verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
|
Wandlung des Naturgefühls betrachtet werden; sie lenkte aber mit den Poussins und Claude Lorrain wieder in eine idealisierende und schließlich sentimentale Richtung ein. Die Befreiung von dem „falschen Regelzwang“ ging diesmal thatsächlich von den germanischen Stämmen aus, namentlich von England, wo Shakespeare als Bahnbrecher gewirkt und der neue Geist besonders in der Gartenkunst zum Durchbruch kam. Inzwischen hatte das N. eine beständige Vertiefung durch die steigende Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit alles Geschehens gewonnen: Kopernikus, Kepler, Newton und Herschel hatten die Wirksamkeit der irdischen Naturgesetze bis in die fernsten Himmelsräume dargethan; ein innerer Zusammenhang zwischen Bodenbildung, Klima, Pflanzen-, Tier- und Menschenleben drängte sich ins Bewußtsein, und wenn auch die romantische Schule nochmals eine märchenhafte, unheimliche Naturbelebung heraufbeschwor, die in der zeitgenössischen Philosophie ihren Widerhall weckte, so wurde diesen Auswüchsen durch das Gewicht Goethes und A. v. Humboldts bald wieder der Boden entzogen, während durch Darwin die Erkenntnis des Zusammenhangs alles Lebens unter sich und mit der Umgebung angebahnt wurde. Vgl. Humboldt, Kosmos, Bd. 2; Biese, Die Entwickelung des Naturgefühls bei den Griechen und Römern (Kiel 1882–84, 2 Bde.); Derselbe, Die Entwickelung des Naturgefühls im Mittelalter und in der Neuzeit (Leipz. 1888).
Naturgeschichte, Geschichte der Natur, Geschichte des Welt- und Erdganzen sowie aller einzelnen Formen und deren Veränderungen. In diesem Sinn begreift N. den Inhalt der gesamten Naturwissenschaften. Die Geschichte des Weltganzen umfaßt die kosmische Physik, die Astronomie und die Astrognosie. Die Erdgeschichte ist zunächst Geologie oder Geschichte des Erdkörpers selbst mit seiner Atmosphäre, als solche ein Teil der Geschichte des Kosmos; der Geologie sind untergeordnet: die Geognosie, die Mineralogie und die Paläontologie. Diese bietet das Material zur Geschichte der Organismen auf der Erde. Ein Teil der Erdgeschichte ist ferner die Geographie, die Klimatologie oder Meteorologie, die Hydrographie. Für die Pflanzen- und Tiergeschichte bietet die Paläontologie ein freilich sehr unvollständiges Material. Die Pflanzenkunde (Botanik) wie die Tierkunde (Zoologie) zerfallen zunächst in Morphologie und Physiologie. Ein Teil der Morphologie ist die Histologie oder Gewebelehre, ein andrer beschäftigt sich mit der Entwickelungsgeschichte und vergleichenden Anatomie. Auf Morphologie und Physiologie soll sich die systematische Botanik und Zoologie, d. h. die Wissenschaft von den Verwandtschaftsverhältnissen der Lebewesen, gründen. Die Chorologie der Lebewesen (Pflanzen- und Tiergeographie) verbindet diese Disziplinen einesteils mit der Paläophytologie und Paläozoologie sowie anderseits mit der Klimatologie und kosmischen Physik. Die menschliche, oft sehr anmaßend „Weltgeschichte“ genannte Geschichte ist nur ein sehr kleiner Teil der Erdgeschichte und die menschliche Geographie, welche in politische Geographie u. Ethnographie oder Völkerlehre zerfällt, nur ein Teil der allgemeinen Chorologie der Lebewesen. Die wahre Menschengeschichte würde nicht eine bloße chronologische Darstellung von Schlachten und Umwälzungen und allerlei Thaten der Feldherren, Fürsten und Eroberer, sondern eine Untersuchung der Entstehung des Menschengeschlechts auf der Erde, ihrer Wanderungen, der Entstehung der verschiedenen Rassen und Völkerstämme, ihrer Sprachen und Religionen, ihrer kulturellen Weiterentwickelung und ihrer Schicksale darzustellen