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Seite:Meyers b10 s0651.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

Der Einführung solcher Anstalten gab ursprünglich die Furcht vor dem Lebendigbegrabenwerden, welche unter Laien und Ärzten am Ende des vorigen Jahrhunderts noch ziemlich verbreitet war, den wirksamen Anstoß. Das erste L. wurde 1792 auf Hufelands Anregung in Weimar erbaut und mit allerlei Maßregeln zur Erkennung des Scheintodes ausgestattet. Nachdem nunmehr nebst vielem andern Aberglauben auch die Furcht vor dem Lebendigbegrabenwerden bei allen Gebildeten endgültig beseitigt ist, da in etwa für Laien zweifelhaften Fällen jeder Arzt mit vollkommenster Sicherheit die Zeichen des eingetretenen Todes zu beurteilen versteht (aus dem Erscheinen der Totenflecke etc.; vgl. Totenschau), so ist dieser ursprüngliche Zweck der Leichenhäuser hinfällig geworden. Statt dessen legt aber die moderne Gesundheitspflege ein wissenschaftlich begründetes Gewicht für die Beschaffung von Leichenhäusern in die Wagschale, da 1) die Aufstellung jeder Leiche bis zur abgelaufenen dreitägigen Beerdigungsfrist die Luft im Wohnzimmer verdirbt und um so schlimmer wirkt, je enger und niedriger die Wohnräume sind, und da 2) bei ansteckenden Krankheiten auch durch die bereits Gestorbenen der Ansteckungsstoff weiter verbreitet werden kann. Daher ist es unter allen Umständen bedenklich, Leichen im Wohnhaus aufzubahren; diese Bedenklichkeit wächst aber zur drohenden Gefahr für die Überlebenden, wenn die Wohnräume an sich eng sind oder der Tote an einer epidemischen Seuche gestorben ist. Für die Cholera ist diese Gefahr längst bekannt, ihr ist auch in allen großen Epidemien Rechnung getragen worden; allein mit der fortschreitenden Erkenntnis der Krankheitsursachen sollte auch die Wachsamkeit der Behörden betreffs der andern kontagiösen Krankheiten, namentlich der Diphtheritis, Scharlach, Masern, Pocken, Fleckenfieber u. a., sich zu gleicher Strenge in den Vorbeugungsmaßregeln steigern. Wie sehr hier der pietätvolle Unverstand sündigt, ist nur dem erfahrenen Arzt bekannt, der es oft beobachtet, wie trotz des sicher konstatierten Todes Eltern sich nicht von der Leiche ihres Kindes trennen wollen und so die brennende Gefahr der Ansteckung für die bis dahin gesunden Kinder weit über die unvermeidliche Gebühr verlängern. Nicht jeder kleine Ort bedarf großartiger Häuser zur Unterbringung und Ausstellung von Leichen, aber jedes Dorf sollte auf seinem Kirchhof eine kleine Halle besitzen, in welcher Verstorbene sofort nach Feststellung des Todes unterzubringen wären, und jede Stadt sollte ein L. unterhalten, in welchem außer zur Aufbewahrung gleichzeitig Gelegenheit zu einer wissenschaftlichen Obduktion gegeben wäre.

Leichenhühnchen (Leichenvogel), s. Eulen, S. 906.

Leichenkassen, s. v. w. Sterbekassen (s. d.).

Leichenmahl, s. Totenbestattung.

Leichenöffnung, s. Obduktion und Sektion.

Leichenpustel, s. v. w. Leichentuberkel.

Leichenschau, s. Totenschau.

Leichenstarre, s. v. w. Totenstarre, s. Leiche.

Leichentuberkel (Leichenpustel), chronische warzenartige Verdickung der Haut an den Fingern, welche nach unvollständiger Heilung infizierter Wunden, welche von Leichenvergiftung (s. d.) herrühren, zurückgeblieben ist; zum Teil wirkliche Tuberkeln mit Riesenzellen und Bacillen, also lokale Tuberkulose der Haut.

Leichenverbrennung, s. Totenbestattung.

