verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10 | |
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„Specimen difficultatis in jure“ (1664), „De conditionibus“ (1665) und „De arte combinatoria“ (1666), wurde aber mit seiner Bewerbung um die juristische Doktorwürde von der Universität seiner Vaterstadt seiner Jugend wegen zurückgewiesen, weshalb er Leipzig für immer verließ. Nachdem er noch in demselben Jahr mit der Abhandlung „De casibus perplexis in jure“ zu Altdorf promoviert hatte, schloß er sich 1667 dem kurmainzischen Minister Baron J. Chr. v. Boyneburg an, für welchen er mehrere publizistische Schriften ausarbeitete, unter andern 1669 bei Boyneburgs Gesandtschaft nach Polen das „Specimen demonstrationum politicarum pro rege Polonorum eligendo“, dann das „Bedenken, welchergestalt securitas publica interna et externa und status praesens im Reich auf festen Fuß zu stellen“ und das „Consilium aegyptiacum“, welches Ludwigs XIV. Ehrgeiz zu einem (nachher von Napoleon I. unternommenen) Zug nach Ägypten anstacheln sollte, um ihn von Deutschland abzulenken. In Paris, wohin er 1672 gesandt wurde, und bei einem Ausflug nach London kam L. in persönlichen Verkehr mit den berühmtesten Mathematikern und Naturforschern jener Zeit, namentlich mit Huygens, Rob. Boyle und Newton, und die Anregung zur Wiederaufnahme seiner mathematischen Studien, die er dadurch erhielt, führte zur Erfindung der Differentialrechnung. Dieselbe brachte ihm solchen Ruhm, daß die Pariser Akademie ihn als ihren Pensionär aufnehmen wollte, wenn er zur katholischen Kirche überträte, wozu er sich aber nicht zu entschließen vermochte. 1676 trat er als Bibliothekar und Historiograph in hannöversche Dienste, verfaßte im Auftrag und Interesse des braunschweigischen Hauses die Schrift „Caesarini Fuerstenerii de jure suprematus ac legationis principum Germaniae“ (1677), sammelte Material zur Geschichte des Hauses, zu welchem Zweck er 1687 Wien und Italien besuchte, und arbeitete die Werke: „Codex juris gentium diplomaticus“ (Hannov. 1693–1700, 2 Bde.), „Accessiones historicae“ (Leipz. u. Hannov. 1698–1700, 2 Bde.), „Scriptores rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes“ (das. 1707–11, 3 Bde.), „Disquisitio de origine Francorum“ (Hannov. 1715) und die „Annales imperii occidentis Brunsvicenses“ (das. 1843–45, 2 Bde.) aus, welch letztere damals ungedruckt blieben und erst lange nach seinem Tod von Pertz aus L.’ Handschriften herausgegeben wurden. Zu gleicher Zeit benutzte L. seine durch die Jesuiten bis nach China reichenden Verbindungen zu etymologischen Forschungen, denen wir die „Collectanea etymologica“ (Hannov. 1717) verdanken. Bis 1694 korrespondierte er unter Vermittelung des katholisch gewordenen Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels fruchtlos mit Pélisson und Bossuet über eine Vereinigung der protestantischen und katholischen Kirche und verfaßte zu diesem Zweck das konziliatorische „Systema theologicum“ (Par. 1819; deutsch von Räß und Weis, Mainz 1820), welches ihn in den Verdacht des Kryptokatholizismus brachte (vgl. Schulz, Über die Entdeckung, daß L. ein Katholik gewesen, Götting. 1827). Wie er selbst in seiner Person eine „Akademie“ darstellte, so ging sein Hauptstreben dahin, seine Verbindungen mit den Höfen zu Berlin, Wien und Petersburg zur Gründung von Akademien der Wissenschaften nach dem Muster der Pariser und Londoner an diesen Orten zu benutzen. Durch seinen Einfluß auf die geistreiche Königin Sophie Charlotte, die Großmutter Friedrichs d. Gr., setzte er 1700 die Stiftung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin durch und wurde deren erster Präsident. In Wien unterstützte der ihm gewogene Prinz Eugen von Savoyen, dem er seine Hauptschrift: „La Monadologie“ (1714), widmete, L.’ Plan, der jedoch an dem Widerstand der Jesuiten scheiterte und erst 1846 zur Ausführung kam. In Petersburg gründete Peter d. Gr., der L. 1711 im Lager zu Torgau kennen lernte, die noch heute bestehende Akademie nach L.’ Entwurf. Außerdem wurde L. vom Kaiser Karl VI. zum Freiherrn und Reichshofrat ernannt, von andern Fürsten durch Titel und Jahrgehalte ausgezeichnet. Die Streitigkeiten mit Newtons Anhängern über die Priorität der Erfindung der Differentialrechnung, über welche die königliche Societät zu London ein keineswegs unparteiisches Urteil abgab, trübten seine letzten Lebensjahre. Er starb 14. Nov. 1716 in Hannover und soll in der Neustädter Hofkirche daselbst beigesetzt worden sein, wo ihm ein einfaches Monument mit der Aufschrift „Ossa Leibnitii“ errichtet wurde. Ein größeres Denkmal am Waterlooplatz in Hannover trägt die von Heyne angegebene Inschrift „Genio Leibnitii“. 1883 ward ihm ein Standbild, von Hähnel modelliert, in Leipzig errichtet. Zu einem vierten ist sein Wohnhaus in Hannover geworden, das König Ernst August 1844 an sich kaufte, um es vor dem Niederreißen zu bewahren. 1846 wurde das 200jährige Fest seiner Geburt gefeiert und in demselben Jahr die königlich sächsische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig und die kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu Wien eröffnet.
L.’ schriftstellerische Thätigkeit äußerte sich meist gelegentlich in Briefen und kurzen Aufsätzen, die sich in den Zeitschriften: „Acta Eruditorum“, „Miscellanea Berolinensia“, „Journal des Savants“ sowie in den Briefsammlungen von Kortholt (Leipz. 1734–1742, 4 Bde.), Gruber (Hannov. u. Götting. 1745, 2 Bde.), Michaelis (Götting. 1755), Beesenmeyer (Nürnb. 1788), Feder (Hannov. 1815) und Cousin (im „Journal des Savants“ 1844), in „L.’ und Huygens’ Briefwechsel mit Papin“ (hrsg. von Gerland, Berl. 1881), dem „Briefwechsel mit dem Minister v. Bernstorff“ (hrsg. von Döbner, Hannov. 1882) und in weitern Veröffentlichungen von Distel, Gerland u. a. finden. Zu seinen philosophischen Hauptwerken gehören die „Monadologie“, der im Auftrag der philosophischen Königin Sophie Charlotte von Preußen geschriebene „Essai de Théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal“ (zuerst Amsterd. 1710, 2 Bde.; hrsg. von Jaucourt, das. 1747, 2 Bde.; von Erdmann, Berl. 1840, 2 Bde.; lat., Tübing. 1771; deutsch, Mainz 1820, und von Habs, Leipz. 1884) und „Nouveaux essais sur l’entendement humain“ (deutsch von Schaarschmidt, das. 1874), eine in Form eines Dialogs durchgeführte Prüfung und versuchte Berichtigung des Lockeschen Werkes über das Erkenntnisvermögen, welche erst nach L.’ Tod bekannt wurde und den wichtigsten Teil der von Raspe herausgegebenen „Œuvres philosophiques de feu M. de L.“ (Amsterd. u. Leipz. 1765) ausmacht. Die erste (unvollständige) Ausgabe der Leibnizschen Werke besorgte Dutens (Genf 1768, 6 Bde.); neuere Gesamtausgaben auf Grundlage der Handschriften der Hannoverschen Bibliothek wurden begonnen von Pertz (erste Folge: „Historische Schriften“, Hannov. 1843–47, 4 Bde.; zweite Folge: „Briefwechsel mit Arnauld und dem Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels“, das. 1846; dritte Folge: „Mathematische Schriften“, hrsg. von Gerhardt, Berl. u. Halle 1849–62, 7 Bde.; dazu 6 Bände „Philosophische Schriften“, hrsg. von Gerhardt, Berl. 1875–86), und seit 1862 von O. Klopp (Hannov., bis 1884: 11 Bde.),
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0647.jpg&oldid=- (Version vom 19.3.2023)