verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10 | |
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in Paris nieder und erwarb sich durch seine „Histoire du siècle d’Alexandre“ (Amsterd. 1762) sowie als Rechtsgelehrter durch seine Beredsamkeit („Mémoires judiciaires“, Sammlung seiner Plaidoyers, 7 Bde.) einen großen Ruf, aber auch durch die Rücksichtslosigkeit seiner Sprache viele Feinde und ward 1774 von der Liste der Parlamentsadvokaten gestrichen. Sein 1774 begonnenes „Journal politique et littéraire“ wurde von der Regierung unterdrückt. L. begab sich darauf nach der Schweiz zu Voltaire, begann dort die Herausgabe seiner großes Aufsehen und Ärgernis erregenden „Annales politiques civiles et littéraires“ (1777–92, 19 Bde.) und kehrte über Holland und England nach Frankreich zurück, wo er infolge neuer Anklagen 1780 in die Bastille gesteckt wurde. Nach seiner Freilassung (1782) ging er wieder nach London, setzte dann in Brüssel seine „Annales politiques“ fort, mußte aber, als er die Partei der Brabanter Insurgenten ergriff, die österreichischen Niederlande verlassen. 1791 erschien er von neuem in Paris und verteidigte vor den Schranken des Konvents die Sache der Schwarzen auf San Domingo. Später faßte die Schreckensregierung Verdacht gegen ihn als einen Gegner ihrer Herrschaft; er wurde eingezogen, in Anklagezustand versetzt, weil er „den Tyrannen zu London und Wien geschmeichelt“ habe, und 27. Juni 1794 guillotiniert. Von seinen zahlreichen sich über Rechtswissenschaft, Geschichte, Politik, Staatswirtschaft und schöne Wissenschaften verbreitenden Schriften sind hervorzuheben: „Histoire des révolutions de l’empire romain“ (Par. 1766, 2 Bde.); „Théorie des lois civiles“ (das. 1767, 3 Bde.); „Histoire impartiale des Jésuites“ (das. 1768, neue Ausg. 1824); „Mémoires sur la bastille“ (Lond. 1783; neue Ausg., Par. 1864).
Linguíst (v. lat. lingua, Sprache), Sprachkundiger, Sprachforscher; Linguistik, Sprachwissenschaft.
Lingŭla, s. Brachiopoden.
Lingŭla Flags, s. Silurische Formation.
Linĭe (Linea), in der Geometrie eins der Elementargebilde (Punkt, L., Fläche, Körper), welches dadurch charakterisiert ist, daß man auf demselben von jedem Punkt aus nur in einer einzigen oder der gerade entgegengesetzten Richtung fortgehen kann. Man kann die L. auch als den Weg eines mathematischen Punktes bezeichnen oder auch als die Grenze einer Fläche; Eukleides definiert sie als eine Länge ohne Breite. Die geometrische L. ist ein abstrakter Begriff; alle Darstellungen von Linien durch Fäden, Striche u. dgl. sind nur näherungsweise Linien, insofern wir von der Dicke oder Breite derselben absehen. Wenn die Richtung, nach welcher ein Punkt sich auf einer L. bewegen kann, überall dieselbe ist, so ist die L. eine gerade, im entgegengesetzten Fall eine krumme L. oder Kurve (s. d.). Die gerade L. oder Gerade bildet die kürzeste Entfernung zwischen zweien ihrer Punkte und dient deshalb zur Messung der Entfernungen. – Der Ausdruck L. bedeutet auch ein Längenmaß und wird dann durch ‴ bezeichnet; im Duodezimalsystem ist die L. der 12., im Dezimalsystem der 10. Teil eines Zolles; 1 Pariser L. ist = 2,2558 mm, 1 rheinische L. = 2,179 mm, 1 Wiener L. = 2,195 mm, 1 englische oder russische L. = 2,116 mm. – In der Geographie und Schiffahrtskunde bedeutet L. den Erdäquator, daher der Ausdruck: „die L. passieren“. – In der Rechtssprache bedeutet L. eine Reihe von Verwandten. Man unterscheidet die gerade L. (linea recta) und die Seitenlinie (linea transversa). Zu der erstern gehören die