verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
|
Die hydraulischen Verhältnisse im Tierkörper wurden durch Ludwig und seine Schule erst einer exakten mechanischen Messung zugänglich, und dieser Physiolog reformierte zugleich die Lehre von den Absonderungen. Auch die Gebrüder Weber haben die physikalische Richtung durch grundlegende Arbeiten bereichert. Fourcroy und Vauquelin, Berzelius (1779–1848) und Liebig (1803–73) schufen die Tierchemie, aus der nunmehr eine selbständige physiologische Chemie hervorgegangen ist. Geoffroy Saint-Hilaire (1772–1844), Lamarck (1744–1829), Cuvier (1769–1832), Goethe und Oken, vor allen aber Charles Darwin (1804–82) begründeten die Deszendenzlehre.
[Litteratur.] Encyklopädien: „Handwörterbuch der P.“, von R. Wagner (Braunschw. 1842–53, 4 Bde.); Milne-Edwards, Leçons sur la physiologie et l’anatomie comparée (Par. 1857–83, 14 Bde.); „Handbuch der P.“, unter Redaktion von L. Hermann (Leipz. 1879–83, 6 Bde. in 12 Tln.); Lehrbücher von v. Haller („Elementa physiologiae corporis humani, Laus. 1757–66, 8 Bde.), Magendie (deutsch, 3. Aufl., Tübing. 1836, 3 Bde.), Rudolphi (Berl. 1821–27, 2 Bde.), Burdach (Leipz. 1826 bis 1840, 6 Bde.); Joh. Müller, Handbuch der P. des Menschen (Kobl. 1833–40, 2 Bde.; Bd. 1, 4. Aufl. 1844); Ludwig, Lehrbuch der P. (2. Aufl., Leipz. 1858–61); Longet, Traité de p. (2. Aufl., Par. 1860–61, 2 Bde.); Brücke, Vorlesungen über P. (4. u. 3. Aufl., Wien 1881–82, 2 Bde.); Budge, Handbuch der P. (8. Aufl., Leipz. 1862); Derselbe, Kompendium der P. (3. Aufl., das. 1875); Foster, Lehrbuch der P. (a. d. Engl. von Kleinenberg, Heidelb. 1881); Funke-Grünhagen, Lehrbuch der P. (7. Aufl., Leipz. 1884–87, 3 Bde.); Hermann, Lehrbuch der P. (8. Aufl. 1886); Huxley, Grundzüge der P. (deutsch von Rosenthal, 2. Aufl., Hamb. 1881); Landois, Lehrbuch der P. des Menschen (5. Aufl., Wien 1886); Steiner, Grundriß der P. (2. Aufl., Leipz. 1882); Wundt, Lehrbuch der P. des Menschen (4. Aufl., Stuttg. 1878); Vierordt, Grundriß der P. des Menschen (5. Aufl., Tübing. 1877); Preyer, Elemente der allgemeinen P. (Leipz. 1883). Zeitschriften: „Archiv für Anatomie und P.“, von Du Bois-Reymond (Leipz., seit 1877); „Archiv für die gesamte P. des Menschen und der Tiere“, von Pflüger (Bonn, seit 1868); „Zeitschrift für Biologie“ von Voit u. a. (München, seit 1865); „Zentralblatt für P.“ (Wien, seit 1887); „Biologisches Zentralblatt“, von Rosenthal (Erlangen, seit 1881); „Zeitschrift für physiologische Chemie“, von Hoppe-Seyler (Straßburg, seit 1877).
Physiologische Zeit (Reaktionszeit), der Zeitraum zwischen dem Augenblick, in welchem ein Reiz auf einen Empfindungsnerv ausgeübt wird, und demjenigen, in welchem die dadurch verursachte Reaktionsbewegung eintritt. Unter den einfachsten Bedingungen liegt sie zwischen 1/5 (für optische Reize) und 1/7 Sekunde (für Gehör- und Tastreize); sie ist verschieden nach Art und Intensität des Reizes, nach Individualität und Alter, besonders aber ist sie abhängig von der Aufmerksamkeit, durch deren Steigerung sie vermindert wird. Mit ihrer Untersuchung haben sich in den letzten 25 Jahren Donders, Exner, Wundt u. a. beschäftigt; von praktischer Bedeutung ist sie wegen der Beziehung zur Frage von der persönlichen Gleichung (s. d.). Vgl. Ribot, Experimentelle Psychologie (Braunschw. 1881).