haben. Eine solche Behandlung läßt die Menschengeschichte als einen Zweig der N. erscheinen. – Unter N. versteht man auch die beschreibende Naturwissenschaft. Die bloße Unterscheidung der Naturkörper nach äußern Merkmalen, Systematik im frühern Sinn des Wortes, ist zwar für die Kenntnisnahme u. Übersicht durchaus notwendig, aber doch nur von propädeutischem, also sehr untergeordnetem Werte. Den Namen N. verdient sie jedenfalls nicht. Die Entwickelung der Naturwissenschaft gehört unserm Jahrhundert an. Die alten Griechen hatten, mit Ausnahme des Empedokles und Anaxagoras, welche auf dem richtigen Weg der mechanischen Naturanschauung waren, noch eine teleologische, d. h. nach Zweckbegriffen ordnende, Weltansicht. Aristoteles ordnete mit logischem Scharfsinn das naturwissenschaftliche Material und fügte zahlreiche eigne Beobachtungen hinzu; Dioskorides und Theophrast lieferten Werke über die Pflanzenwelt, welche uns als Quellen für die Pflanzenkenntnis der Alten unentbehrlich sind; Strabon bearbeitete vortrefflich die geographischen Kenntnisse der Alten. Während durch Baco, Descartes, Leibniz, Hume und Kant das wissenschaftliche Denken und Forschen allmählich auf die gegenwärtige Stufe der Ausbildung erhoben wurde, brachen Tycho Brahe, Kepler, Galilei, Newton, Laplace und in unserer Zeit Darwin einer neuen Weltanschauung Bahn. Linné ordnete das systematische Material („Vollständiges Natursystem“, nach der 12. lat. Ausg., Nürnb. 1773–76, 9 Bde.) in genialer, meist noch jetzt unentbehrlicher Form. Die eigentliche N. faßte Bronn zusammen („Handbuch einer Geschichte der Natur“, Stuttg. 1841–49, 3 Bde.). Die großartigste Zusammenfassung des den Weltbau betreffenden Materials verdanken wir Alexander v. Humboldt („Kosmos, Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“, Stuttg. 1845–62, 5 Bde.). Für eine Orientierung über die Formen der Organismen ist J. Leunis, „Die Synopsis der drei Naturreiche“ (neu bearb. von Ludwig, Lüerssen u. Senft, 3. Aufl., Hann. 1883 ff.) zu empfehlen. Jede Universität, ja fast jede größere Stadt hat eine naturforschende Gesellschaft, die selbständig oder als Sektion einer wissenschaftlichen Akademie wirkt. Diese geben fast alle regelmäßig oder zwanglos erscheinende Abhandlungen heraus. Seit 1665 erscheinen die „Transactions of the Royal Society of London“, seit 1666 die „Mémoires de la Société d’histoire naturelle de Paris“, seit 1670 die „Veröffentlichungen der kaiserlichen Leopoldinisch-Karolinischen Akademie der Naturforscher“. Von den Zeitschriften neuern Datums sind in erster Linie zu nennen Monats- und Vierteljahrsschriften der verschiedenen Universitäten, Akademien, Institute und Vereine, deren Zahl Legion ist, so daß bloß referierende und sammelnde Organe für die einzelnen Disziplinen mehr und mehr Bedürfnis geworden sind. Die letztern haben ihre besondern Fachzeitschriften (vgl. die betreff. Artikel).
Naturgesetz, s. Naturforschung.
Naturgravierung, s. Photogalvanographie.
Naturheilkunde, die Lehre von der Heilung der Krankheiten ohne ärztliches Zuthun. Die N. ist in ihren Theorien wie in ihrem Handeln außerhalb der Fortschritte der Naturwissenschaften entstanden, sie basiert also zum Teil auf den Erfahrungen, die ein offener Blick und ein gesundes Auge täglich machen kann, daß nämlich viele Krankheiten von selbst, d. h. ohne Medizin, heilen, zum Teil auf den populär gewordenen Anschauungen, welche die Medizin in jahrtausendalter Entwickelung erworben hat. Die Krankheitsursachen sind danach: „Unreinigkeiten und
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0012.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2022)