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Seite:Meyers b10 s0494.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

die Sorge für den landwirtschaftlichen Unterricht (Organisation, Leitung und Unterhaltung der höhern landwirtschaftlichen Unterrichtsanstalten etc., materielle Unterstützung und Beaufsichtigung der mittlern und niedern Anstalten, s. Landwirtschaftliche Lehranstalten), die Sorge für landwirtschaftliche Wanderlehrer, für landwirtschaftliche Versuchsstationen, für meteorologische Stationen, für eine gute landwirtschaftliche Statistik, die Förderung des landwirtschaftlichen Vereins- und Genossenschaftswesens (s. Landwirtschaftliche Vereine und Landwirtschaftliche Genossenschaften), der landwirtschaftlichen Ausstellungen, der Pferdezucht. In Betracht kommt hier auch die Transport- und Zollpolitik. Zur Erfüllung der ihm auf dem Gebiet der Landwirtschaftspflege obliegenden Aufgaben bedarf der Staat besonderer Organe. Größere Staaten haben gewöhnlich ein besonderes landwirtschaftliches Ministerium, in kleinern besteht eine besondere landwirtschaftliche Abteilung in irgend einem der andern Ministerien. Wünschenswert ist es, daß daneben noch ein beratendes Kollegium besteht, welches aus landwirtschaftlichen (teils von der Regierung ernannten, teils von landwirtschaftlichen Vereinen gewählten) Sachverständigen gebildet ist und von Zeit zu Zeit zusammentritt, um sich über Maßnahmen der L. gutachtlich zu äußern und selbständig Wünsche und Anträge im Interesse der Landwirtschaft vorzubringen (in Preußen Landes-Ökonomiekollegium, in Württemberg landwirtschaftliche Zentralstelle, in Sachsen Landeskulturrat etc.). Ein solches Kollegium bringt die Regierung in direkte persönliche Beziehungen zu den hervorragendsten Vertretern der Landwirtschaft und erleichtert ihr die Durchführung einer dem Land nützlichen L.

Landwirtschaftsrat, deutscher, ein 1872 gebildetes, aus Vertretern der landwirtschaftlichen Provinzial-, Zentral- und Hauptvereine Deutschlands bestehendes, von den Regierungen anerkanntes Kollegium mit dem Sitz in Berlin, das sich die Aufgabe stellt, die landwirtschaftlichen Interessen im Gesamtumfang des Deutschen Reichs wahrzunehmen und überall, wo dieselben durch die Reichsgesetzgebung oder durch Anordnungen und Maßregeln der Reichsverwaltung gefördert werden können oder geschädigt zu werden Gefahr laufen, nicht nur die von ihr erforderten Gutachten abzugeben, sondern auch unaufgefordert und beizeiten an den Reichskanzler motivierte Vorstellungen zu richten oder sich mit Anträgen an den Reichstag zu wenden. In allen Fragen, welche nicht mit der Reichsgesetzgebung in Verbindung stehen, aber doch für die Landwirtschaft des Reichs von Wichtigkeit sind, wendet sich der Landwirtschaftsrat unmittelbar an die Einzelregierungen. Die zur Geschäftsführung notwendigen Mittel werden von den landwirtschaftlichen Zentral- oder Generalvereinen des Reichs nach einem durch Statut bestimmten Verteilungsmaßstab aufgebracht. Alljährlich versammelt sich der Landwirtschaftsrat einmal, in der Zwischenzeit wird er durch einen ständigen Ausschuß vertreten. Die Verhandlungen u. Referate sowie die Denkschriften des deutschen Landwirtschaftsrats werden durch sein Organ, das in zwanglosen Heften erscheinende „Archiv des deutschen Landwirtschaftsrats“, veröffentlicht.

Landwirtschaftsrecht (Jus georgicum), der Inbegriff derjenigen Rechtsinstitutionen, welche den Landwirt und dessen persönliche und dingliche Verhältnisse betreffen und teils dem Privatrecht, teils dem Verwaltungsrecht angehören, wie die Rechtsgrundsätze über Servituten, Reallasten, Zusammenlegung von Grundstücken, Ablösung, Erbfolge in Bauerngüter u. dgl. Vgl. Häberlin, Lehrbuch des Landwirtschaftsrechts (Leipz. 1859).

