verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11 | |
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31 und 45° nördl. Br. und bei den anhaltenden heißen Südwinden ausgesetzt ist, an Umfang sehr bald unverhältnismäßig abnehmen, wenn nicht in der Meerenge von Gibraltar eine Zuströmung aus dem Atlantischen Ozean stattfände. In genannter Meerenge gewahrt man nämlich an der Oberfläche eine starke Strömung aus dem Ozean ins Mittelländische Meer, welche kaum vorübergehend durch anhaltende Ostwinde unterbrochen wird; daneben ist neuerdings durch englische Expeditionen festgestellt worden, daß ein unterseeischer Strom aus dem Mittelländischen Meer in den Ozean zurückgeht und so fast alles Salz demselben wieder zurückgibt, doch fehlt bei der mäßigen Tiefe der Meerenge (311 m) in den tiefern Wasserschichten des Mittelländischen Meers jede Bewegung. Deshalb hat sich in einer Tiefe von 322 m der im Wasser enthaltene Sauerstoff für lebende Wesen nicht mehr ausreichend gezeigt. Auch die Temperatur erscheint in dieser Tiefe um 10° C. höher als in den gleichen Schichten des Atlantischen Ozeans. Dieselbe Doppelströmung findet zwischen dem Mittelländischen Meer und dem Schwarzen Meer statt; während aus letzterm minder salzhaltiges Wasser an der Oberfläche ausfließt, ist in der Tiefe ein Rückfluß von Salzwasser aus dem Mittelländischen Meer beobachtet worden. Auf der starken Verdunstung beruht auch der starke Salzgehalt des Mittelländischen Meers, der 3,8 Proz. bei einem spezifischen Gewicht von 1,029 beträgt (sonstiges Mittel 3,5 Proz.), und die an der Oberfläche um 12/3° C. höhere Temperatur als im Ozean. Das Mittelländische Meer hat nur eine schwache Ebbe und Flut. Im Meerbusen von Venedig steigt die Flut bei Neumond u. Vollmond fast 1 m, in der Kleinen Syrte 2,5 m, während sie an den meisten andern Orten 1/3 m kaum überschreitet. Es ist kaum einem Zweifel unterworfen, daß einerseits Europa und Afrika bei Gibraltar und Sizilien einst fest zusammenhingen, wie sich dies aus der geologischen Formation der Bergketten des Atlas und Spaniens und deren Parallelismus schließen läßt, während anderseits bei Konstantinopel Europa mit Asien verbunden und das Schwarze Meer ein Binnensee war, der erst später sich dort einen Ausweg öffnete. Bei der Bildung des Meers zu seiner jetzigen Gestalt mögen wohl auch Erdbeben und vulkanische Explosionen mitgewirkt haben, wie denn noch heute das Becken desselben von Feuer unterwühlt ist (man denke an den vulkanischen Ausbruch auf Santorin 1866–70) und auch die Küsten zum Teil heftigen vulkanischen Erschütterungen ausgesetzt sind. An einigen Orten haben sie sich in historischen Zeiten mehr als einmal gesenkt und sind wieder emporgestiegen, wie dies bei den Ruinen des Serapistempels bei Puzzuoli sowie an den dalmatischen, sizilischen und sardinischen Küsten nachgewiesen werden kann. Hier sind große, noch in historischer Zeit blühende Städte vom Meer verschlungen worden, während dort berühmte Hafenplätze meilenweit vom Meeresufer entfernte Landstädte geworden sind (s. Ravenna). Unter den Fischen, welche das Mittelmeer bevölkern, herrschen die Lippfische (Labroiden) vor; auch schmackhafte Schollen und Barsche, große Thunfische, Sardinen und Sardellen u. a. gehören der reichen Fischfauna desselben (die über 400 Arten umfaßt) an. Weitere Bewohner des Meers sind zahlreiche Kopffüßer (darunter das Papierboot), Schnecken, Muscheln, Polypen (darunter die Edelkoralle, die der Gegenstand einer ausgedehnten Fischerei ist) und Badeschwämme. Der Pottwal erscheint nur selten, häufiger sind Delphine und Robben.