Leichenvergiftung (Leicheninfektion). Im Leichnam des Menschen und der Tiere treten sofort nach dem Tod chemische Prozesse ein, welche zunächst die Säfte und Weichteile betreffen und sich im allgemeinen als Fäulnis charakterisieren. Es werden dabei eigentümliche, erst zum Teil als Ptomaine erkannte Substanzen gebildet, die, wenn sie auch nur in geringer Menge durch eine kleine Verletzung oder Wunde der Haut in die Körpersäfte gelangen, daselbst örtliche und allgemeine Entzündungen erregen. Es ist in hohem Grad wahrscheinlich, daß höchstens in den leichtern Fällen, bei denen umschriebene Entzündungen der Haut, Pusteln, Knoten oder Furunkeln entstehen, ein chemisches Gift allein wirksam ist; alle heftigern Entzündungen, welche mit Schwellung der Lymphdrüsen und Fieber verbunden sind, beruhen auf Ansteckung mit niedersten pflanzlichen Keimen (Bakterien) und stehen daher den Wundinfektionskrankheiten gleich. Schon der Umstand, daß die Leichen von Personen, welche einer ansteckenden Krankheit, Wochenbett, Eiterfieber u. dgl. erlagen, am gefährlichsten sind, und daß auch diese um so üblere Wirkungen zeigen, je früher sie seziert werden, je mehr also die krankheiterregenden Keime noch lebensfähig sind, weist darauf hin, daß es sich bei L. um eine Übertragung entwickelungsfähiger Pilzkeime handelt. Der Verlauf ist daher ebenso mannigfach und von der Bösartigkeit der eingeimpften Bakterien abhängig wie bei den Wundkrankheiten selbst (s. Wunde). Die Behandlung beginnt am sichersten schon vor der Leichenöffnung damit, daß man alle etwanigen wunden Stellen der Hände mit wasserdichtem Pflaster und Kollodium verschließt, dann die Haut mit starkem Essig einreibt, wobei sich auch ganz kleine Schrunde durch brennendes Gefühl kundgeben, die dann ebenfalls bedeckt werden. Hat man sich bei der Sektion verletzt, so lasse man die Wunde möglichst bluten, sauge sie aus und spüle sie längere Zeit mit absolutem Alkohol aus. Fügt man noch eine Ätzung mit Höllenstein oder Salpetersäure hinzu, so werden kaum je üble Folgen eintreten. Sind diese Vorsichtsmaßregeln versäumt und eine Wundkrankheit entstanden, so ist nach allgemeinen Regeln zu verfahren. Chronische Vergiftungen pflegen einem Luftwechsel überraschend schnell zu weichen. Chronische Entzündungsknoten an den Händen nennt man Leichentuberkeln (s. d.).

Leichenvogel, s. v. w. Steinkauz, s. Eulen, S. 906.

Leichenwachs, s. v. w. Fettwachs (s. d.).

Leichenwürmer, s. Fliegen, S. 373.

Leichhardt, Friedrich Wilhelm Ludwig, Reisender, geb. 23. Okt. 1813 zu Trebatsch bei Beeskow, studierte in Göttingen Philologie, dann zu Berlin die Naturwissenschaften, ging 1841 nach Australien und bereitete sich zuerst durch kleinere Reisen zu einer großen Expedition vor, welche er 1844–46 von der Moretonbai aus zum Carpentariagolf und von da bis Port Essington ausführte. Zurückgekehrt, wurde ihm von der Regierung von Neusüdwales eine Summe von 1000 Pfd. Sterl. votiert, welche er sofort zur Ausrüstung für das große Unternehmen, den Kontinent in seiner ganzen Ausdehnung von O. nach W. zu durchziehen, verwandte. Nach einem verunglückten Versuch, der ihn zur Rückkehr und nochmaligen Ausrüstung zwang, brach er im Dezember 1847 abermals auf und gab die letzte Nachricht 3. April 1848 vom Cogunfluß. Seitdem ist er verschollen, und obgleich mehrere Versuche gemacht wurden, durch ausgesandte Expeditionen sein Schicksal aufzuklären, wozu auch die wiederholt auftauchende Nachricht von einem im Innern unter den Eingebornen lebenden weißen Mann und von aufgefundenen Tagebüchern und Ausrüstungsgegenständen Anlaß gab, so hat über seinem

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0651.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2022)
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