verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
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waren die aus den Seelen verstorbener Vornehmer hervorgegangenen Tiki oder Tii getreten, welche in der Unterwelt (Po) zu wirklichen Göttern wurden. Die Bilder der Götter genossen ebenso wie Gegenstände aus der Natur nur als zeitweilige Aufenthaltsorte der Götter Verehrung. Die Priester, welche keine geschlossene Kaste bildeten, vielmehr sich aus den Vornehmen rekrutierten, waren zugleich Ärzte, Bewahrer alles Wissens und häufig als Staatsmänner hochgeachtet. Opfer, bei besondern Gelegenheiten Menschenopfer, wurden häufig gebracht. Die Bestattung war bei Vornehmen mit großen Feierlichkeiten verbunden, und die Begräbnisstätten vertraten oft die Stelle der Tempel; auf den mit Mauern eingefaßten und mit behauenen Steinen belegten Flächen erhoben sich Götterbilder, Altäre, Priesterhäuser. Über die Sprachen der Polynesier s. Malaiisch-polynesische Sprachen.
Bei der ersten Begegnung der Polynesier mit Europäern zeigten die erstern eine entschiedene Zuneigung zu den neuen Ankömmlingen. Leider waren dies anfangs sehr fragwürdige Elemente (entlaufene Verbrecher, Matrosen), die einen höchst nachteiligen Einfluß auf die ohnehin auf manchen Inseln bereits moralisch gesunkenen Bewohner ausübten. So hatten die Missionäre, welche zuerst auf Tahiti und später auch auf andern Gruppen sich niederließen, eine nicht leichte Arbeit. Indessen ist es ihnen gelungen, fast überall das Heidentum durch die christliche Religion und christliche Sitte zu ersetzen. Allerdings waren die Bestrebungen der Mission, der englischen und amerikanischen protestantischen wie der französischen katholischen, auch nicht frei von unlautern Motiven. Die Streitigkeiten zwischen den Vertretern beider Religionsparteien, insbesondere die ausgesprochene Absicht der katholischen Missionäre, das protestantische Missionswerk zu zerstören, führte zur Besitznahme Tahitis und der Markesas durch Frankreich, das in der Folge seinen Besitzstand durch Annektierung andrer Inselgruppen noch erweiterte. Sonst haben noch England (Neuseeland und kleine Inseln), Spanien (Marianen und Karolinen) und Deutschland (Marshallinseln) in den polynesischen und mikronesischen Inselgebieten Besitz.
Die Melanesier bewohnen die Inselgruppen, welche oben bezeichnet worden sind. Von den Polynesiern unterscheiden sie sich körperlich sehr bedeutend, wie die polynesischen Kolonien, welche sich auf melanesischem Gebiet auf Inseln des Fidschi-Archipels, der Neuen Hebriden, auf Malaita (Salomoninseln), an der Südspitze von Neuguinea und am Flyfluß sowie auf Mortlock und Nukuor (Karolinen) befinden, ganz deutlich beweisen. Ob sie ethnologisch mit den Negrito auf den indischen Inseln in Zusammenhang stehen, ist unsicher; näher schon stehen sie den Bewohnern des Australkontinents, obschon zwischen beiden erhebliche Unterschiede in der Körperbildung, den Sprachen und dem Kulturzustand sich finden. Ein geistiger Zusammenhang aber besteht unverkennbar zwischen Melanesiern und Polynesiern, wie eine genauere Kenntnis ihrer Sprachen sowie ihrer politischen und religiösen Ansichten beweist. Wie unter den polynesischen Völkern, so bestehen unter den melanesischen sehr große Unterschiede, nur sind diese Unterschiede hier noch bedeutender. Was ihre körperliche Bildung anlangt, so erscheinen sie bald stark und wohlgebaut, bald schwächlich und elend, im allgemeinen von mittlerer Größe und häßlich; das Abstoßende des Gesichtsausdrucks wird noch durch das ihnen eigne Mißtrauen und durch Wildheit erhöht. Meist ist der