verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12 | |
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Welt) entgegengesetzt und daher von den „vier Schmerzen“ derselben (Krankheit, Alter, Tod, Wiedergeburt) ausgenommen ist.
Die P. bei den Griechen ist in der ersten Periode (von Thales bis Aristoteles) Liebe zur theoretischen Weisheit auf natürlichem Weg, in der zweiten, welche die Schüler der Stoa und Epikurs umfaßt, Liebe zur praktischen Weisheit, in der dritten, welche die Neuplatoniker enthält, abermals Liebe zum Wissen, aber auf übernatürlichem Weg. Der natürliche Weg ist (sinnliche) Erfahrung und Vernunft, der übernatürliche übersinnliche Anschauung (Vision). Die ersten griechischen Denker sind Physiker; die Ethik ist nur in der Form der Spruchweisheit (Gnomik) der (sieben) Weisen, eine Wissenschaft des Wissens gar nicht vorhanden. Ihre P. ist weder Universal- noch Normalwissenschaft, sondern bloße Naturlehre. Das Wesen der Dinge wird von den einen (den ältern und jüngern Ioniern) auf physischen Stoff, von den andern (den Pythagoreern, s. Pythagoras) auf mathematische und geometrische (Zahl und Gestalt), von den dritten auf ideelle Bestimmungen (ruhendes „Sein“: Eleaten, s. Eleatische Schule; fließendes „Werden“: Herakleitos, um 500 v. Chr.) zurückgeführt. Durch den Umstand, daß die Eleaten das „Werden“ (Bewegung), die Herakliteer das „Sein“, als dem Wesen der Dinge widersprechend, für Schein, jeder das Wissen des andern für Scheinwissen ausgeben, wird die Aufmerksamkeit zuerst auf die Betrachtung des Wissens, die Wissenslehre, gelenkt. Dieselbe lieferte zunächst (bei den Sophisten) ein negatives Resultat, indem alles Wissen für Scheinwissen, der „Mensch als Maß aller Dinge“ (Protagoras) erklärt wird, sodann (durch Sokrates, gest. 399) ein positives, indem das rationale (in Begriffsform auftretende) Wissen als echtes Wissen zu gelten hat. Zugleich wird durch Anwendung des so gewonnenen Wissens auf das Gute die dritte Wissenschaft (Ethik) durch Sokrates zu der vorhandenen Physik und Logik hinzugefügt und dasselbe bald als das Nützliche (Xenophon), bald (positiv) als höchste Lust (Hedoniker, s. Hedonismus), bald (negativ) als mindeste Unlust (Kyniker) Gewährendes, bald als das um seiner selbst willen Begehrenswerte (Platon) bestimmt. Durch die Aufstellung eines Ideals des Wissens (des rationalen) und die Vervollständigung des Umfangs des Wissens wurde P. als Universal- und Normalwissenschaft möglich und durch Platon (gest. 348) und Aristoteles (gest. 322) ins Werk gesetzt. Beide gingen davon aus, daß die normale Wissensform der Begriff und daher sowohl die Wissens- als die Seins- und Ideallehre dieser gemäß zu gestalten sei; in Bezug auf den Ursprung des Begriffs nahmen beide entgegengesetzte Standpunkte ein. Da der Begriff das Allgemeine (Eine) darstellt, welches Besonderes (Vieles) unter sich befaßt, so kann derselbe entweder so aufgefaßt werden, als sei das Besondere aus dem Allgemeinen (aus seinem Inhalt) entlassen (deduziert), oder als sei das Allgemeine aus dem Besondern (aus seinem Umfang) abstrahiert (induziert). Im erstern Fall ist das Allgemeine (Eine), in diesem das Besondere (Viele) das Ursprüngliche. Indem Platon die deduktive Form als die Wissensform ansah, kam er dazu, die Vielheit des Wissens aus Einem Wissen, in der Seinslehre das vielheitliche Seiende aus Einem Sein, in der Ideallehre die Vielheit der Güter aus Einem (höchsten) Gut abzuleiten. Aristoteles dagegen, welcher die induktive Form als Wissensform ansah, gelangte zu dem entgegengesetzten Resultat, die Eine Wissenschaft aus einer Vielheit von Wissenschaften, das Eine Sein aus einer Vielheit von Seienden, das Eine