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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

Deutschland hat in J. I. v. Felbiger in Schlesien und Österreich, F. Kindermann in Böhmen, J. Overberg in Münster, J. M. Sailer in Bayern u. a. seine ehrwürdigen Vertreter zu dieser Schar von Pädagogen gestellt.

Die Früchte dieser regen Geistesarbeit auf dem Felde der P. für die verschiedenen Gebiete des praktischen Schul- und Erziehungswesens können hier nicht im einzelnen verfolgt werden. In dieser Beziehung muß der Hinweis auf die Artikel genügen, welche diese einzelnen Gebiete besonders behandeln. Doch muß anerkannt werden, daß der Erfolg dieser Arbeit ein überaus bedeutender für das Leben der modernen Völker und zumal für die leibliche und geistige Erziehung des deutschen Volkes gewesen ist. Besonders ist die Volksschule, bis dahin fast nur eine Forderung, seit den letzten 100 Jahren zu einer geistigen Macht im deutschen Volksleben geworden und zu selbständigem Leben erstarkt, wenn auch noch viele wichtige Fragen, z. B. nach ihrem Verhältnis zu Staat, Gemeinde, Kirche wie zu den Ansprüchen eines weiter gehenden Bildungsbedürfnisses im Volk, der völligen Lösung harren und kärgliche Ausstattung noch an vielen Orten ihr segensreiches Wirken hemmt. Neuerlich sind auf dem Gebiet des höhern Schulwesens die Realschulen und neben ihnen die gewerblichen und landwirtschaftlichen Fachschulen den ältern humanistischen Gymnasien an die Seite getreten. Wenn auch ihre Organisation bis dahin noch nicht alle Schwankungen überwunden hat, so ist doch ihre Grundform an sich als bewährt und gesichert anzusehen. Die Gymnasien, als wesentlich hervorgegangen aus dem Humanismus der frühern Jahrhunderte, haben sich den neuern pädagogischen Bewegungen gegenüber am meisten zurückgehalten und selbst hier und da feindlich gestellt. Sie halten noch immer entschieden an der Beschäftigung mit dem klassischen Altertum als der Grundlage ihrer unterrichtlichen und erziehlichen Thätigkeit fest. Aber einerseits ist dieses Gegengewicht gegen die Überstürzungen der theoretischen P. oft sehr heilsam gewesen, anderseits hat sich auch die Auffassung des klassischen Altertums geschichtlich vertieft und dadurch dem Leben der Neuzeit angenähert, dem überdies auch nach realistischer Seite hin nicht unerhebliche Zugeständnisse (durch Aufnahme der Physik, der neuern Sprachen, Abschaffung des Lateinsprechens etc.) im Lehrplan der Gymnasien gemacht worden sind. Auch für die Mitarbeit an den ganz der Neuzeit angehörigen Naturwissenschaften, den gewerblichen Bestrebungen der Gegenwart etc. hat sich diese gemäßigt humanistische Vorbildung noch immer als der realistischen mindestens ebenbürtig bewiesen. Für diejenigen Berufsarten, welche ihre Wurzeln weiter zurück in die Vergangenheit erstrecken, darf sie noch immer als unerläßlich bezeichnet werden. Ganz besonders ist die neuere Zeit fortgeschritten auf dem Gebiet der weiblichen Erziehung; wenn auch Maß und Richtung der Ausbildung, welche der weiblichen Jugend vorzüglich in den auf Erwerb angewiesenen mittlern Ständen gegeben oder wenigstens zugänglich gemacht werden soll, noch vielfach Gegenstand streitiger Verhandlung sind, so ist doch, während die weibliche Jugend des niedern Volkes an allen Wohlthaten der öffentlichen Schule teilnimmt, auch für die höhere Ausbildung der Mädchen in Deutschland ein sicherer Grund gelegt, der eine gesunde Fortentwickelung zuversichtlich erwarten läßt. Einen folgenreichen Bund ist die neuere P. mit der Heilkunde eingegangen, aus dem für jede der beiden Wissenschaften neue Zweige (Schulhygieine, Erziehungshygieine; Heilpädagogik für Viersinnige, Schwachsinnige etc.) erwuchsen. – Nach allen Seiten hin zeichnet das die P. unsrer Zeit vor allen ihren bisherigen Erscheinungsformen aus, daß sie überall und zumeist in Deutschland als eine Angelegenheit von hervorragender nationaler Bedeutung auftritt und daneben doch nach einer allgemein wissenschaftlichen, anthropologischen Grundlage sucht. Das rege Leben auf dem Gebiet der P. bekundet neben der allerwärts gesteigerten Fürsorge der Regierungen für das Schulwesen die vielverzweigte Vereinsthätigkeit des Lehrerstandes, die freilich oft die Interessen des einen Zweigs des Erziehungswesens in Spannung gegen die andern zeigt, aber doch auch einen freien Austausch der pädagogischen Ideen in weitern und weitesten Kreisen (internationale Kongresse für das Unterrichtswesen zu Brüssel 1880, zu London 1884) zu vermitteln strebt. Nicht minder spiegelt sich der Aufschwung der modernen P. in der pädagogischen Litteratur, wenn auch eingeräumt werden muß, daß unter der fast übergroßen Menge pädagogischer Schriften neben dem Trefflichen und Tüchtigen recht viel Oberflächliches und Ephemeres sich findet (vgl. „Pädagogischer Jahresbericht“, begründet von Nacke u. Lüben, Leipz. 1846 ff.; seit 1871 hrsg. von Dittes, seit 1886 von Richter).