Landwirtschaftsschulen, s. Landwirtschaftliche Lehranstalten.

Landwirtschaftssystem, s. Betriebssystem.

Landzunge, s. Halbinsel.

Landzwang (Obsessio viarum), in der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. ein Verbrechen, welches darin besteht, daß ein Unterthan von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort entweicht und, mit gefährlichen Menschen vereinigt, einzelne Mitbürger oder ganze Gemeinheiten auffordert, sich mit ihm wegen dessen, was er ihnen schuldet, oder wegen seiner angeblichen Ansprüche abzufinden, für den Unterlassungsfall aber durch Fehde- oder Brandbriefe die Personen oder Güter der Aufgeforderten zu mißhandeln und zu beschädigen droht. Die Strafe der Landzwinger war das Schwert. Die moderne Strafgesetzgebung faßt eine solche Handlungsweise lediglich als eine besonders strafbare Bedrohung auf. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 126) insbesondere belegt denjenigen, welcher durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens, also namentlich einer Brandstiftung, den öffentlichen Frieden stört, mit Gefängnis von einem Tag bis zu einem Jahr, wofern nicht etwa der Thatbestand einer Erpressung (s. d.) vorliegen sollte.

Lane (spr. lehn), Edward William, berühmter engl. Arabist, geb. 17. Sept. 1801 zu Hereford, ward für den geistlichen Stand erzogen, wandte aber seine ganze Aufmerksamkeit dem Studium des Arabischen zu und verweilte wiederholt (1825–28 und 1833–1835) in Ägypten, wo er sich eine eingehende Kenntnis von Land und Leuten erwarb und sein anziehendes Buch „An account of the manners and customs of the modern Egyptians“ (1836, 2 Bde.; 5. Aufl. 1871; deutsch, Leipz. 1856) schrieb. Demnächst folgten von ihm eine meisterhafte neue Übersetzung von „Tausendundeine Nacht“ (neue Ausg. 1877, 3 Bde.) und „Arabian tales and anecdotes“ (in Knights „Weekly Volume“ 1846). Im J. 1842 begab er sich von neuem nach Ägypten und blieb daselbst bis 1849, unablässig Material sammelnd für das Hauptwerk seines Lebens, das große „Arabic-English lexicon“, von dem 1863–75 5 Bände erschienen, deren erster ihm bereits eine jährliche Pension von 100 Pfd. Sterl. aus der Zivilliste eintrug. In der Vollendung dieses Riesenwerks, das zum erstenmal den ganzen arabischen Sprachschatz an der Hand der vorzüglichsten einheimischen Lexikographen mit dem feinsten Verständnis für orientalische Anschauungen und Sitten und in klarer und übersichtlicher Darstellung vorführt, wurde er durch den Tod (er starb 10. Aug. 1876 in Worthing) unterbrochen. Doch wurde eine Fortsetzung, zu der L. sehr reiches Material hinterließ, von seinem Großneffen Stanley Lane Poole unternommen; hiervon erschienen bisher Band 6–8 (mit Biographie von dem Herausgeber, 1877–87).

Lanesche Flasche (spr. lehn-), s. Leidener Flasche.

Lanfranc (spr. langfrāng), berühmter Scholastiker, geb. 1005 zu Pavia, studierte in Bologna die Rechts- und schönen Wissenschaften, ward 1042 Scholasticus an der von ihm gegründeten Klosterschule zu Bec in der Normandie, 1062 Abt zu Caen und 1070 Erzbischof von Canterbury, wo er 1089 starb. Er führte die Dialektik in die Theologie ein und ist besonders als Gegner des Berengar von Tours bekannt geworden. Seine Werke sind herausgegeben von d’Achery (Par. 1648) und Giles (Oxf. 1844–45, 2 Bde.). Vgl. Crozal, L., archevêque de Cantorbéry (Par. 1877).

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0494.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2024)
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