höchste Gut aus einer Vielheit von Gütern zusammenzusetzen. Beider Philosophien sind insofern Rationalismus, als ihnen nur das rationale (in Begriffsform [Einheit der Vielheit] gebrachte) Wissen für wahres Wissen, nur das in derselben existierende (rationale) Sein für wirkliches Sein und nur das in derselben aufgestellte (rationale) Ideal für das wahre Ideal gilt. Da der deduktive Rationalismus aber die Einheit, der induktive die Vielheit als das Ursprüngliche ansieht, so führt der erste dazu, das wahre Wissen für „angeboren“ (in der ursprünglichen Einheit der Vernunft enthalten), der andre, es für „erworben“ (von der ursprünglichen Vielheit der Erfahrung abstrahiert) anzusehen; führt der erstere zu einer monistischen (Ein Sein), nach welcher nur Allgemeines (Gattung), der letztere zu einer pluralistischen (individualistischen: viele Seiende) Metaphysik, nach welcher nur Einzelnes (Individuum) wahrhaft existiert; setzt der erstere das höchste Gut in die Eine Tugend, der letztere dagegen in die aus einer Vielheit von Lustgefühlen resultierende Glückseligkeit. Der Umstand, daß bei dem erstern demzufolge der Begriff (als Allgemeines) von dem Seienden (als Gattung) nicht verschieden ist, gab zu der Folgerung Anlaß, daß der Begriff selbst das Seiende sei, Wissenslehre und Seinslehre (Dialektik und Metaphysik) in Eins zusammenfielen. Dem Begriff als Seiendem legte Platon den Namen Idee bei und bezeichnete ihn als Gegenstand eines über die Sinnlichkeit erhabenen Schauens (übersinnlicher Erfahrung: Mystizismus), dessen die Seele in einem vorweltlichen Zustand teilhaftig geworden sei, und dessen Wiedererinnerung (Anamnese) durch das Gewahrwerden ihm ähnlicher (nach seinem Muster geformter) Objekte in der Sinnenwelt in derselben erweckt werde. Aristoteles dagegen, dem der Begriff (als Allgemeines) für ein vom Seienden (als Individuum) Verschiedenes galt, sah denselben als Frucht eines auf die Objekte der Sinnenwelt gerichteten sinnlichen Schauens (sinnlicher Erfahrung: Sensualismus) und der an dasselbe sich anschließenden Denkoperationen des Begriffbildens, Urteilens und Schließens, als einen eine Mehrheit von Dingen zusammenfassenden und bezeichnenden Gedanken an. Die Lehre von obigen Denkoperationen gestaltete Aristoteles als besondere Wissenschaft, wodurch er der Vater der (formalen) Logik (Denkformenlehre) geworden ist. Beide Systeme wurden durch Schulen, jenes des Platon durch die (ältere, mittlere und neue) Akademie, jenes des Aristoteles durch die sogen. peripatetische, fortgepflanzt. Jene ging durch den Zweifel an der Möglichkeit übersinnlicher Erfahrung allmählich durch Arkesilaos und Karneades in Skeptizismus, diese durch die Ausbreitung des Wissens über alle Gebiete der Erfahrung allmählich in Beschäftigung mit den positiven Wissenschaften (insbesondere Naturwissenschaften) über. Die zweite Periode der griechischen P., in welcher die praktische Weisheit den Vorzug hat und das theoretische Wissen nur als Mittel zu dieser gilt, wird von den Schulen der Stoa (s. Stoiker), welche die Tugend, deren Folge die Glückseligkeit, und des Epikuros (gest. 268), welche die Glückseligkeit, deren Mittel die Tugend ist, als höchstes Gut ansahen, sowie durch jene der Skeptiker, welche das höchste Gut, die Gemütsruhe, durch die Verzichtleistung auf sicheres Wissen zu bewahren suchten, ausgefüllt. Die dritte Periode, in welcher bereits jüdische und andre orientalische Einflüsse (vornehmlich in Alexandria) sich einmischten, suchte dem eingerissenen
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 1019. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s1019.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2022)