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Seite:Meyers b12 s0014.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

der N. von Baco von Verulam bis auf unsre Zeit (Leipz. 1841–46, 2 Bde.); Wundt, Über den Einfluß der Philosophie auf die Erfahrungswissenschaften (das. 1876); Fr. Schultze, Philosophie der Naturwissenschaft (das. 1881–82, 2 Bde.).

Naturrecht, s. Vernunftrecht.

Naturreiche. Früher pflegte man die Naturkörper allgemein in drei Abteilungen (Mineral-, Pflanzen- und Tierreich) zu ordnen; jetzt trennt man zunächst die Anorganismen oder unbelebten Körper von den Organismen oder Lebewesen. Nur den letztern kommt Ernährung und Fortpflanzung zu. Die Organismen trennte man sonst in Pflanzen und Tiere, von denen sich die letztern hauptsächlich durch willkürliches Bewegungsvermögen und Zentralisation des Empfindungsapparats sowie der physischen Fähigkeiten unterscheiden; doch werden besonders in den niedern Regionen fast alle Trennungsschranken hinfällig, und neuere Naturforscher, namentlich Häckel, haben sich veranlaßt gesehen, ein eignes neutrales Reich der Protisten oder Urwesen aufzustellen, um dem ewigen Streit, ob ein bestimmter niederer Organismus zu den Pflanzen oder Tieren zu rechnen sei, aus dem Weg zu gehen.

Naturreligion (wohl zu unterscheiden von natürlicher Religion) nennt man in erster Linie im Gegensatz zur Kulturreligion die Religion der sogen. Naturvölker, welche noch keine wirkliche Geschichte haben. Da keins dieser Völker mehr den wirklichen Urzustand der Menschheit veranschaulicht, ihr gegenwärtiger Zustand vielmehr häufig als Entartung und Verwilderung erscheint, so sind die Untersuchungen über die unzähligen Formen der N. mit großen Schwierigkeiten verknüpft. In zweiter Linie aber und im Gegensatz zur ethischen Religion muß der Komplex aller vorzugsweise mythologischen Religionen als N. bezeichnet werden. Ihr Geheimnis besteht im Mythus, d. h. in dichterischer Personifikation der Naturkräfte und darauf beruhender Dramatisierung der Naturvorgänge, insonderheit der Himmelserscheinungen. Erst die ethische Religion erhebt diese Vorgänge und jene Kräfte in den Bereich des Geistes, indem sie die Figuren der Mythologie zu Vertretern sittlicher Mächte und das sich ergebende Drama zu einer Darstellung der sittlichen Grunderfahrungen der Menschen, ja der Menschheitsgeschichte selbst unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit der ihr gestellten sittlichen Aufgaben umbildet. Alle N. ist bedingt durch den lokalen Gesichtspunkt, von welchem aus die Naturkräfte und Erscheinungen in Sicht genommen werden; sie umfaßt daher polydämonistisch-magische Stammreligionen und polytheistische Volksreligionen; alle ethischen Religionen schreiten in ihrer Entwickelung über die Volks- und Sprachgrenzen hinweg, weil sie in unvermeidlichen Erlebnissen des persönlichen Bewußtseins wurzeln und die wahren Güter des persönlichen Lebens schützen wollen. Beide Stufen der Religion sind in fließendem Übergang begriffen, und die N. setzt sich bis zu einem gewissen Grad auch in jede ethische Religion hinein fort.

