verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
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eigentümlichen phosphorigen Geruch (daher der Name) und durch viel stärkeres Oxydationsvermögen von gewöhnlichem Sauerstoff unterscheidet. Die Atmosphäre enthält nach Jahres- und Tageszeiten, klimatischen und lokalen Verhältnissen schwankende geringe Mengen O.; man kann dasselbe auch künstlich darstellen, doch gelingt es immer nur, Sauerstoff oder Luft mehr oder minder stark zu ozonisieren, niemals den Sauerstoff vollständig in O. umzuwandeln. Das O. läßt sich auch aus einem derartigen Gasgemisch nicht abscheiden, und reines O. ist daher noch nicht bekannt. Schönbein entdeckte das O. 1840 bei der elektrochemischen Zersetzung des Wassers, bei welcher der frei werdende Sauerstoff durch Ozongehalt einen eigentümlichen Geruch besitzt. Denselben Geruch bemerkt man auch in der Nähe einer thätigen Elektrisiermaschine (van Marum 1785), und wenn zahlreiche elektrische Funken durch Luft oder Sauerstoff schlagen. Seit dem Altertum kennt man den „Schwefelgeruch“, welchen ein Blitzstrahl in geschlossenen Räumen zurückläßt, und dieser Geruch ist ohne Zweifel auf O., gebildet durch den mächtigen elektrischen Funken, zurückzuführen. Elektrische Apparate benutzt man auch zur Darstellung von O. Das einfache Siemenssche Instrument besteht z. B. im wesentlichen aus zwei konzentrisch ineinander steckenden Glasröhren mit Stanniolbelegung der innern Röhre an der innern und der äußern Röhre an der äußern Wand. Die innere Röhre ist an einem Ende geschlossen und so in die äußere eingeschmolzen, daß ein Zwischenraum zwischen beiden bleibt, durch welchen man den zu ozonisierenden Sauerstoff leitet. Die äußere Röhre ist an einem Ende zu einem dünnen Ansatzrohr ausgezogen, ein ähnliches ist am andern angelötet. Bringt man nun die von den Polen eines Ruhmkorffschen Induktionsapparats ausgehenden Drähte mit dem Stanniolbelag der beiden Röhren in Verbindung, so beginnt der Zwischenraum zu leuchten, und der in ihm befindliche Sauerstoff wird ozonisiert. O. entsteht auch bei vielen chemischen Prozessen, z. B. wenn Phosphor halb unter Wasser an der Luft sich oxydiert, und vielleicht wird bei allen Oxydationsprozessen der Sauerstoff zunächst ozonisiert. So sind die Gase im äußern Mantel der Flamme einer Weingeistlampe oder eines Bunsenschen Brenners stark ozonhaltig, und wenn man ätherische Öle, wie Terpentinöl, Zitronenöl, Wacholderöl, in einer nur halb gefüllten Flasche, namentlich am Sonnenlicht, einige Zeit stehen läßt und öfters schüttelt, so werden sie stark ozonhaltig und wirken sehr kräftig oxydierend. Hierbei verläuft jedenfalls, wie beim Liegen des Phosphors an der Luft, ein Oxydationsprozeß; aber auffallenderweise wird mehr Sauerstoff ozonisiert, als sich unmittelbar mit dem Phosphor oder dem Öl verbindet. Manche sauerstoffreiche Verbindungen, wie die Superoxyde des Silbers, Baryums, Wasserstoffs, mangansaures, übermangansaures und überjodsaures Kali, entwickeln mit Schwefelsäure bei nicht erhöhter Temperatur ozonhaltigen Sauerstoff; man entdeckte O. endlich auch im Luftstrom einer Gebläsemaschine und fand den Ozongehalt der Atmosphäre bei starkem Wind erhöht.
