Zum Inhalt springen

Seite:Meyers b10 s0766.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

Lichtenau, 1) Stadt im bad. Kreis Offenburg, an der Acher, hat Seidenzeugweberei, Hanf-, Zichorien- und Tabaksbau und (1885) 1207 meist evang. Einwohner. – 2) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Witzenhausen, an der Linie Kassel-Waldkappel der Preußischen Staatsbahn, 455 m ü. M., hat ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Zigarren- und Zementfabrikation, eine Braunkohlengrube und (1885) 1342 evang. Einwohner. Am 25. Okt. 1886 wurde L. von einer Feuersbrunst fast gänzlich zerstört. Die Stadt ist im 13. Jahrh. von Landgraf Heinrich I. gegründet. – 3) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Minden, Kreis Büren, an der Altenau, 288 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Kalkbrennereien und (1885) 1369 Einw.

Lichtenau, Wilhelmine, Gräfin von, Geliebte Friedrich Wilhelms II. von Preußen, geb. 29. Dez. 1752 zu Potsdam, war die Tochter des Musikers Enke. Der damalige Prinz von Preußen, nachmalige König Friedrich Wilhelm II., lernte sie im Haus ihrer ältern Schwester, welche Figurantin bei der Italienischen Oper in Berlin war, in ihrem 13. Jahr kennen, ließ sie in Potsdam und Paris geistig ausbilden und trat in ein vertrautes Verhältnis zu ihr. Nachdem sie ihm fünf Kinder, die Grafen und Gräfinnen von der Mark, geboren, wurde sie mit einem Kammerdiener, Rietz (Ritz), vermählt, der nach der Thronbesteigung von Friedrich Wilhelm zum Geheimkämmerer ernannt wurde. Obwohl die Rietz in der Gunst des Königs von der Gräfin Voß, dann von der Dönhoff verdrängt wurde, gelang es ihr doch, dessen Freundschaft sich zu erhalten und 1796 sogar zur Gräfin von L. ernannt und bei Hof eingeführt zu werden; auch schenkte ihr der König 500,000 Thlr. sowie mehrere Güter und stattete ihre Tochter, Gräfin Marianne von der Mark (ein Sohn, Graf von der Mark, starb neun Jahre alt), bei ihrer Heirat mit dem Grafen Stolberg mit 200,000 Thlr. aus. Sie besaß des Königs Neigung, die sie übrigens nicht mißbrauchte, bis zu dessen Tod (1797). König Friedrich Wilhelm III. ließ sie sofort verhaften und einen Prozeß gegen sie einleiten; derselbe ergab nichts Belastendes. Dennoch wurde sie in Glogau interniert und erhielt ihre Freiheit erst gegen eine unbedingte Verzichtleistung auf ihr gesamtes Vermögen, wogegen ihr eine jährliche Pension von 4000 Thlr. verwilligt wurde. Eine Ehe, die sie mit dem Theaterunternehmer v. Holbein 1802 einging, wurde 1806 wieder getrennt. 1811 erhielt sie einen Teil ihrer Güter zurück. Sie starb 9. Juni 1820 in Berlin. Ihre Memoiren erschienen 1808. Vgl. „Der Gräfin L. Apologie“, herausgegeben von Schummel (Bresl. 1808, 2 Bde.).

Lichtenberg, ehemaliges deutsches Fürstentum, jetzt ein Kreis (St. Wendel) des preuß. Regierungsbezirks Trier, von Oldenburgisch-Birkenfeld, Rheinbayern und der preußischen Rheinprovinz begrenzt, 537 qkm (9,7 QM.) groß mit 43,000 Einw. L., früher die Herrschaft Baumholder genannt, zusammengesetzt aus Teilen von Nassau-Saarbrücken, Zweibrücken u. a., die dem französischen Departement Saar einverleibt waren, wurde von dem Herzog Ernst von Sachsen-Koburg, dem Preußen infolge des Wiener Kongresses 1816 das Ländchen für geleistete Kriegsdienste abgetreten hatte, 5. März 1819 zu einem Fürstentum erhoben und nach der alten pfälzischen Burg L. benannt, 1834 aber gegen eine Jahresrente von 80,000 Thlr. mit allen Souveränitätsrechten an Preußen abgetreten.

