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Seite:Meyers b12 s0585.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

Sie lieben besonders Wechselgesänge, in denen Chöre mit den Liedern einzelner abwechseln. Der Charakter dieser Gesänge ist nicht heiter, die Melodien aber sind einfach und angenehm; für Silbenmaß und gelegentlich für Reim haben die Polynesier entschieden Sinn. Bei den Tänzen, die ebenso wie die sehr beliebten Wettkämpfe, Kriegs- und Waffenspiele leidenschaftlich gepflegt wurden, fehlten Obscönitäten leider nicht. Unter ihren zahlreichen Spielen, zum großen Teil Glücksspielen, ist besonders ein Brettspiel mit 238 Feldern merkwürdig. Hinsichtlich der Kleidung unterscheiden sich die Polynesier von den Melanesiern dadurch, daß die letztern sehr dürftig oder gar nicht bekleidet sind, während die erstern schon einen gewissen Luxus in der Kleidung entfalten. Ihre Rindenstoffe (Tapa) und ihre Matten gehören zu ihrem zahlreichsten und wertvollsten Besitz; die letztern spielten in einigen Gegenden geradezu die Rolle eines Tauschartikels. Schmuck lieben alle Polynesier sehr; Halsbänder aus Muscheln, Früchten und Holzstäbchen, Ohrgehänge, Stirnreife, Mützen und Helme aus kostbaren Federn (ein solcher Kopfschmuck der Königin Kekauluohi von Hawai wurde auf 250 Pfd. Sterl. geschätzt), Kämme, mit Federn u. a. verziert, waren die beliebtesten Schmuckgegenstände. Aus religiösen Anschauungen ging wohl die Tättowierung hervor, denn sie wurde hauptsächlich vom Priester unter Gebeten und Gesängen geübt und sank nur in Teilen Mikronesiens zum bloßen Schmuck herab. Auf den Gesellschaftsinseln, den Tuamotu, Markesas, den Karolinen liegt noch die Bedeutung des Standesunterschiedes in der Tättowierung. Die Waffen und Geräte zeigen einen Reichtum und eine Mannigfaltigkeit, die überraschend sind, um so mehr, als Steine, Knochen und Muschelschalen die fehlenden Metalle ersetzen mußten. Bemerkenswert sind zunächst die überall gefundenen Steinbeile, nur die mikronesischen Beile hatten Klingen aus Muscheln. Diese Beile dienten als Arbeitsgerät wie als Waffen, die Hauptwaffe aber war der Speer mit durch Brand gehärteter Spitze oder durch Steinklingen, Knochensplitter oder, wie die Holzschwerter, mit Haifischzähnen u. dgl. bewehrt. Daneben gibt es Keulen aus schwerem Eichenholz, die oft auf das allerreichste verziert werden und häufig als Zeichen hohen Ranges dienen, bei einigen Polynesiern, aber nie bei Mikronesiern Bogen und Pfeil. Als Schutzwaffen hatte man Helme und Rüstungen aus Kokosfasern. Der Ackerbau war immer hoch entwickelt, auf der dürftigen Osterinsel wurde er nicht minder gepflegt als auf dem reichen Tahiti. Dagegen wird in Mikronesien, wo die Fischerei vielfach vorwiegt, Landbau nur auf den größern Inseln getrieben. Die Felder wurden umzäunt, Terrassen mit künstlich aufgehäufter Erde an steilen Abhängen angelegt, Bewässerungsanlagen gemacht, Schattenbäume und Zierblumen gepflanzt. In der Viehzucht steht obenan das Schwein, das in Tahiti von Frauen, die ihre Kinder verloren hatten, sogar gesäugt wurde, aber nur Speise der Vornehmen war, dann der Hund, den man gleichfalls mästete, und Hühner. Jagd konnte bei dem Fehlen großer Landtiere naturgemäß nur in beschränktem Maß betrieben werden, ebenso naturgemäß verwendete man viel Sorgfalt auf die Fischerei, der die vollkommensten Werkzeuge dienen, welche die Polynesier überhaupt besitzen. Sie verfertigen Netze von ungeheurer Größe sowie kunstvoll gearbeitete Angelschnüre und Angelhaken. Daraus ergibt sich die Beschaffenheit der Nahrung, bei welcher Erzeugnisse des Pflanzenreichs und Ergebnisse des Fischfanges allen andern voranstehen. Unter