verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
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besondern Harnblase an. Die Schlangen scheiden einen Harn von fester Form und ungemein reich an Harnsäure aus. Die Geschlechtsorgane stimmen am meisten mit denen der Vögel überein. Stets sind die Geschlechter getrennt und immer Begattungsorgane vorhanden. Sonstige Geschlechtsunterschiede kommen nur bei einigen Eidechsen in der Form von Hautkämmen vor. Die Vereinigung beider Geschlechter ist stets eine wahre Begattung und führt zu einer Befruchtung der Eier im mütterlichen Organismus. Hoden und Eierstöcke sind paarige Organe von einfachem Bau. Die Eier erhalten in einem besondern Abschnitt des Eileiters eine Kalkschale und werden dann meist nach außen abgelegt; doch gebären auch Schlangen und Eidechsen lebendige Junge. In der Regel vergraben die Weibchen die Eier in feuchter Erde an gesicherten, warmen Plätzen, ohne sich weiter um das Schicksal der Brut zu kümmern; nur bei den Riesenschlangen hat man eine Art Brutpflege beobachtet. Die Entwickelung trennt die R. ganz besonders von den Amphibien und schließt sie den Vögeln an; charakteristisch ist in dieser Hinsicht vor allem das Auftreten der den Embryo umschließenden Schafhaut (Amnion) und des Harnsackes (Allantois), nicht minder aber auch der Ausfall der Kiemenatmung während der Jugendstadien sowie der Mangel einer Metamorphose. Bei den Schlangen und Eidechsen bedienen sich die Embryonen zum Durchbrechen der Eischale eines zahnartigen Fortsatzes am Zwischenkiefer, wie dies auch die Jungen der Vögel thun.
Bei weitem die meisten R. sind vorherrschend Landbewohner und lieben bald mehr feuchte Plätze, bald das trockne Land, selbst die Wüste; manche klettern geschickt und leben ganz auf Bäumen. Auch die im Wasser lebenden (wie die Seeschildkröten und einige andre Schwimmer) scheinen, wenn sie nicht lebendige Junge gebären, ans Land zu kommen, um ihre Eier abzusetzen. Ihr Wachstum ist außerordentlich langsam und dauert, wie es scheint, zeitlebens fort; auch die Geschlechtsreife tritt erst spät ein. Sie erreichen ein hohes Alter, haben ein überaus zähes Leben, können geraume Zeit ohne Nahrung auch bei beschränkter Atmung existieren und sind, obgleich in geringerm Grad als die Amphibien, zur Wiederersetzung verstümmelter oder verloren gegangener Körperteile befähigt. Viele von den in gemäßigten Klimaten wohnenden Formen verfallen mit dem Eintritt der kalten Jahreszeit in eine winterschlafähnliche Erstarrung, aus der sie erst mit der wiederkehrenden Wärme erwachen. Umgekehrt halten manche Formen der Tropen einen Sommerschlaf und erwachen mit dem Eintritt der Regenzeit. Fast alle R., mit Ausnahme einiger Schildkröten und Eidechsen, sind Fleischfresser; die kleinern Formen nähren sich großenteils von Insekten, die größern dagegen von Wirbeltieren und zum Teil Warmblütern; viele finden ihren Lebensunterhalt besonders im Wasser und bevölkern die Lagunen und Mündungen größerer Ströme. Das psychische Leben der R. steht noch durchweg auf einer tiefen Stufe und erhebt sich nur wenig über das der Amphibien. Fast nur beim Eintritt des Nahrungsbedürfnisses, dem z. B. viele Schlangen nur selten, aber dann gleich für lange Zeit genügen, werden sie lebhaft und beweglich.
