Zum Inhalt springen

Seite:Meyers b12 s0615.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

karolingische Minuskel etc.). Die zur Zeit Karls d. Gr. ausgebildete fränkische oder karolingische Minuskel gewann indessen nach und nach überall die Oberhand und schließlich die Alleinherrschaft. Doch traten auch noch in den spätern Jahrhunderten des Mittelalters bedeutende Veränderungen in der Schrift ein, welche es leicht machen, das ungefähre Alter einer Handschrift nach den Schriftzügen zu bestimmen; so kommt z. B. der Punkt auf dem i vor dem 12. Jahrh. noch nicht vor. Vgl. die Tafel zum Artikel „Schrift“. Der Gebrauch, durch größere Buchstaben, Majuskeln genannt, gewisse Wörter hervorzuheben, namentlich Eigennamen, indem man entweder den Anfangsbuchstaben oder das ganze Wort damit schrieb, stammt ebenfalls erst aus dem spätern Mittelalter; die Ausdehnung dieses Gebrauchs in Deutschland dahin, daß alle Substantive mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden, datiert sogar erst aus dem 17. und 18. Jahrh. Endlich ist den Handschriften des spätern Mittelalters, besonders des 14. und 15. Jahrh., der Gebrauch einer außerordentlich großen Menge von Abkürzungen eigentümlich. Die Abkürzungen bilden auch eins der wichtigsten Kapitel der griechischen P.; sie finden sich sogar großenteils in den ältern Drucken griechischer Werke, sind indessen, soweit sie dort vorkommen, in den griechischen Grammatiken von Buttmann u. a. genügend erklärt. Im übrigen hat sich die griechische Schrift ähnlich entwickelt wie die lateinische, nur mit geringern Veränderungen; während in der ältern Zeit die Uncialschrift herrschte, mit großen Buchstaben ohne Worttrennung, Accente, Spiritus und Interpunktion, beginnt seit dem 7. Jahrh. die Minuskel überhandzunehmen, die schon im 9. Jahrh. in einer der jetzt üblichen nahestehenden Form auftritt und dabei in der Hauptsache stehen geblieben ist. Vgl. Montfaucon, Palaeographia graeca (Par. 1708; im Auszug von Rambach, Halle 1778); Walther, Lexicon diplomaticum (Götting. 1745–47, 3 Bde.); Kopp, Palaeographia critica (Mannh. 1817–29, 4 Bde.); Champollion-Figeac, Paléographie universelle (Par. 1839–41, 4 Bde.); Pertz, Schrifttafeln zum Gebrauch bei diplomatischen Vorlesungen (Hannov. 1844–69, 10 Hefte); Wattenbach, Schrifttafeln zur Geschichte der griechischen Schrift (2. Aufl., Berl. 1883); Fabretti, Paläographische Studien (deutsch, Lpz. 1877); W. Arndt, Schrifttafeln (Berl. 1874 u. 1878, 2 Hefte); Wattenbach, Anleitung zur lateinischen P. (4. Aufl., Leipz. 1886); zur griechischen P. (2. Aufl., das. 1877); Gardthausen, Griechische P. (das. 1879); Chatelain, Paléographie des classiques latins (Par. 1884 ff.). – Die orientalische P. ist bisher noch weniger gepflegt worden. Der Begründer derselben ist Kopp in dem schon genannten Werk, der sich jedoch vorwiegend nur mit den semitischen Sprachen beschäftigte. Ein vortreffliches Werk über indische P. ist das von Burnell, Elements of South-Indian palaeography (2. Aufl., Lond. 1878). Vgl. außerdem Möller, Orientalische P. (Gotha 1844), und die Publikationen der engl. Palaegraphical Society.

Palaoinseln, s. Palauinseln.