Naturselbstdruck (Physiotypie, Autoplastik), von Auer zuerst gepflegte Kunst, von Gegenständen der Natur oder Industrie mittels des Originals selbst Druckformen herzustellen. Man legt den abzuformenden Gegenstand (Blätter, getrocknete Pflanzen, Gewebe, Insekten, Abdrücke fossiler Pflanzen oder Tiere, polierte und angeätzte Steine etc.) zwischen eine polierte Stahl- oder Kupferplatte und ein etwa 2 mm starkes Bleiblech und läßt das Ganze unter einem Druck von 800–1000 Ztr. zwischen zwei Walzen hindurchgehen. Die Struktur des abgeformten Gegenstandes prägt sich hierbei auf das genaueste in dem Blei ab, und man erhält durch Galvanoplastik leicht eine zum Druck geeignete Platte. Die damit auf der Kupferdruckpresse angefertigten Abzüge geben den Gegenstand naturgetreu wieder. Man überträgt auch von der Bleiplatte oder von der galvanoplastisch erzeugten Tiefplatte mittels der Kupferdruckpresse einen Abdruck auf eine rein polierte Zinkplatte und ätzt diese so lange, bis der durch das Fett der Farbe geschützte Abdruck erhaben hervortritt. Solche Platten liefern auf der Buchdruckpresse Abdrücke, die den besten des Kupferdrucks sehr nahe kommen und sich namentlich auch zur photographischen Aufnahme in mäßiger Verkleinerung vortrefflich eignen. Das immerhin kostspielige Verfahren hat bis jetzt in die allgemeine Praxis noch wenig Eingang gefunden. Vgl. Auer, Der N. (Wien 1854).

Naturspiel (Lusus naturae), ältere Bezeichnung mancher auffallenden Erscheinungen, die man sich nicht erklären konnte, z. B. eigentümlich gewachsene Pflanzen, besonders aber sonderbar gestaltete Gesteine (Konkretionen etc.). Auch die Versteinerungen wurden, ehe man sie richtig zu deuten verstand, als Naturspiele aufgefaßt.

Naturstand, derjenige Zustand des Menschen, bei dem er in keiner gesellschaftlichen oder bürgerlichen Ordnung lebt, also auch keinen Rechtsschutz hat und behufs der Verteidigung seiner Rechte lediglich an seine eignen Kräfte gewiesen ist; in der Dogmatik der sittliche Zustand des Menschen, wie er, abgesehen von der göttlichen Gnade, lediglich aus den natürlichen Kräften des Menschen resultiert.

Naturtöne, diejenigen Töne der Blasinstrumente, welche ohne Verkürzung oder Verlängerung der Schallröhre nur durch veränderte Art des Anblasens hervorgebracht werden, die Eigentöne des Rohrs, d. h. sämtliche Aliquottöne (s. d.) des tiefsten (aber nicht bei allen Blasinstrumenten ansprechenden) Tons, bei der Klarinette und ihren Verwandten (den quintierenden Instrumenten) aber nur die geradzahligen.

Naturtrieb, die Gesamtheit der Kräfte, welche einem Naturkörper innewohnen und seine Bewegungen und Veränderungen, seine Lebensweise und schließlich sein Schicksal bestimmen. Im engern Sinn des Wortes spricht man vom N. bei den Organismen, wo die Komplikation der gleichzeitig wirkenden Kräfte sehr groß ist und man daher eines einfachen Wortes zur Bezeichnung der gesamten verwickelten Vorgänge bedarf. Insofern die Formen der Organismen von solchen Kräften und deren Ineinandergreifen abhängen, hat Blumenbach für die Gruppe der formgestaltenden Kräfte das Wort Bildungstrieb (s. d.) eingeführt. Bei Tieren und Menschen versteht man unter N. auch den nach dem Gesetz der Gewohnheit oder des Nachahmungstriebes (s. d.) verstärkten Hang, gewisse Handlungen zu verrichten. Eine Handlung, die wir schon einmal ausgeführt haben, wird uns beim zweitenmal leichter, weil die Muskeln und Nerven durch den Gebrauch in der entsprechenden Richtung ernährt und gestärkt werden. Auf N. in diesem Sinn des Wortes sind die Instinkte der Tiere und alle unsre Kunstfertigkeiten und Geschicklichkeiten, das Auswendiglernen, mit Einem Wort alle physischen und alle geistigen Fertigkeiten zurückzuführen. Auf künstlicher Regelung der Naturtriebe beruht die Möglichkeit der Abrichtung, des Unterrichts und der Erziehung.

Naturwissenschaft, s. Naturgeschichte und Naturforschung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0014.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)
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