Man kennt etwa 3000 Arten R., darunter gegen 500 fossile. Die Mannigfaltigkeit und Größe der Formen steigt mit der Annäherung an den Äquator; nur wenige Schlangen und Schildkröten reichen in die kältern Teile der gemäßigten Zone hinein; die Krokodile sind ganz auf die heiße Zone beschränkt. Landschildkröten fehlen in Australien. Die ältesten fossilen Reste von R. gehören der Primärzeit an, doch erscheinen dieselben in diesem Zeitalter nur äußerst spärlich und auf die Kupferschieferformation beschränkt. Eine weit größere Mannigfaltigkeit hat die Sekundärzeit, namentlich Trias und Jura, aufzuweisen, und man kann annehmen, daß in dieser Periode die R. die größte Verbreitung hatten. Damals lebten hauptsächlich Eidechsen und verschiedene größere, seither ausgestorbene Gruppen, so die Ichthyosaurier, Enaliosaurier, Dinosaurier etc., von denen viele Vertreter eine kolossale Größe (bis zu 25 m) erreichten. Auch die nach Art der Fledermäuse sich bewegenden Pterosaurier sind auf jene Epoche beschränkt. Eidechsen, den heutigen Formen nahe verwandt, treten erst in den obersten Schichten des Jura auf und nehmen von da ab an Menge zu. Schlangen beginnen in der Tertiärzeit, echte Krokodile in der Kreide, Schildkröten vereinzelt im Keuper, häufiger erst im Jura und in der Tertiärformation. Unsre Kenntnis von den fossilen R. ist jedoch, trotzdem eine große Menge von zum Teil abenteuerlichen Gestalten beschrieben worden, noch sehr unvollständig, namentlich mit Bezug auf die Verwandtschaft der einzelnen Gruppen zu einander und zu andern Wirbeltieren, obwohl die Funde in Nordamerika (s. z. B. Dinosaurier) neuerdings manche Kluft überbrückt haben. Die Klassifikation der R. ist daher zur Zeit noch ziemlich provisorisch. Man unterscheidet folgende zum Teil ganz isoliert dastehende Ordnungen:
1) Enaliosaurier oder Seedrachen mit den Unterordnungen der Sauropterygier und Ichthyopterygier, seit dem Ende der Sekundärzeit ausgestorben (s. Enaliosaurier).
2) Plakodonten (Placodontia), aus der Trias, mit Mahl- und Schneidezähnen in den Kiefern und Gaumenbeinen, im übrigen wenig bekannt (s. Placodus auf Tafel „Triasformation I“), früher zu den Fischen gerechnet.
3) Pterosaurier oder Flugeidechsen, eine gleichfalls isolierte Gruppe, die von der Lias bis zur Kreide reicht und durch den Besitz von Flughäuten gekennzeichnet ist (s. Pterosaurier).
4) Theriodonten (Theriodontia), aus triassischen Schichten vom Kap der Guten Hoffnung, mit Zähnen ähnlich denen der Säugetiere. Hauptgattungen Lycosaurus, Galesaurus.
5) Anomodonten (Anomodontia), aus triassischen und andern Schichten von Südafrika, Südasien und dem Ural, vielleicht die Stammeltern der Schildkröten; Tiere mit bikonkaven (Fisch-) Wirbeln, Gehfüßen und zum Teil auch mit einem starken Schnabel, neben dem im Oberkiefer häufig noch jederseits ein nach unten gerichteter Stoßzahn steht (Dicynodontia). Bei andern sind die Kiefer aber voller Zähne (Cynodontia, Rhopalodontia).
6) Thekodonten (Thecodontia), aus der Dyas und Trias, zum Teil riesige Tiere (Belodon), vom Neckar und aus Nordamerika, vielleicht Vorfahren der Krokodile; Tiere mit bikonkaven Wirbeln und Gehfüßen.
7) Krokodile, von der Lias bis zur Jetztzeit, im Wasser lebende R. mit langem Ruderschwanz und mit knöchernen Hautschildern (s. Krokodile).
8) Rhynchocephalinen (Rhynchocephalina), früher zu den Leguanen gerechnet, mit einem einzigen lebenden Vertreter (Hatteria punctata Gray, die Kammeidechse von Neuseeland), ausgezeichnet durch Fischwirbel und andre Eigentümlichkeiten des Baues. Hierher gehörige Versteinerungen aus der Trias sind in Schottland und Indien sowie in Neumexiko gefunden (Rhynchosaurus; Ophiacodon, bis zu 3 m lang).
9) Mosasaurier (Mosasaurii) oder Maaseidechsen, aus der Kreide und dem Jura, von den einen als Vorfahren der Schlangen (Pythonomorphen), von andern als schwimmende Eidechsen angesehen. In Europa vergleichsweise selten (an der Maas gefunden, daher der Name Mosasaurus, s. Tafel „Kreideformation“), sind sie in dem Binnenmeer des Jura zu beiden Seiten des Felsengebirges in Nordamerika in großen Mengen und in riesigen Exemplaren (bis zu 25 m lang) neuerdings entdeckt worden. Sie hatten mehrere Zahnreihen im Mund und waren mit Ruderfüßen versehen.
10) Eidechsen oder Saurier, von der Trias an bis zur Gegenwart, auf dem Land lebende, beschuppte R., in der Regel mit vier Extremitäten (s. Eidechsen).
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 738. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0738.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)