den erstern sind die Brotfrucht, dann Taro, Yams, Batate weitaus die wichtigsten; auf den Niedrigen Inseln bildet die Kokosnuß die Hauptnahrung. Aus dem Taromehl bereitete man das säuerliche Poi, das sich lange aufbewahren ließ und darum auf Reisen mitgenommen wurde. Fett war sehr beliebt, in Neuseeland wurden sogar angefaulte, gestrandete Walfische gegessen. Irdene oder metallene Gefäße zum Kochen der Speisen besaßen die Polynesier nicht; sie dämpften die Speisen in Gruben, welche mit heißen Steinen gefüllt und dann geschlossen wurden. An den meisten Orten dürfen Männer und Frauen nicht zusammen essen. Das einzige, aber fast allgemein verbreitete Genußmittel war die Kawa (Awa), der gegorne Saft aus den gekauten Wurzeln des Piper methysticum, in Mikronesien auch Palmwein. Die viereckigen, langen und niedrigen Häuser bestanden aus Pfählen mit Rohr- und Matteneinsätzen, die Pfosten wurden oft reich verziert; Steinbauten finden sich sehr selten. Bei den mikronesischen Dörfern waren die Straßen sorgfältig gepflastert und zogen sich oft meilenweit hin. In der Gewerbthätigkeit stehen die Mikronesier den Polynesiern voran; sie sind beide gute Holzschnitzer, bauen schöne und große Kanoes, fertigen Schalen für die Kawa u. a. und alles dies früher nur mit Werkzeugen aus Stein und Muschel. In Zubereitung von Kleiderstoffen aus Baumrinde, Tapa, und Färben und Bedrucken derselben, ebenso im Flechten von Matten zeigten sie viel Geschick. In Mikronesien hat man auch aus Stein, Glasscherben, Perlmutter, Porzellanscherben gefertigtes Geld. Im Familienleben ordnen sich die Interessen des Einzelnen denen des Stammes unter. Die Hauptabschnitte im Leben der Kinder erhielten religiöse Weihe, aber auf ihre Erhaltung wurde ein sehr geringer Wert gelegt. Das hängt auch damit zusammen, daß das Band der Ehe ein sehr lockeres ist und mit der größten Leichtigkeit gelöst werden kann. Auf den Palauinseln bestehen sogar öffentliche Freudenhäuser. Die Vornehmen lebten fast überall in Polygamie, doch war das Los der Frauen kein drückendes; den Männern fiel die meiste Arbeit zu, allein die Achtung, welche das weibliche Geschlecht genoß, war eine sehr geringe. Im Erben gilt das Recht der weiblichen Linie, das Mutterrecht. Die politischen Einrichtungen waren, als die Europäer nach Polynesien kamen, bereits im Verfall. Das Volk zerfiel in Häuptlinge, Freie und Sklaven; eine schroffe Grenze trennte die beiden ersten, die tabuierten, von den letzten, den nichttabuierten. Die Häuptlinge hatten zwar meist despotische Gewalt, dennoch fehlte nirgends eine repräsentative Vermittelung zwischen Fürsten und Volk. Der Fürst war Herr und Hohepriester seines Volkes, aber nicht immer Kriegsherr; es gab daher zwei Spitzen des Staats. Der Fürst hatte gewisse äußere Abzeichen, er war Träger des „Tabu“, einer göttlichen Kraft, die alle Dinge, in denen sie lag, dem Gebrauch der Menschen entzog. Auch konnte das Tabu auf alles übrige nach dem Belieben des Begabten schon durch Berührung übertragen werden. Die Polynesier lebten auf beständigem Kriegsfuß miteinander, in diesen Kriegen zeichneten sie sich mehr durch List als durch Kühnheit aus. Die erlegten Feinde wurden häufig verzehrt. Als Friedenszeichen galten grüne Zweige, wirksamster Friedensgruß war das Nasenreiben. Die religiösen Vorstellungen waren, als die Missionäre den christlichen Glauben hier zu verbreiten suchten, bereits im Verfall; den obern Göttern zollte man bereits wenig oder keine Verehrung mehr, an ihre Stelle

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0585.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)
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