verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10 | |
|
hineinragen, deren Tage ebenfalls gezählt sind (s. Ablösung).
Quellen des deutschen Lehnrechts sind außer den Verordnungen der fränkischen und deutschen Könige (constitutiones feudales) die mittelalterlichen Rechtsbücher, wie der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel, das Görlitzer Lehnrecht und der Richtsteig Lehnrechts, welcher vom lehnrechtlichen Gerichtsverfahren handelt. Außerdem aber fand mit dem römischen Recht auch eine langobardische Lehnrechtssammlung in Deutschland Eingang, die sogen. Libri feudorum, ursprünglich eine Privatarbeit des Mailänder Konsuls Obertus ab Orto, welche, mit Schöffensprüchen und kaiserlichen Verordnungen vermehrt, dem Corpus juris civilis (s. d.) als Anhang beigefügt, von den italienischen Rechtslehrern glossiert wurde und in dieser Gestalt in Deutschland Gesetzesautorität erhielt. Dazu kamen dann zahlreiche Partikulargesetze in den einzelnen deutschen Territorien, wie z. B. das kursächsische Lehnsmandat von 1764, das altenburgische Lehnsedikt von 1795, das badische Edikt vom 12. Aug. 1807, das bayrische Lehnsedikt von 1808 und die Ablösungsgesetze der Neuzeit.
[Wesentliche Grundsätze des Lehnrechts.] Zu jedem wahren Lehen gehören als notwendige Voraussetzungen (essentialia feudi) ein lehnbarer Gegenstand, ein fähiger Lehnsherr, ein fähiger Vasall und das zwischen beiden bestehende Verhältnis der Lehnstreue. Außerdem werden als natürliche oder regelmäßige Eigenschaften des Lehens (naturalia feudi), welche im Zweifel bei jedem Lehen vorhanden sind, bezeichnet: die Investitur, d. h. die feierliche Verleihung des Lehens, die Erblichkeit und die besondere Erbfolge in Ansehung der Lehen mit Bevorzugung des Mannesstamms, endlich die Leistung von Diensten und zwar ursprünglich und eigentlich von Kriegsdiensten. Der Mangel einer solchen Eigenschaft macht ein Lehen zu einem unregelmäßigen oder uneigentlichen (feudum irregulare, improprium). Ursprünglich galten nur Liegenschaften für lehnbar, namentlich die sogen. Rittergüter (Ritterlehen, adlige Lehen, feuda nobilia, im Gegensatz zu unadligen Lehen, feuda ignobilia) oder eine Burg oder ein sonstiges Gebäude (feudum castri, keminatae, aedificii). Aber auch an unkörperlichen Sachen wurden Lehen errichtet, indem die verschiedenartigsten Rechte nach Lehnrecht verliehen wurden, so z. B. gewisse Hoheitsrechte über ein bestimmtes Territorium (feuda regalia), die sogen. Fürstenlehen oder Fahnenlehen, so genannt, weil bei der Beleihung eine Fahne als Symbol diente. Dahin gehören ferner die Beleihungen mit gewissen Ämtern (Ämterlehen, Ambachtslehen, feudum officii), namentlich Hofämtern, und das einst dem Haus Thurn und Taxis verliehene Postlehen sowie die lehnsweise erteilte Gerichtsbarkeit (feudum jurisdictionis). Dazu kommen dann zahlreiche Lehen an Kirchensachen und kirchlichen Rechten, Kirchenlehen (Stiftslehen, feuda ecclesiastica), Beleihungen mit den mit einem Altar verbundenen Stiftungen (feudum altaragii). Außerdem wurden zahlreiche Realberechtigungen, Renten, Gülten und Zehnten (feudum decimarum), verliehen; auch sogen. Geldlehen kamen vor, bei welchen der Vasall die Zinsen eines gewissen Kapitals bezog. Keine Lehen, sondern Allodialgüter waren dagegen die sogen. Sonnenlehen, bei welchen die Sonne oder die Gottheit gewissermaßen als Lehnsherrin fingiert wurde. Zur persönlichen Lehnsfähigkeit des Lehnsherrn (aktive Lehnsfähigkeit) wird erfordert: Dispositionsbefugnis in Ansehung des Gegenstandes, der verliehen werden soll, und