Das Mittelländische Meer wurde schon im frühen Altertum in Bezug auf Kultur u. Verkehr zum vermittelnden Gliede der drei Weltteile, die es physisch auseinander hält. Um seine Gestade entwickelte sich zuerst ein allgemeiner Völkerverkehr, an seinen Ufern spielte die Weltgeschichte zu den Zeiten der Juden, Phöniker, Karthager, der Küstenvölker Kleinasiens, vor allen aber der Griechen und Römer, und diese Bedeutung behielt es auch im Mittelalter (wo Venedig und Genua die große Rolle auf dem Meer spielten), bis die Entdeckung des Seewegs nach Ostindien und der Neuen Welt den Völkerverkehr in neue Bahnen lenkte. In jüngster Zeit, besonders seit Eröffnung des Suezkanals, hat sich der Verkehr auf dem Mittelländischen Meer wieder bedeutend gehoben. Gegenwärtig berühren das Mittelländische Meer folgende Dampferlinien: Southampton-Aden, Brindisi-Bombay u. Jokohama, Marseille-Jokohama, Amsterdam-Batavia, Rotterdam-Java, Triest-Ceylon und Kalkutta, Genua-Bombay und Singapur, Hamburg-Schanghai, von Bremerhaven über Antwerpen und Suez nach Ostasien und Australien, von Triest nach Konstantinopel, Smyrna, Alexandria, von Brindisi nach Korfu, dem Piräeus, Konstantinopel, von Genua nach Alexandria, von Marseille nach Konstantinopel, Smyrna und Alexandria. Mehrere unterseeische Telegraphenkabel verbinden Spanien, Frankreich, Sizilien mit Algerien und Alexandria, ferner Griechenland und Kreta mit Kleinasien und der Türkei. Man schätzt die Zahl der Segel- und Dampfschiffe, die auf dem Mittelländischen Meer verkehren, auf 36,000 mit einem Gehalt von 2,830,000 Ton. und den Wert des durch sie vermittelten Handels auf 91/3 Milliarden Mk. Vgl. W. H. Smyth, The Mediterranean (Lond. 1854); Böttger, Das Mittelmeer (Leipz. 1859); H. Lange, Land- und Seekarte des Mittelländischen Meers (Triest 1859, 9 Blatt); Petermann, Karte des Mittelländischen Meers (8 Blatt, Gotha 1880).
Mittellatein. Unter dieser Bezeichnung pflegt man die Gestaltung der sich im schriftlichen und mündlichen Gebrauch als Weltsprache des Abendlandes behauptenden lateinischen Sprache etwa seit dem 6. Jahrh. bis zur Mitte des 14. Jahrh., dem Beginn der Wiederbelebung des klassischen Altertums (s. Neulateinische Dichter), zu begreifen. Diese Gestaltung ist in den verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene. Aus der in den Stürmen der Völkerwanderung eingerissenen Barbarei erhob sich die Sprache durch das seit Karl d. Gr. in den Klosterschulen eifrig gepflegte Studium der alten Schriftsteller; wie meisterlich man im Zeitalter der Ottonen das Latein in Vers und Prosa zu handhaben wußte, zeigen die lateinisch geschriebenen Geschichtswerke und Dichtungen dieser Zeit. Die zunehmende Abwendung von den Werken der Alten als heidnischen in den folgenden Jahrhunderten führte aufs neue den Verfall der Sprache herbei, die unter dem Einfluß der Scholastik immer mehr entartete. Welcher Art noch im Anfang des 16. Jahrh. die auf dem Standpunkt des Mittelalters verharrende mönchische Schul- und Umgangssprache (Küchenlatein) war, zeigen die bekannten „Epistolae obscurorum virorum“ (s. d.). Ein Lexikon des M. gab Du Cange (s. d.) in seinem „Glossarium ad scriptores mediae et infimae aetatis“. Vgl. Thurot, Notices et extraits pour servir à l’histoire des doctrines grammaticales au moyen-âge (Par. 1868); Ebert, Allgemeine Geschichte der Litteratur des Mittelalters im Ausland (Leipz. 1874–87, 3 Bde.); Bähr, Geschichte der römischen Litteratur im karolingischen Zeitalter (Karlsr. 1840).
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0692.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2024)