Lichtenberg, 1) Stadt im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken, Bezirksamt Naila, im Frankenwald und unweit der Selbitz, hat eine evang. Kirche, eine Oberförsterei, Tuchfabrikation und Gerberei und (1885) 813 Einw. – 2) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Niederbarnim, östlich bei Berlin, an der Linie Berlin-Schneidemühl der Preußischen Staatsbahn, hat eine alte Kirche, viele Landhäuser der Berliner und (1885) 15,842 meist evang. Einwohner, von denen die Mehrzahl in der zu L. gehörigen Kolonie Friedrichsberg wohnt. Die Feldmark von L., in welcher der neue städtische Zentralviehhof erbaut ist, wurde 1878 der Stadt Berlin einverleibt. L. wurde 1391 von Markgraf Jobst an Berlin verkauft. – 3) Gebirgsdorf im deutschen Bezirk Unterelsaß, Kreis Zabern, auf schroffer Felswand, hat eine Eisenquelle und (1885) 1053 meist kath. Einwohner. Das dabei gelegene, im 11. Jahrh. erbaute Bergschloß wurde 10. Aug. 1870 von den Württembergern genommen und zum großen Teil verwüstet. Das Geschlecht der Grafen von L. erlosch 1480, das der Grafen von Hanau-L. 1736; darauf besaßen unter französischer Oberhoheit die Landgrafen von Hessen-Darmstadt L. bis 1793 (s. Hanau, Grafschaft).

Lichtenberg, Georg Christoph, ausgezeichneter deutscher Satiriker und bedeutender Physiker, geb. 1. Juli 1742 zu Oberramstädt bei Darmstadt als Sohn eines Predigers, zeigte früh, als Schüler des Darmstädter Gymnasiums, hervorragendes Talent für mathematische Studien und bezog 1763 die Universität Göttingen, wo Kästner und Meister seine Lehrer und bald seine Freunde wurden. Er erhielt 1770 eine außerordentliche Professur daselbst und wurde 1774 Mitglied der Göttinger Societät der Wissenschaften. Zwei Reisen nach England (1769 und 1774) brachten ihn in Verkehr mit einer Reihe der wissenschaftlich bedeutendsten Persönlichkeiten und verschafften ihm gründliche Kenntnis englischer Verhältnisse. Besonders zog ihn auch das englische Theater an, wo damals Garrick glänzte. Bald nach der Heimkehr (1775) zum ordentlichen Professor ernannt, redigierte er seit 1778 den „Göttingischen Taschenkalender“, welcher in einer Reihe von Jahrgängen zahlreiche wissenschaftliche und popularphilosophische Aufsätze von klassischer Klarheit und unübertrefflicher Laune aus seiner Feder brachte. Die spätern Jahre seines Lebens verlebte er infolge von Körperleiden in hypochondrischer Abgeschlossenheit und starb 24. Febr. 1799. Als Naturforscher ist er vorzüglich wegen seiner durch ausgezeichnete Apparate unterstützten Vorlesungen über Experimentalphysik sowie durch die Entdeckung der nach ihm benannten elektrischen Figuren berühmt geworden. Weitverbreiteten Ruf erwarben ihm aber besonders seine witzigen und satirischen Aufsätze popularphilosophischer Art, in denen er sich namentlich als schonungsloser Gegner der sentimentalen Phantastik der Sturm- und Drangperiode und alles wirklichen und vermeinten Mystizismus erwies. Als Muster echter Satire sind unter Lichtenbergs Aufsätzen vor allen zu bezeichnen: die gegen den berüchtigten Nachdrucker Tobias Göbhardt in Bamberg gerichteten Episteln, der berühmte „Anschlagzettel im Namen von Philadelphia“, der sich wider Lavaters thörichten Bekehrungseifer wendende „Timorus“ und das köstliche „Fragment von Schwänzen“, in welchem sich desselben Schwärmers dithyrambisch-hyperbolische Ausdrucksweise im Text seiner „Physiognomik“ ergötzlich karikiert findet. Seit 1794 ließ L. fünf Lieferungen einer „Ausführlichen Erklärung der Hogarthschen Kupferstiche“ mit Kopien derselben von Riepenhausen (der Text zu den spätern Lieferungen rührt von Bouterwerk her) erscheinen, in denen er die glänzendsten Proben seiner witzigen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0766.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2021)
OSZAR »