verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10 | |
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Rechtsnachfolgers gesichert sein. Keine Pachtperiode sollte bei Gütern, wenigstens bei größern, weniger als 15–18 Jahre betragen. Je länger die Pachtzeit, desto mehr sind die Interessen des Pachters und Besitzers identisch, desto höher auch in der Regel der Pachtpreis. Zweckmäßig ist die Bestimmung im Vertrag, daß schon einige Jahre (etwa drei) vor Ablauf der Pachtperiode eine Verständigung darüber herbeigeführt werden muß, ob und unter welchen Bedingungen eine Erneuerung der Pacht stattfinden soll. Wird eine Erneuerung nicht beschlossen, so sollten die Parteien vereinbaren, welche Entschädigungen dem Pachter zu gewähren, wenn er bis zum vollen Ablauf der Pachtzeit Kosten für Betriebsmittel aufwendet, deren Nutzung entweder ganz oder zum Teil dem künftigen Unternehmer zufällt. Besondere Bestimmungen müssen getroffen werden, um den Verpachter gegen eine einseitige Änderung der Nutzungsweise der verpachteten Grundstücke seitens des Pachters sowie gegen eine Verarmung des Bodens an seinen wichtigern Mineralbestandteilen und gegen eine Verschlechterung der physikalischen Bodenbeschaffenheit zu schützen. Im übrigen ist der gute Zustand des Pachtwesens abhängig von genügendem Kapitalbesitz der Pachter, richtiger Höhe des Pachtzinses und persönlichen Eigenschaften der Parteien (Intelligenz, Solidität, Arbeitsfleiß etc. des Pachters, Redlichkeit, Billigkeit, humaner Gesinnung etc. des Verpachters). Wünschenswert ist es, daß Pachtgüter verschiedener Größe zur Verpachtung angeboten und verpachtet werden. – Andre Formen der Verpachtung sind die Erbpacht und die Halbpacht. Die Erbpacht, früher üblicher als heute und in den meisten deutschen Staaten durch die Agrargesetzgebung des 19. Jahrh. beseitigt, hat für die Gegenwart neben den vorerwähnten landwirtschaftlichen Unternehmungsformen zwar noch eine Berechtigung, nämlich um bäuerliche Besitzungen zu erhalten und um bäuerliche Besitzer oder grundbesitzende Arbeiter in Gegenden anzusiedeln, wo dieselben fehlen; aber nicht die Erbpacht als das frühere Rechtsverhältnis, sondern in einer neuen, reformierten Gestalt (näheres s. unter Erbpacht). Die Halbpacht ist eine landwirtschaftliche Unternehmungsform früherer Wirtschaftsstufen und, wo sie sich auf höhern noch heute findet, von ganz wenigen Ausnahmeverhältnissen abgesehen, durchaus verwerflich (vgl. hierüber Halbpacht).
Die gesellschaftlichen Unternehmungsformen der offenen Gesellschaft (Kommanditgesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Aktiengesellschaft) sind im allgemeinen keine passenden landwirtschaftlichen Unternehmungsformen und kommen thatsächlich auch nur ganz vereinzelt vor (s. die betreffenden Artikel). Dasselbe gilt auch von der Produktivgenossenschaft (s. d. unter Genossenschaft, S. 106), d. h. der Vereinigung einer größern Zahl von Landwirten zum Betrieb einer Gutswirtschaft (in der Form der Selbstverwaltung oder der Zeitpacht) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr, so daß alle in der Gutswirtschaft thätigen Personen Mitunternehmer sind. Man hat früher, auch von nichtsozialistischer Seite, die Bedeutung dieser landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft verkannt. Man sah in ihr das Mittel, die kleinen und mittlern Besitzer vor dem, wie man meinte, bei freier Konkurrenz mit dem Großbetrieb ihnen drohenden Untergang zu schützen. Diese Ansicht beruhte auf einer Verkennung der Konkurrenzfähigkeit des Kleinbetriebs gegenüber dem Großbetrieb und auf einer Unterschätzung der Schwierigkeiten, welche sich der Durchführung einer solchen Produktivgenossenschaft entgegenstellen. Diese sind in landwirtschaftlichen Unternehmungen durch die Natur des landwirtschaftlichen Betriebs und der landwirtschaftlichen Bevölkerung noch erheblich größer als in gewerblichen Unternehmungen, und wenn auch, wie Erfahrungen gezeigt haben, die erfolgreiche Durchführung der landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft nicht unmöglich ist, werden doch die Verhältnisse, unter denen sie gedeihen können, für jetzt wie für eine absehbare Zukunft immer nur ganz ausnahmsweise vorhanden sein. Heute sind es nur noch die Sozialisten, welche die Produktivgenossenschaft auch für die Landwirtschaft verteidigen. Vgl. v. d. Goltz, Artikel „Landwirtschaft“, 1. Teil, in Schönbergs „Handbuch der politischen Ökonomie“, Bd. 2; Derselbe, Handbuch der landwirtschaftlichen Betriebslehre (Berl. 1886); H. Settegast, Die Landwirtschaft und ihr Betrieb (3. Aufl., Bresl. 1885).