Paläolōgen, die letzte Dynastie des Oströmischen Reichs (s. d.), deren Stifter Michael VIII. Paläologos 1259 als Mitregent des unmündigen Kaisers Theodor II. Laskaris, den er später blenden ließ, den Kaiserthron von Nikäa bestieg und 1261 nach Vernichtung des lateinischen Kaisertums auch in Konstantinopel zur Herrschaft kam, und deren letzter Kaiser, Konstantin XI., 1453 bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen seinen Tod fand. Durch das Testament des Markgrafen Johann von Montferrat, welcher 1305 kinderlos starb, war dessen Schwester Jolanthe (bei den Griechen Irene), Gemahlin des Kaisers Andronikos II., nebst ihren Söhnen als Erbin der Grafschaft Montferrat eingesetzt worden, und so kam es, daß ein Zweig der P. zu Montferrat herrschte. Theodor Komnenos, zweiter Sohn der Jolanthe, eröffnete die Reihe dieser Markgrafen von Montferrat aus dem Geschlecht der P. Mit Johann Georg Sebastian starb 1533 das Geschlecht aus. Ein dritter Zweig der P. herrschte in Morea von 1383 bis 1460. Nach der Eroberung des Peloponnes durch die Türken flohen die P. nach Italien, und ein Neffe Konstantins XI., Andreas Paläologos, trat 1494 dem König Karl VIII. von Frankreich, später (1502) Ferdinand dem Katholischen und Isabella von Kastilien seine Rechte auf das byzantinische Reich ab. Der letzte Nachkomme der P., Fürst Giovanni Laskaris Paläologos, starb 1874 in Turin.

Palaeoníscus, s. Fische, S. 298.

Paläontographie (griech.), s. v. w. Paläontologie.

Paläontologie (griech.), die Lehre von den vorweltlichen Lebewesen, wie sie als Versteinerungen (fossile Tier- und Pflanzenreste, Fossilien, Petrefakten, daher Versteinerungskunde, Petrefaktenkunde, Petrefaktologie) in den Gesteinsschichten prähistorischer Bildung uns erhalten sind. Nach Zugehörigkeit der Reste zu dem Pflanzen- oder zu dem Tierreich trennt sich die P. in Paläophytologie und Paläozoologie, der man auch eine Paläoanthropologie angereiht hat. Als eine selbständige Wissenschaft ist die P. die Geschichte der gesamten organischen Schöpfung, eine Wissenschaft, welche sich mit der systematischen Stellung, mit der Lebensweise der vorweltlichen Wesen, der Gleichzeitigkeit oder zeitlichen Aufeinanderfolge der Floren und Faunen in den verschiedenen geologischen Entwickelungsperioden der Erde zu beschäftigen hat und ihre natürliche Begrenzung nur in der Unvollkommenheit der Reste nach Art der Erhaltung und nach Zahl der überhaupt erhaltenen Individuen und Spezies findet. In diesem umfassenden Sinn ist die P. eine sehr junge Wissenschaft, deren ganze Geschichte kaum weiter rückwärts reicht als die Zeit der Wirksamkeit der heutigen Generation von Paläontologen, und mit welcher eine frühere P. nur das Objekt (die Versteinerungen), nicht aber die Methode der Behandlung gemein hat. Nur indem man die P. überhaupt als die Kenntnis von den Versteinerungen oder richtiger von den Naturprodukten, welche eine heutige Wissenschaft als Reste früherer Lebewesen auffaßt, definiert, kann man von einer ältern Geschichte der P. sprechen, die dann freilich bis in die Zeiten der frühsten Geschichtsperioden zurückreicht. So erwähnen gelegentlich Xenophanes (um 500 v. Chr.), Herodot (450 v. Chr.), Eratosthenes (um 200 v. Chr.), Strabon (66 v. Chr. bis 24 n. Chr.) und andre Griechen und Römer einzelne Versteinerungen und philosophieren über sie meist in dem Sinn von Beweisstücken, daß das Meer einst an Stellen des heutigen Festlandes vorhanden gewesen sei, und in gleichem Sinn handeln auch oft citierte Verse des Ovid von solchen Resten; nur Empedokles (450 v. Chr.) deutet Hippopotamusknochen aus Sizilien als Überbleibsel ausgestorbener Riesengeschlechter. Bei dem Araber Avicenna (980–1037) findet sich zuerst eine Idee scharf formuliert, welche die Versteinerungen lostrennt von der organischen Welt überhaupt, sie vielmehr als die Produkte einer formenden, aber doch nur Unorganisches erzeugenden Kraft der Natur, der vis plastica, deutet, eine Anschauung,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0615.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)
OSZAR »