Physiolŏgus, im frühern Mittelalter das Hauptwerk über Tierkunde, war außerordentlich verbreitet, was schon daraus erhellt, daß es sich (prosaisch oder metrisch) in griechischer, lateinischer, armenischer, äthiopischer, angelsächsischer, altenglischer, altfranzösischer und in noch andern Sprachen erhalten findet. Das Büchlein wurde wahrscheinlich in den ersten Jahrhunderten von Lehrern alexandrinischer Christengemeinden verfaßt; die Tiere, welche darin beschrieben werden, sind die biblischen (Löwe, Pardel, Elefant, Einhorn, Waldesel, Bock, Adler, Rabe, Kranich, Eule, Schlange etc.); den naturgeschichtlichen Gehalt boten die heidnischen Tierfabeln, und der Zweck des Ganzen war die symbolische Anwendung der Tierwelt auf die christliche Lehre. Anfangs von der Kirche mißachtet, galt der P. seit Gregor d. Gr. als anerkanntes Lehrbuch der christlichen Zoologie, und seine Bedeutung erlischt erst im 14. Jahrh. Eine altdeutsche Prosabearbeitung: „Reda umbe diu tier“, aus dem 11. Jahrh., findet sich in Müllenhoffs und Scherers „Denkmälern“ (Nr. 81), eine andre aus dem 12. Jahrh., in Reime gebracht, in Karajans „Sprachdenkmälern“ (Wien 1846). Vgl. Koloff, Die sagenhafte symbolische Tiergeschichte des Mittelalters (in Raumers „Historischem Taschenbuch“ von 1867); Carus, Geschichte der Zoologie (Münch. 1872).
Physionomīe (griech.), Lehre von den Naturgesetzen; auch s. v. w. Physiognomie (s. d.).
Physioplástik (griech.), s. Plastische Operationen.
Physiotypīe (griech.), s. Naturselbstdruck.
Phȳsisch (griech.), in der Natur begründet oder sich darauf beziehend; p. unmöglich ist, was nach Naturgesetzen nicht statthaben kann.
Physkonīe (griech.), Vermehrung des Volumens, insbesondere Anschwellung der Leber und Milz.
Physoclisti, Unterordnung der Fische aus der Ordnung der Knochenfische; s. Fische, S. 298.
Physostígma Balf., Gattung aus der Familie der Papilionaceen mit der einzigen Art P. venenosum Balf. (Kalabarbohne, s. Tafel „Arzneipflanzen III“), einer mehrjährigen Kletterpflanze, welche große Ähnlichkeit hat mit unserer Feuerbohne, aber einen holzigen Stamm von 4 cm Dicke besitzt und zu einer Höhe von mehr als 15 m emporsteigt. Die Blätter sind dreizählig gefiedert; die achselständigen, hängenden Blütentrauben haben große, purpurrote Blüten, deren Narbe ein halbmondförmiges, blasenartiges Anhängsel besitzt. Die Hülsen sind etwa 14 cm lang und enthalten 1 oder 3 dunkel schokoladenbraune Samen, welche ca. 3 cm lang, nierenförmig und durch eine tiefe, von erhabenen Rändern umgebene Rinne ausgezeichnet sind. Die Pflanze wächst am Golf von Guinea zwischen 4–8° nördl. Br. und 6–12° östl. L. und ist auch in Indien und Brasilien eingeführt worden. Die Eingebornen benutzen die fast geruch- und geschmacklosen, aber höchst giftigen Bohnen zu einer Art Gottesurteil, d. h. man gibt sie den der Hexerei Beschuldigten zum Verschlucken, und Erbrechen oder Nichterbrechen entscheidet über die Schuld des Individuums. Die Pflanze wurde 1840 durch Daniell bekannt, 1859 beschrieb sie Balfour, und wenige Jahre später entdeckte Fraser ihre eigentümliche arzneiliche Wirkung. Diese beruht auf dem Gehalt an einem Alkaloid, Physostigmin (Eserin) C15H21N3O2, welches man als farb-, geruch- und geschmacklose, in Alkohol und Äther leicht lösliche, alkalisch reagierende, bei 45° schmelzende Masse erhält, die sich bei 100° zersetzt. Außerdem enthält die Bohne Calabarin, ein dem Strychnin ähnliches Alkaloid, und indifferentes Physosterin. Das Physostigmin lähmt die motorischen Nerven und bewirkt ganz bedeutende Pupillenkontraktion. Man
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0043.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)