Wehrfähigkeit. Da der Vasall nämlich ursprünglich stets zu Kriegsdiensten verpflichtet war, so konnten nur solche Personen, die den Heerschild hatten, also Ritterbürtige, die sich eben solche Dienste versprechen lassen konnten, Lehnsherren sein, bis dann in spätern Zeiten an die Stelle der Kriegsleistungen vielfach bestimmte Abgaben, namentlich die sogen. Ritterpferdsgelder, traten (sogen. Zins- und Beutellehen). Da nun aber in einem geordneten Staatswesen nur dem Staatsoberhaupt die Militärhoheit zusteht, so konnte eigentlich nach modernem Staatsrecht auch nur der Souverän selbst als fähiger Lehnsherr erscheinen, wie dies in einzelnen Staaten, z. B. in Bayern und Mecklenburg, ausdrücklich durch Gesetz verordnet worden ist; daher die Einteilung in Staatslehen und Privatlehen, bei welch letztern eben ein Unterthan Lehnsherr war. Zur passiven Lehnsfähigkeit des Vasallen wurde Unbescholtenheit und Waffenfähigkeit erfordert, weshalb namentlich Frauen lehnsunfähig waren und nur ausnahmsweise sogen. Weiberlehen („Kunkellehen“, im Gegensatz zu „Helmlehen“) vorkamen. Aus demselben Grund erschienen Bauern als lehnsunfähig und ebendarum die zahlreichen bäuerlichen Leihen (sogen. Feudaster) als uneigentliche Lehen (s. Kolonat). Die Begründung eines Lehens geschieht der Regel nach durch Investitur (constitutio feudi, infeudatio). Diese ist aber nichts andres als die deutschrechtliche Auflassung (s. d.). Es sind dabei zwei wesentliche Handlungen zu unterscheiden: die Belehnung (actus traditionis) und die Huldigung (actus inaugurationis); erstere erfolgte früher regelmäßig unter Anwendung gewisser Symbole, z. B. einer Fahne, eines Schwertes; letztere bestand in der eidlichen Versicherung, dem Lehnsherrn treu, hold und gewärtig sein zu wollen (Lehnseid, homagium, vassallagium); nur ausnahmsweise genügte der bloße Handschlag des Vasallen (sogen. Handlehen). Das über die Investitur von der zuständigen Behörde (Lehnsgericht, Lehnshof, Lehnskurie) aufzunehmende Protokoll heißt Lehnsprotokoll. Der Vasall kann die Ausstellung eines Lehnsbriefs verlangen, d. h. einer Urkunde, worin die Investitur samt ihren Bedingungen bezeugt wird. Die Urkunde, durch welche dem Vasallen die stattgehabte Beleihung vorläufig bescheinigt wird, heißt Lehns- oder Rekognitionsschein und diejenige, durch welche der Vasall dem Lehnsherrn die Beleihung und die Lehnspflicht bescheinigt, Lehnsrevers (Gegenbrief). Ein Lehnsinventar, d. h. eine Beschreibung des Lehnsguts mit seinen Pertinenzen, unterschrieben von dem Lehnsherrn, resp. von dem Vasallen (Lehnsdinumerament), kann jeder von beiden von dem andern verlangen. Lehnskontrakt (contractus feudalis) heißt der Vertrag, durch welchen eine Beleihung vereinbart und vorbereitet wird. Im Mittelalter kam auch häufig die sogen. Lehnsauftragung (oblatio feudi) vor, darin bestehend, daß jemand, um sich unter den Schutz eines mächtigern Lehnsherrn zu begeben, diesem sein Allod zum Eigentum übertrug, um es dann von jenem als Lehen zurückzuempfangen. Besondere Arten der Investitur sind die Koinvestitur und die Eventualbelehnung. Erstere (investitura simultanea) ist diejenige Investitur, welche gleichzeitig an dem nämlichen Gegenstand mehreren Personen erteilt wird. Hier werden die mehreren Beliehenen nach ideellen Teilen an dem Lehnsgut berechtigt, ohne daß zwischen ihnen etwa ein wechselseitiges Erbrecht in Ansehung des letztern begründet würde (Mitbelehnung, coinvestitura juris communis
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0632.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2023)