verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
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einem Schwein bestehen sie vornehmlich aus Beuteltieren. Neuseeland hatte ursprünglich weder die letztern noch das Schwein, dafür aber eine Otternart (Waitoreka), die erst vor kurzem entdeckt wurde. In Polynesien fehlten ursprünglich Säugetiere, außer Fledermäusen, gänzlich; dieselben reichen im Osten bis Hawai und Tonga, die Beuteltiere, von denen neun Neuguinea angehören, nur bis zu den Salomoninseln. Viel reicher ist die Vogelwelt, ausgezeichnet durch die auf Neuguinea beschränkten prächtigen Paradiesvögel und den merkwürdigen, aber bereits dem Erlöschen nahen Kiwi auf Neuseeland, während die Dinornis-Arten längst ausgerottet sind. Von Papageien zählt man gegen 100 Arten, davon über die Hälfte in Neuguinea, von Tauben mehr als 60 Arten, beide weitverbreitet. Auf den Westen beschränkt sind aber Kasuar, Talegalla, Megapodius u. a. Schlangen finden sich am meisten in Neuguinea und nicht südlicher als auf den Neuen Hebriden und nicht östlicher als auf der Tongagruppe. Sehr selten sind Frösche, Eidechsen dagegen weit verbreitet, doch geht das Krokodil östlich nicht über Neubritannien hinaus. An Insekten ist Neuguinea sehr reich, weit ärmer das südliche Melanesien und Neuseeland, und die östlichern und die nördlichern Archipele sind auffallend arm. Schädliche Tiere sind, mit Ausnahme einer Giftspinne in Neukaledonien, kleiner Skorpione und Moskitos, auf das Meer beschränkt, das allein um Neukaledonien sechs giftige Fischarten beherbergt, dafür aber auch eine Reihe für den Menschen sehr nützlicher Tiere aufweist, wie Potwal, Dugong, Schildkröte, Holothurien, Perlmuscheln u. a.; um Neuseeland findet sich auch der echte Walfisch.
(Hierzu die Tafel „Ozeanische Völker“.)
Die Bewohner Ozeaniens werden gewöhnlich in zwei Gruppen gesondert: Melanesier und Polynesier; beiden ist aber eine Summe von ethnographischen Merkmalen gemeinsam, so daß sie trotz ziemlich bedeutender Rassenunterschiede einem einzigen ethnographischen Gebiet angehören. Die Polynesier, denen man auch die Mikronesier zuzurechnen hat, welch letztere Peschel als Mischlinge von Polynesiern und Papua bezeichnet, während sie nach Finsch von den erstern nicht mehr abweichen als Schwaben von Norddeutschen, haben als hervorragendste äußere Merkmale eine in vorwiegend hellen Abstufungen braune Haut und schwarzes, schlichtes bis lockiges Haar. Der Bartwuchs ist bei straffem Haar schwach, bei lockigem stärker. Die vorwaltende Brachykephalie wird in vielen Fällen durch künstliche Verunstaltung erhöht; die niedrige, aber meist gut gebildete Stirn bedingt nicht selten einen Gesichtswinkel von europäischer Größe, die Nase ist öfter abgeplattet als gebogen, letztere Form aber bei Maori, Rotumahinsulanern und Tonganern häufig; die kleinen lebhaften Augen sind horizontal gestellt, die Backenknochen springen mehr nach vorn als nach der Seite vor, die Lippen sind dick, der Mund aber sonst wohlgebildet, das Kinn weicht bisweilen negerartig zurück. Hinsichtlich der Körpergröße nehmen die Polynesier einen mittlern Stand ein; eine sehr starke Rasse sind sie nicht, ihre Sinne aber sind außerordentlich scharf, und ihre geistige Begabung ist nicht gering. Die Beurteilung ihres Charakters durch die mit ihnen in Berührung gekommenen Europäer ist eine außerordentlich verschiedene gewesen; sie sind so recht ein Volk der Widersprüche und durchaus unberechenbar. Zwei bei den Polynesiern allgemeine Gebräuche sind sehr bezeichnend für ihre geistige Physiognomie, dies sind Menschenopfer