Landwirtschaftliche Vereine (Ackerbaugesellschaften), Vereinigungen von Landwirten zur Förderung ihrer Interessen und zur Hebung der Landwirtschaft. Sie geben den Landwirten Gelegenheit, ihre Kenntnisse zu erweitern, über Fragen des landwirtschaftlichen Betriebs sich zu besprechen, gemeinsame Unternehmungen zu beraten und durchzuführen, ihre Interessen dem Staat und andern Berufsklassen gegenüber geltend zu machen. Nach einer Zusammenstellung von H. F. Brachelli („Die Staaten Europas“, 4. Aufl., Brünn 1883, S. 70) gab es 1883 l. V. in:
Staaten | Landes- und Zentralvereine | Bezirks- und Zweigvereine | Selbst. Forstvereine | Andre Vereine | Zusammen |
Deutschland | 137 | 2648 | 22 | 860 | 3667 |
Preußen | 48 | 1271 | 11 | 398 | 1728 |
Bayern | 9 | 228 | 3 | 226 | 466 |
Sachsen | 7 | 581 | 1 | 48 | 637 |
Württemberg | 14 | 100 | 1 | 39 | 154 |
Baden | 17 | 74 | 1 | 14 | 106 |
Andre Staaten | 42 | 394 | 5 | 135 | 576 |
Österreich-Ungarn | 25 | 798 | 12 | 240 | 1075 |
Österreich | 22 | 741 | 10 | 210 | 983 |
Ungar. Staatsgebiet | 3 | 57 | 2 | 30 | 92 |
England | 108 | – | – | 38 | 146 |
Frankreich | 121 | – | 2 | 835 | 958 |
Italien | 35 | – | – | 169 | 204 |
Rußland | 45 | 17 | 1 | 19 | 82 |
Finnland | 1 | – | – | – | 1 |
Schweden | 27 | – | – | – | 27 |
Norwegen | 1 | 18 | – | – | 19 |
Dänemark | 4 | 37 | – | 33 | 74 |
Niederlande | 13 | 194 | – | 4 | 211 |
Luxemburg | 2 | – | – | – | 2 |
Belgien | 17 | 25 | – | 127 | 169 |
Schweiz | 6 | 158 | 1 | 248 | 413 |
Spanien | 2 | 73 | 1 | 9 | 85 |
Portugal | 1 | – | – | 21 | 22 |
Griechenland | 1 | – | – | – | 1 |
Rumänien | – | 32 | – | – | 32 |
Summa: | 546 | 4000 | 39 | 2603 | 7188 |
In Deutschland entstanden die ersten landwirtschaftlichen Vereine um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Zu den ältesten gehören: die Thüringische Landwirtschaftsgesellschaft zu Weißensee (1762), die Königliche Landwirtschaftsgesellschaft zu Celle (1764, jetzt Landwirtschaftlicher Zentralverein für die Provinz Hannover), die Landwirtschaftliche Societät in Leipzig (1764), die Physikalisch-ökonomische Societät zu Lautern (1769), die Ökonomische Societät der Fürstentümer Schweidnitz und Jauer (1772), die Ökonomisch-patriotische Gesellschaft zu Breslau (1772) etc.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0491.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2024)