verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
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(1793–1851) diese philologische Methode auch auf die germanischen Studien anwandte. Kurze Zeit war auch Fr. Ritschl (1806–76) Hermanns Zuhörer gewesen, hatte sich aber dann nach Halle gewendet, wo K. Reisig leider nur zu kurze Zeit durch Anregung eine Anzahl tüchtiger Philologen (Fr. Haase) gebildet hat. Ihm ist die Richtung auf die historische Entwickelung der lateinischen Sprache, die genaue Feststellung ihrer Metrik und die diplomatische Kritik des Plautus als Muster für ähnliche Behandlung zu verdanken.
Der feindliche Gegensatz zwischen realer und verbaler P. hat sich eine Zeitlang zwischen den Schülern Hermanns und A. Böckhs (1785–1867) mit Unrecht gezeigt. Denn obgleich bei letzterm nicht jene Beschränkung auf die Werke antiker Litteratur sich geltend machte und er das Altertum in seiner zusammenhängenden Entwickelung nach allen Richtungen menschlicher Thätigkeit auffaßte, so wurde dabei doch die kritische Thätigkeit nicht vernachlässigt. Die neugegründete Universität Berlin ward für einige Zeit der Mittelpunkt. Neben Wolf, Imm. Bekker (1785–1871) und Böckh lehrten Buttmann (1764–1829) und Heindorf, später auch Bernhardy und Zumpt daselbst; auf neue Bahnen lenkten B. G. Niebuhr (1776–1831), indem er an der römischen Geschichte die verschiedene Natur der geschichtlichen Überlieferung und der Sagenbildung nachwies, Fr. Schleiermacher (1768–1834), der Theolog, der die Philosophie der Griechen geschichtlich und dialektisch entwickelte, Fr. K. v. Savigny (1779–1861), der, Jurist und Meister der historischen Schule, nicht nur selbst zur Kenntnis des römischen Altertums beitrug, sondern auch seine Schüler (Dirksen, Bethmann-Hollweg, Bluhme, Huschke, Böcking, Puchta) dazu anleitete. Von Berlin aus hat sich dann die Epigraphik ganz neu gestaltet, und der dortigen Akademie gebührt das Verdienst der kritischen Sammlung sowohl der griechischen (Böckh, Kirchhoff) als der lateinischen Inschriften (Theodor Mommsen) und der Heranbildung gut geschulter Jünger. In Berlin hat man auch neuerdings die Reisen in die klassischen Länder unterstützt, und die ergebnisreichen Ausgrabungen in Rom, Olympia und Pergamon gingen vom Deutschen Reich aus. Nicht minder haben die archäologischen Studien an Umfang gewonnen. Die alte Kunst als ein wesentliches Glied in dem Leben der klassischen Völker zu betrachten und für die Behandlung ihrer Werke dieselbe strenge Methode wie bei den Schriftwerken anzuwenden, haben Fr. G. Welcker (1784–1868), Ed. Gerhard (1795–1867), Otfried Müller (1797–1840), Fr. Thiersch (1784–1860) und O. Jahn (1813–69) mit Erfolg versucht. Die Archäologie hat auf allen Universitäten ihre besondern Lehrer und angemessene Lehrmittel; in ihrem Interesse ist das Institut für archäologische Korrespondenz in Rom durch eine gleiche Anstalt in Athen erweitert, und beide sind zu einer förmlichen Schule geworden. Am meisten schwankt man in der Mythologie, denn K. A. Böttiger, G. Fr. Creuzer (1771–1858), Welcker, Gerhard, Otfr. Müller, Preller (1809 bis 1861), Forchhammer bezeichnen ganz verschiedene Richtungen. J. H. Voß drang auf eine chronologische Ordnung der Zeugnisse schon aus Widerspruch gegen die verworrenen Sammlungen der Heynianer; Creuzer suchte in gewissen allgemeinen Grundvorstellungen aller Sagen einen Grundstock ursprünglicher Offenbarung nachzuweisen; Welcker hat den Anfang gemacht, alle Elemente in dem Charakter des Volkes und der es umgebenden Natur zu erfassen und dadurch der Entwickelung der Sage zu folgen. Es ist unmöglich, alle die Namen der Männer aufzuzeichnen, welche jetzt in Deutschland alle Disziplinen der Altertumswissenschaft gleichmäßig zu bearbeiten bemüht sind; das Gedeihen unsrer höhern Schulen ist dadurch bedingt.