in Verbindung mit Menschenfresserei und Kindesmord, die beide vor der europäischen Zeit in ausgedehntem Maß geübt wurden. Menschenopfer schlossen sich an die Totenfeste an, sie wurden von den Priestern beim Bau von Tempeln gefordert, auch beim Bau von Kriegskanoes, vor Beginn des Kriegs u. a. Kindesmord war in dem vorchristlichen Polynesien eine der anerkanntesten Institutionen, doch war das neugeborne Kind dem Tod entronnen, sobald es auch nur einige Minuten gelebt hatte. Namentlich wurden Mädchen ermordet. Beide Gebräuche waren, als die Europäer hierher kamen, auf einigen Inselgruppen längst ausgestorben, auf andern im Erlöschen begriffen, ein Beweis, daß hier ein Prozeß spontaner Selbsterziehung vor sich ging. Überhaupt haben die Polynesier eine Erziehungsfähigkeit gezeigt wie selten ein sogen. Naturvolk. Die Mission konnte nirgends so früh wie hier zur Aussendung eingeborner Lehrer übergehen, so daß die Christianisierung Polynesiens zum großen Teil von Eingebornen bewirkt wurde, die ihre Jugend noch im Heidentum verbracht hatten. Die christliche Religion hat sich mit einer beispiellosen Schnelligkeit über ganze Gruppen verbreitet; dabei sind die Eingebornengemeinden schon früh selbständig geworden, ja es haben sich bei ihnen sogar selbständige christliche Sekten gebildet. In den Polynesiern haben wir kein stillstehendes Volk vor uns, vielmehr gewahren wir schon bei ihrem ersten Bekanntwerden eine Bewegung von kulturgeschichtlichem Inhalt. Unleugbar ist in ihrer Religion eine mächtige götterschaffende Triebkraft erkennbar. Aus den großen einfachen Bildern des Meers, der Inseln, der Halbkugel des Firmaments, die überall auf dem Meer aufruht, von ihrem Hinausgewiesensein aufs Meer, ihrem Bedürfnis der Orientierung durch Sonne, Mond und Sterne schöpften die Polynesier vor allem die Anregung zur schärfern Beobachtung der Himmelserscheinungen und zur Schaffung kosmogonischer Vorstellungen, so daß wir hier von einem Sagen- und Glaubenskreis der Sonne, des Mondes und der Sterne reden dürfen. Die häufigen Wanderungen von Insel zu Insel, der Verkehr in Frieden und Krieg schufen mit der Zeit eine gewisse Summe von Kenntnissen über die Welt, in der sie lebten, wenn auch dieser Wissenskreis immer ein beschränkter blieb. Das Wissen der Polynesier erstreckte sich auf Mythologie, geschichtliche Überlieferung, Sternkunde und ein wenig Heilkunde. Ein Teil dieses Schatzes wurde geheimgehalten und befand sich im ausschließlichen Besitz der Priester. Neben der heiligen gab es auch eine profane Tradition, deren Träger sogar in die untersten Schichten der Gesellschaft eingereiht wurden. Die Maori hatten Holzstäbe mit Einkerbungen als Geschichtstafeln, an denen die bedeutenden Namen durch besondere Verzierungen ausgezeichnet waren. In der Heilkunde nahm unter den rationellen Behandlungsweisen das Kneten die erste Stelle ein. Die Polynesier besitzen Zahlwörter, die bis 400,000 gehen; 5 und 10 bilden die natürlichen Abschnitte. Zur Erleichterung des Zählens hatte man in Hawai Schnüre mit Knoten, in Tahiti Bündel von Kokosblattstreifen, in Neuseeland Kerbstäbe. Die Zeit berechnete man nach dem Mond; in Tahiti hatte man 14, in Neuseeland 13 Monate. Doch wurde das Jahr auch nach dem Erscheinen und Verschwinden der Plejaden auf 6 Monate berechnet. Man rechnete ferner nach Generationen; in Rarotonga geht diese Zahlung um 29, in Mangarewa um 27 Generationen zurück. Gesang und Tanz füllen einen großen Teil des Lebens der Polynesier aus.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0584.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)