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werden. So ist der Durchzug der Zugvogel, die Rückkehr des Storchs und der Hausschwalbe, der erste Gesang der Lerche, der Nachtigall, der erste Ruf des Kuckucks etc. abhängig von den klimatischen Verhältnissen. Vgl. Hoffmann, Vergleichende phänologische Karte von Mitteleuropa (in „Petermanns Mitteilungen“ 1881); Derselbe, Resultate der wichtigsten pflanzenphänologischen Beobachtungen (Leipz. 1885).
Phänomēn (Phänomenon, griech.), „Erscheinung“, ursprünglich nur für Lufterscheinungen gebraucht, dann aber von den Philosophen, besonders den Skeptikern, auf die Metaphysik übertragen und in Bezug auf das, was den Sinnen erscheint, im Gegensatz zu dem in Begriffen Gedachten (Numenon), angewendet. Diese Bedeutung des Wortes bestimmte Kant dahin, daß P. die erfahrungsmäßige Erscheinung, d. h. das in Raum und Zeit wahrnehmbare Mannigfaltige, bezeichnet, wie es für uns nach unserm subjektiven Wahrnehmungsvermögen ist, gegenüber den Dingen an sich, die als solche nicht erscheinen, sondern bloß von uns als das den Phänomenen zu Grunde Liegende gedacht werden. Den Teil der Naturlehre, welcher die Bewegung oder Ruhe der Materie bloß als solche Erscheinung der äußern Sinne bestimmt, nennt Kant Phänomenologie, und in ähnlichem Sinne nimmt Hegel diesen Ausdruck, wenn er die Darstellung der Erscheinungsweisen des Geistes in seiner stufenweisen Herausbildung zum in sich vollendeten Wesen eine Phänomenologie des Geistes nennt.
Phänomenologie (griech.), s. Phänomen; in der Medizin s. v. w. Semiotik (s. d.).
Phantasīe (griech.), im Gegensatz zum Erinnerungsvermögen, d. h. der reproduzierenden Einbildungskraft, welche schon dagewesene sinnlich anschauliche Vorstellungen erneuert, das Vermögen, neue dergleichen zu bilden, also die produzierende und zwar ästhetisch und logisch schöpferische Einbildungskraft. Dieselbe unterscheidet sich von der gemeinen (banalen) Einbildungskraft dadurch, daß ihre Erfindungen den ästhetischen Normalgesetzen, von der phantastischen (z. B. des Traums) Einbildungskraft dadurch, daß dieselben den logischen Denkgesetzen gemäß sind. Ersterm Umstand verdanken die Schöpfungen der P. ihre Schönheit (Neuheit, Frische, Lebendigkeit, Anschaulichkeit, Mannigfaltigkeit, Einheit und Übereinstimmung), letzterm ihre Denkbarkeit (Widerspruchslosigkeit), formale Wahrheit (Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit), keineswegs auch materiale Wahrheit (Wirklichkeit). Von der letztern, welche der Inhalt des wissenschaftlichen Denkens (Wissens) ist, können die Schöpfungen der P., des ästhetischen Denkens (Dichtens), sich so weit entfernen, wie der Gegenstand des erstern, die wirkliche (beste oder schlechteste) Welt, von dem Gegenstand des letztern, dem ästhetischen Weltideal (der Welt des Schönen), entfernt ist. Jenes erkennt die gegebene, die P. schafft eine neue Welt, wobei sie zwar die Elemente der erstern, die durch die ursprünglich empfangenen Eindrücke gegebenen Vorstellungen, als Bausteine verwertet, aber durch neue und originale Verbindungen derselben neue, originale Vorstellungsgebilde hervorbringt. Durch ihre ursprünglichen Eindrücke hängt jede individuelle P. mit ihrer äußern Umgebung zusammen und ihren elementaren Stoffbestandteilen nach von dieser ab. Die P. gestaltet sich anders im hohen Norden als unter den Tropen, im Morgen- als im Abendland. Ihre Neuheit und schöpferische Originalität aber liegt nicht im verbundenen Stoff, sondern in den verbindenden Formen. Als produktives Vermögen ist sie die eigentliche Geburtsstätte einer ästhetisch-logischen Vorstellungswelt, welche je nach der Beschaffenheit dieser entweder eine Welt musikalischer, oder bildnerischer, oder poetischer Gedanken ist, deren erzeugende P. infolgedessen als musikalische, bildnerische, poetische P. unterschieden wird. Diese drei Arten weichen so sehr untereinander ab, daß sie als Anlagen selten oder nie in gleichem Grad nebeneinander in demselben Individuum aufzutreten pflegen. Hauptsächlich ist es die musikalische Anlage, welche die bildnerische, seltener die poetische, von sich ausschließt oder doch beschränkt. Als Begabung angesehen, macht die P. die eigentliche künstlerische Befähigung aus, deren höherer Grad künstlerisches Talent, deren höchster Kunstgenie heißt. Vgl. unter andern Frohschammer, Die P. als Grundprinzip des Weltprozesses (Münch. 1876), welcher jedoch dieses Wort nicht bloß im ästhetischen, sondern in einem viel weitern Sinn als unbewußt schaffende Kraft überhaupt versteht.