Mit der P. ist jetzt noch vielfach verbunden die vergleichende Sprachwissenschaft, deren Ursprung von der Gründung der Asiatischen Gesellschaft in Kalkutta 1751 zu datieren ist, welche das im Sanskrit vorhandene Sprachmaterial zuerst zugänglich machte. Fr. Schlegel lenkte die Aufmerksamkeit darauf; aber erst als Franz Bopp (1791–1867) die grammatische Zergliederung 1816 begann und 1833 den ersten Band seiner vergleichenden Grammatik folgen ließ, umfaßte die Sprachforschung das den stammverwandten Sprachen Gemeinsame und stellte die Grundzüge der organischen Aus- und Umbildung der Sprache dar. W. v. Humboldt (1767–1835) faßte die Sprachen des Erdkreises als verschiedene Stufen gelungener Sprachbildung in ein großes Gemälde zusammen. Jak. Grimm (1785–1863) konzentrierte seine Kräfte auf die germanischen Sprachen. Seinem Beispiel folgten Zeuß (1806–56) und Ebel (1820–75) in der „Grammatica celtica“, Miklosich und Aug. Schleicher (1821 bis 1868) für die slawischen Dialekte, Wilh. Corssen (1820–75) für die italischen, G. Curtius (1820–85) für das Griechische, Fr. Diez (1794–1876) für die romanischen Sprachen. England, Frankreich, sogar Italien beteiligen sich eifrigst; namentlich hat in England Max Müller die Ergebnisse dieser Studien durch geschickte Popularisierung in die weitesten Kreise getragen. Jetzt entbehrt keine Universität eines besondern Lehrstuhls für diese Wissenschaft, zumal die Erkenntnis, daß man die sichern Ergebnisse derselben auch für die Schule mittels rationellerer Behandlung der lateinischen und besonders der griechischen Grammatik verwerten müsse, immer allgemeiner wird. Aber man sollte den Namen aufgeben, weil die Vergleichung nur Mittel, nicht Zweck ist, und sie als Linguistik geltend machen, welche die Thatsachen für die historische Grammatik erklärt.
Schließlich noch einige Worte über den Anteil der romanischen und der nordischen Länder an der Entwickelung der P. in der Neuzeit. Italien hat seit dem 16. Jahrh. fast nur Archäologen und Epigraphiker (besonders Borghesi, 1781–1860, und de Rossi) gestellt, Kritiker nur vereinzelt, wie Lagomarsini (gest. 1773), Garatoni (gest. 1817), Angelo Mai (1782 bis 1854); das Werk der lateinischen Lexikographen Facciolati (gest. 1769) und Forcellini (gest. 1768) wird noch immer neu aufgelegt, und Furlanetto (gest. 1848) hat für Ergänzung des Altertümlichen gesorgt. In Frankreich fehlte es im vorigen Jahrhundert nicht an glänzenden Namen, wie für die Kritik: Brunck (gest. 1803), Villoison (gest. 1805), Courier (gest. 1825), und für archäologische und historische Disziplinen: d’Anville (gest. 1782), Larcher, Millin, Mionnet, Letronne, Rochette (gest. 1854), Le Clerc, Naudet, Nisard, um das jüngere Geschlecht zu übergehen, dessen ernste Bemühungen alle Gebiete umfassen. Auch in Belgien finden wir Archäologen, wie Roulez, de Witte, Schuermann, und selbst philologische Akribie findet ihre Pfleger, wie Gantrelle. Spanien nahm die humanistischen Studien bereits im 15. Jahrh. auf: Älius Antonius Nebrissensis (gest. 1522), Vives (gest. 1540) und besonders der Grammatiker Francisco Sanchez de las Brozas (Sanctius Brocensis, gest. 1601) verdienen Erwähnung; nachher wurden Münzen und Inschriften gesammelt,
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 1013. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s1013.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2022)