Schädel von der Nasenwurzel an mehr rückwärts gebogen, die Stirn ist schmal, oft fast viereckig und beinahe abgeplattet, die Augen sind dunkel und tiefliegend, die Nase ist gewöhnlich flach und breit, die Backenknochen stehen hervor, der Mund ist breit und groß, die Lippen sind dick, die obere Kinnlade ragt manchmal über die untere vor. Die Haare sind schwarz und kraus, aber gleichmäßig und nicht, wie man früher annahm, büschelförmig über den Schädel verteilt. Die Hautfarbe ist gewöhnlich ein schmutziges Dunkelkupferbraun, doch kommen auch hellere Farbentöne vor. Was ihren Charakter anlangt, so erscheinen sie impulsiver, geräuschvoller und gewaltthätiger als die Polynesier. Sie wissen vortrefflich ihre Gefühle zu verbergen, um ihnen später, namentlich wo es sich um Racheakte handelt, desto freiern Lauf zu lassen. Diebstahl üben sie meist nur an Fremden. Von vielen Lastern, die den Polynesiern anhaften, sind sie aber verhältnismäßig frei. Ihre geistigen Fähigkeiten sind weit höher, als man früher anzunehmen geneigt war. Eine beträchtliche poetische Begabung läßt sich nicht leugnen; namentlich die Fidschianer zeigen eine solche in ihren Meke, in denen Gesang und Tanz verbunden sind, die beide mit den polynesischen übereinstimmen. Auch in Bezug auf Zeitrechnung und Himmelsbeobachtung verfügen die Melanesier über dieselben Kenntnisse wie die Polynesier. Die Bekleidung der Melanesier ist von sehr dürftiger Beschaffenheit; um so reicher und mannigfaltiger ist ihr Schmuck. Die Tättowierung schließt sich mehr dem australischen Typus der Hautnarben als dem polynesischen der Punktierung an; auch wird die Haut mit schwarzer, roter und weißer Farbe bemalt. Der Schmuck besteht vornehmlich aus weißen Muscheln, die man an der Stirn trägt, in schweren Muschel- und Schildpattringen, durch welche die Ohrlappen weit ausgedehnt werden; noch mehr entstellt das Durchbohren der Nasenwand, in der man Holz, Steine und Zähne trägt. Um Hals, Arme und Beine trägt man Bänder mit den verschiedensten Gegenständen daran. Während das Körperhaar sorgfältig ausgerissen wird, behandelt man das Haupthaar mit Ätzkalk und Kohle, so daß es den Kopf bald als turbanähnlicher Wulst umgibt, bald in Form zahlreicher dünner Stränge und Büschel lang herabhängt. Neben den Haartrachten kommen Perücken und Kopfbedeckungen verschiedener Gattung vor. Die Wohnungen bestehen meist aus einem großen Dach aus Palmblättern oder Stroh, das auf niedrigen Pfeilern ruht. Die Häuser stehen am Boden oder auf Pfählen, im Trocknen oder im Wasser. Man findet Pfahlbauten im ganzen Gebiet; doch scheinen sie ihre größte Entwickelung auf Neuguinea zu haben. Allgemein sind große und sorgfältiger gebaute Gemeindehäuser, die auch als Tempel dienen und wie die Häuser der Häuptlinge nicht selten mit Schnitzwerk und Menschenschädeln geschmückt sind. In Neuguinea und in Isabel (Salomoninseln) findet man auch Baumdörfer, die man zur Sicherheit gegen feindliche Überfälle in den Wipfeln hoher Stämme angelegt hat. Landbau treiben einige melanesische Völker mit viel Sorgfalt und in ausgedehntem Maß, andre dagegen nur sehr wenig. Dagegen treiben sie Fischfang mit Netzen und Angelhaken mit viel Eifer; Schweine und Hühner ziehen sie meist für den Handel. Als Seefahrer stehen sie hinter den Polynesiern weit zurück; auch sind ihre Boote, obwohl sie im Bau denen der Polynesier entsprechen, viel plumper. Ganz ähnlich verhält es sich mit ihren Zeugen aus Baumrinde und ihren geflochtenen Matten; dagegen
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0586.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)