Tagebuch zeigt, auf 276 Bühnen gespielt, am meisten in Wien. Begabt mit den herrlichsten Mitteln zur Versinnlichung roher Naturkraft, gestaltete er Rollen wie Otto von Wittelsbach, Wetter von Strahl, Karl Moor, König Wenzel, Othello zu einer außerordentlichen Bedeutung. Durch die frühen Erfolge verwöhnt, gab er sich nie einem ernsten Studium hin, nur dem Moment vertrauend, und wußte auch sonst im Leben nie Maß und Stetigkeit zu üben. So kam es, daß der bis in die 40er Jahre gefeierte, auf großem Fuß lebende Mime zuletzt in äußerste Dürftigkeit geriet. Er starb 17. Nov. 1859 in Wien. Die Ehe, welche K. in Wien 1825 mit Sophie Schröder einging, wurde schon nach einigen Wochen wieder getrennt.

Kunstakademien, Kunstschulen höherer Art, auf denen alles, was zum technischen und praktischen Unterricht des bildenden Künstlers notwendig ist, gelehrt und vermittelst der jeder Kunstschule unentbehrlichen technischen Hilfsmittel (Vorzeichnungen, Gipsabgüsse etc.) geübt wird. Die Kunstschulen neuerer Art entstanden, nachdem die Werkstätten und Meisterateliers, welche besonders im 16. Jahrh. blühten, allmählich eingegangen waren. Am frühsten finden sich solche Kunstschulen, als Tradition der alten Malerschulen, in Italien und zwar als Congregationes, d. h. freie Vereinigungen von Künstlern zum Zweck gegenseitiger Förderung und Ausbildung. Zwar gab es in Italien schon im 13. Jahrh. eine Malervereinigung zu einem solchen Zweck, wie die K. gegenwärtig sich ihn setzen, nämlich die in Venedig 1290 statutenmäßig begründete Zunft des heil. Lukas; doch führte sie ebensowenig wie die um 1339 zu Florenz gestiftete und 1386 ebenfalls statutenmäßig begründete Malergesellschaft des heil. Lukas den Namen einer Akademie. Diesen Namen erhielt sie erst 1571 unter Cosimo I. Die Begründung der Akademie zu Mailand, als deren Stifter Leonardo da Vinci genannt wird, fand um das Jahr 1494 unter dem Herzog Lodovico Sforza statt. Die Accademia di San Luca zu Rom stammt aus der Zeit Gregors XIII., welcher der alten Universität der schönen Künste diesen Titel gab. Federigo Zucchero schrieb eine Geschichte derselben (1604), worauf drei Jahre später neue Statuten entworfen wurden, die von Gregor XV. (1621) und Urban VIII. (1627) reformiert wurden. Napoleon I. wies ihr bestimmte Einkünfte an. Die K. zu Bologna, Parma, Padua, Mantua, Turin, Ravenna, Verona, Neapel, Genua, Carrara, Pisa u. a. sind neuern Ursprungs und haben nie die Bedeutung erlangen können, die solchen Anstalten in Hauptstädten größerer Reiche zufällt, wo wichtige Werke aller Art die Kräfte anregen und den Genius wecken. Eine andre Bedeutung als die einer Lehranstalt für angehende Künstler hat die 1648 gestiftete Akademie zu Paris. Sie ist lediglich (analog den Akademien der Wissenschaften) eine Vereinigung von bedeutenden Künstlern, die zu „Akademikern“ ernannt werden. Neben derselben besteht daher noch unter dem Titel einer École des beaux-arts eine Kunstschule im Sinn der deutschen Akademien. Die Pariser Akademie bestand zuerst aus Malern, Colbert dehnte sie auch auf Architekten aus. Ein Zweig der Pariser Akademie ist die französische Akademie zu Rom in der Villa Medici, in welcher sich die mit dem römischen Preis ausgezeichneten Künstler, auch Musiker, vier Jahre lang zum Studium unter Aufsicht eines Direktors aufhalten dürfen. In Deutschland wurde die erste Kunstakademie von Sandrart 1662 zu Nürnberg gestiftet. Sie gelangte durch die Künstlerfamilie Preißler zu neuem Ruf, erhielt sich aber aus Mangel an Mitteln nur mühsam und wurde deshalb 1818 in eine Provinzialkunstschule umgewandelt. Die Akademie zu Berlin wurde 1694 gestiftet und 1786, 1875 und 1882 neu organisiert,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0305.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2022)
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