In der Musik bezeichnet P. (Phantasiestück) als Name für Instrumentalstücke nicht eine bestimmte Form, sondern im Gegenteil freie Gestaltung ohne Anschluß an feststehende Formen. So treten viele der ersten ausdrücklich für Instrumente komponierten Stücke (G. Gabrieli, H. Vecchi u. a.) unter dem Namen Fantasia auf, ohne daß es möglich wäre, dieselben formell zu unterscheiden von Ricercar, Sonata, Toccata etc. Die gemeinsame Eigenart dieser zunächst noch unbestimmten Bildungen bestand darin, daß sie einen musikalischen Gedanken frei imitierend oder fugenartig durchführten, ohne dabei, wie die nachherige Quintfuge, ein bestimmtes Schema innezuhalten. Als die Fuge sich zu festen Formen entwickelt hatte, bedeutete der Name P. etwas der Fuge Entgegengesetztes (vgl. J. S. Bachs „P. und Fuge“ in A moll); auch von der Sonate unterschied sie sich durch die Abweichung von strenger cyklischer Gestaltung (vgl. Mozarts „P. und Sonate“ in C moll). Die Befreiung der Sonate vom Schematismus der Drei- oder Viersätzigkeit und der stereotypen Sonatenform des ersten Satzes führte Sonate und P. einander wieder näher (vgl. Beethovens „Sonata quasi Fantasia“, Op. 27, 1 und 2); diese Überschrift hätte er aber auch Op. 78, 90 und den „fünf letzten“ geben können. Vielfach werden heute auch potpourriartige Zusammenstellungen von Opernmelodien u. dgl. für Pianoforte oder Orchester mit dem Namen P. belegt; besser paßt derselbe für Paraphrasen einzelner Melodien.
Phantasieblumen, künstliche Blumen, welche keinen natürlichen Formen entsprechen.
Phantasiegarn, Kammgarn aus Wolle mit Baumwolle oder Seide.
Phantasieren, dem Spiel der Phantasie (s. d.) sich hingeben, im Gegensatz zum klaren, bewußten Denken; bei Fieberkranken s. v. w. irre reden (Delirium); in der Musik s. v. w. improvisieren, präludieren.
Phantasiestücke, im weitern Sinn alle Werke der Poesie und der bildenden Kunst, bei denen der Phantasie ein mehr als gewöhnlicher Spielraum gegönnt, die Nachbildung der Natur oder eines in der Natur gegebenen Gegenstandes oder Zustandes weniger beabsichtigt wird; im engern Sinn Landschaften, welche nicht Abbilder der Natur, sondern frei erfundene Kompositionen sind, besonders aber die Arabesken oder Grotesken (s. d.), weil sie als reine Spiele der Phantasie menschliche Gestalten aus Blumenkelchen hervor-, andre in Tiere ausgehen lassen, zarte Ranken zum Fußgestell für menschliche und andre Figuren machen etc.; endlich Dichtungen, in denen auf Kosten der Regel und der Wahrscheinlichkeit der Phantasie
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 984. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0984.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2024)