Personen, von welchen die eine unmittelbar oder mittelbar von der andern abstammt, also die Reihe der Aszendenten und Deszendenten, und zwar nennt man die Reihe: Vater, Großvater, Urgroßvater etc. aufsteigende L., während die Reihe: Sohn, Enkel, Urenkel etc. absteigende L. heißt. Zu der Seitenlinie gehören diejenigen Personen (Seitenverwandte, Kollateralen), von welchen die eine nicht von der andern, sondern welche gemeinschaftlich von einer dritten abstammen, so daß also z. B. Geschwister in der Seitenlinie verwandt sind. – In der Taktik heißt L. diejenige Aufstellung der Truppen, bei welcher die Mannschaften in wenigen (2–3) Gliedern hintereinander, die Unterabteilungen aber nebeneinander stehen. Die Aufstellung in L. ist entweder geschlossen oder geöffnet. Sie gestattet, alle Waffen in Thätigkeit zu bringen, ist dadurch die wichtigste, für die Artillerie die einzig mögliche Gefechtsform, sie leidet durch Feuer weniger als die Kolonnen; dagegen ist sie schwerer zu führen, geordnet zu bewegen und im Terrain zu decken. Deshalb ist sie ungeeignet zum Manövrieren. Bei der Unmöglichkeit, lange Linien geordnet zu leiten, läßt man zwischen den Truppenkörpern Intervalle, in Deutschland z. B. zwischen den Bataillonen je 20, zwischen den Eskadrons eines Kavallerieregiments je 6 Schritt. In der Heeresorganisation bezeichnet L. das stehende Heer (Linientruppen), im Gegensatz zur Landwehr, oder die übrigen Regimenter im Gegensatz zu den Garden, früher auch die schwere Linieninfanterie im Gegensatz zur leichten Füsilierinfanterie. (Über russische Linienbataillone s. Russisches Reich, Heerwesen.). – In der Befestigungskunst versteht man unter L. zunächst die einzelnen Teile eines Festungswerks, z. B. eine Face, Kurtine, Flanke. Verschanzte Linien (lignes retranchées) nennt man Verschanzungen, welche bestimmt sind, der Behauptung großer Terrainstrecken mehr Sicherheit zu verschaffen. Anwendung fanden sie schon zur Zeit der Römer, zum Grenzschutz (Piktenmauer, Trajanswall etc.) und bei Belagerungen (Zirkum- und Kontravallationslinien). Aus dem 18. Jahrh. stammen noch die Weißenburger Linien zum Schutz des nördlichen Elsaß, aus dem jetzigen die von Wellington 1809 in Portugal angelegten 45 km langen Linien von Torres Vedras.
Linien der Hand, s. Chiromantie.
Linieninseln, s. Gilbertinseln.
Linienkommissionen, dem Generalstab (Eisenbahnabteilung) unterstellte Behörden zur Leitung der Truppenbeförderung auf Eisenbahnlinien, bestehen aus Offizieren und Eisenbahnbeamten, sind teilweise schon im Frieden vorhanden, teils beim Eintreten einer Mobilmachung neu zu bilden.
Linienmanier, s. Kupferstecherkunst, S. 329.
Linienperspektive (Linearperspektive), der Gegensatz zur Luftperspektive (s. Perspektive).
Linienschiffe (engl. Line of battle Ships), vor Einführung des Dampfes und der Panzerung die größte Gattung der Kriegsschiffe, die 2–4 Geschützaufstellungen übereinander, in Zwei- oder Dreideckern und auf Oberdeck mit bis 130 Geschützen besaßen und ehemals die Schlachtlinie der Flotten bildeten; ihre Stelle vertreten gegenwärtig die Panzerschiffe, speziell die Panzerfregatten.
Linienspiel, s. Chromatrop.
Liniensystem (Fünfliniensystem, auch kurz System), in der Musik das Schema von fünf parallelen Linien, in welches die Noten eingetragen werden. Die Tonbedeutung der Linien und Zwischenräume (Spatien) wird durch einen vorgezeichneten Schlüssel bestimmt. Der Erfinder der Linien für die
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0808.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2021)