Außer den bereits erwähnten Schriften über P. führen wir hier noch folgende als bemerkenswert an: Kant, Über P. (hrsg. von Rink, Königsb. 1803); Denzel, Einleitung in die Erziehungs- und Unterrichtslehre (Stuttg. 1825–35, 3 Tle.); Schwarz, Das Leben in seiner Blüte, oder Sittlichkeit, Christentum und Erziehung in ihrer Einheit (Leipz. 1837); Strümpell, Die P. der Philosophen Kant, Fichte, Herbart (Braunschw. 1843); Derselbe, Erziehungsfragen (Leipz. 1869); Derselbe, Psychologische P. (das. 1879); Ziller, Die Regierung der Kinder (das. 1857); Derselbe, Grundlegung zur Lehre vom erziehenden Unterricht (2. Aufl., das. 1883); Th. Waitz, Allgemeine P. (2. Aufl., Braunschw. 1875); Stoy, Encyklopädie der P. (2. Aufl., Leipz. 1878); H. Kern, Grundriß der P. (4. Aufl., Berl. 1887); Vogel, Systematische Encyklopädie der P. (Kassel 1881); Schumann, Lehrbuch der P. (8. Aufl., Hannov. 1887, 2 Tle.); Schiller, Handbuch der praktischen P. (Leipz. 1886); K. v. Raumer, Geschichte der P. seit dem Wiederaufblühen klassischer Studien bis auf unsre Zeit (5. Aufl., Gütersloh 1877–80, 4 Bde.); K. Schmidt, Geschichte der P. (4. Aufl. von Dittes und Hannak, Köth. 1886 ff., 4 Bde.); Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland (Leipz. 1885); Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland (Stuttg. 1885); Schiller, Lehrbuch der Geschichte der P. (Leipz. 1887); Schmid, Encyklopädie des Erziehungs- und Unterrichtswesens (Gotha 1857 bis 1876, 11 Bde.; 2. Aufl., Gotha u. Leipz. 1877 ff., fortgesetzt von Schrader); Buisson, Dictionnaire de pédagogie (Par. 1880–87, 4 Bde.); Sander, Lexikon der P. (2. Aufl., Bresl. 1888); Vogel, Geschichte der P. als Wissenschaft (Gütersl. 1877).

Pädagogĭum (griech.), Erziehungsanstalt, zumal für Knaben. Die Bezeichnung ist besonders in Aufnahme gekommen durch das 1695 von A. H. Francke (s. d.) in Halle begründete P., das er zunächst für junge Leute von Adel bestimmte.

Padang, Hauptstadt des niederländ. Gouvernements Westküste von Sumatra, an der Mündung des Flusses P., die älteste Niederlassung der Niederländer auf der Insel (seit 1666), ist Sitz der obersten Zivil- und Militärbehörden und vornehmster Ausfuhrplatz für die reichen Produkte (Reis, Kaffee,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0601.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2022)
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