Wenn Sauerstoff ozonisiert wird, verringert sich gleichzeitig sein Volumen (höchste erreichte Volumverminderung 10 Proz.); zerstört man dann das O. durch Erhitzen, so wird auch das ursprüngliche Volumen wiederhergestellt. Man hat ermittelt, daß O. gerade 1,5mal so dicht ist als gewöhnliches Sauerstoffgas, und daraus gefolgert, daß das Molekül des Ozons 3 Atome Sauerstoff enthalte, während das Molekül des gewöhnlichen Sauerstoffs zweiatomig ist. Bei −55° durch sehr schwache elektrische Entladungen stark ozonisierter Sauerstoff erscheint in etwa 1 m starker Schicht bläulich, und wenn man ihn stark komprimiert, wird er dunkelblau. O. scheint viel leichter komprimierbar zu sein als Sauerstoff, doch ist die Darstellung von flüssigem O. noch nicht gelungen. O. riecht eigentümlich durchdringend und so intensiv, daß es selbst in 500,000facher Verdünnung bemerkbar ist; beim Einatmen reizt es die Respirationsorgane ähnlich wie Chlor. 1 Liter Wasser löst bei Abwesenheit von Stickstoff 8 cbm O., doch wird dasselbe bei Berührung mit Wasser allmählich in gewöhnlichen Sauerstoff übergeführt. Bei gewöhnlicher Temperatur kann trocknes O. in Glasröhren sehr lange aufbewahrt werden, beim Erwärmen zersetzt es sich allmählich, und bei 237° verwandelt es sich fast augenblicklich in gewöhnlichen Sauerstoff. Ganz ähnlich wie die Wärme wirken Silberoxyd, Mangansuperoxyd und Glaspulver. O. wirkt, wie erwähnt, höchst energisch oxydierend auch schon bei gewöhnlicher Temperatur, meist aber nur bei Gegenwart von Wasser; es greift Quecksilber und Silber sehr energisch an, verwandelt Blei, Bleioxyd, Thalliumoxydul, Manganoxydul in Superoxyde, oxydiert Arsen zu Arsensäure, Schwefel, Schwefelwasserstoff zu Schwefelsäure, Schwefelmetalle zu Sulfaten, Ammoniak zu salpetriger Säure und Salpetersäure, Alkohol zu Aldehyd und Essigsäure; es macht aus Jodkalium Jod frei, welches durch seine eigne Farbe oder bei Gegenwart von Stärke durch Bildung von tief dunkelblauer Jodstärke erkennbar wird. Mit jodkaliumhaltigem Stärkekleister bestrichenes Papier dient daher zur Nachweisung des Ozons. Rotes Lackmuspapier, mit Jodkaliumlösung befeuchtet, wird durch O. infolge der Bildung von Ätzkali gebläut; frisch bereitete Guajaktinktur wird ebenfalls durch O. gebläut; Papier, mit schwefelsaurem Manganoxydul oder mit Thalliumoxydullösung getränkt, wird unter Bildung von höhern Oxydationsstufen gebräunt. Diese Reaktionen sind aber zum Nachweis von O. in der atmosphärischen Luft nicht brauchbar, weil sie auch durch stets vorhandenes Wasserstoffsuperoxyd, durch salpetrige Säure und Chlor hervorgebracht werden. Überdies sind die Angaben jener Reagenzien sehr stark von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft abhängig. Das einzige Mittel, O. von Wasserstoffsuperoxyd zu unterscheiden, ist metallisches Silber. O. zerstört organische Farbstoffe, namentlich auch Indigo, ebenso Fäulnisgase und Miasmen, überhaupt sehr viele organische Substanzen, während andre nur bis zu einem gewissen Punkt umgewandelt werden. Nitroglycerin, Schießbaumwolle, Jodstickstoff, Borstickstoff und pikrinsaure Alkalien explodieren in ozonreicher Luft.
Schönbein, welcher 1840 das O. entdeckte, glaubte, daß es zwei Modifikationen des Sauerstoffs gäbe: elektropositives O. und elektronegatives Antozon; bei der Polarisation sollte das Sauerstoffgas in diese beiden Modifikationen zerfallen, welche bei ihrer Vereinigung wieder gewöhnliches Sauerstoffgas gäben. Über die Existenz des Antozons ist bis in die neueste Zeit viel gestritten worden; jetzt scheint sicher zu sein, daß das Antozon nicht gleichzeitig mit dem O., sondern erst bei Zerstörung des letztern bei Gegenwart von Wasser gebildet wird und nichts ist als Wasserstoffsuperoxyd. Nach neuern Untersuchungen soll der im Terpentinöl gelöste Sauerstoff kein O., sondern Sauerstoff im Zustand freier Atome sein, und für diesen ist nun der Name Antozon vorgeschlagen worden. Würde sich diese Annahme bestätigen, so hätten
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0590.jpg&oldid=- (Version vom 11.3.2023)