verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
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(nur wenige Gattungen sind skelettlos) ist meist glashelle, durchsichtige, homogene Kieselsäure, welche, wie bei den Schwämmen, solide und hohle Nadeln, Gitternetze etc. bilden hilft; bei einer Gruppe aber bestehen die Nadeln des Skeletts aus einer Art Eiweiß, dem sogen. Akanthin. Die Fortpflanzung ist erst bei wenigen Gattungen genauer bekannt geworden, und zwar geschieht sie meist durch Bildung von Schwärmsporen innerhalb der Zentralkapsel. Die Radiolarien, deren Kolonien die Größe von mehreren Zentimetern erreichen, sind fast alle mikroskopisch klein. Sie sind Meeresbewohner und schwimmen an der Oberfläche der See, tauchen aber auch in tiefere Schichten hinab; ihre Kieselgehäuse sind gerade für die Absätze in den tiefsten Abgründen der Ozeane charakteristisch. Noch neuerdings hat die Weltumseglung des Challenger Tausende neuer Arten mit den wunderbarsten Skeletten kennen gelehrt. Als Fossilien spielen die Radiolarien zwar nicht die bedeutende Rolle wie die Foraminiferen, indessen finden sie sich doch in Tripeln, Polierschiefern und Kreidemergeln der tertiären Schichten und bilden auf Barbados und den Nikobaren sogar ganze Felsen. Man teilt die Radiolarien in vier große Gruppen ein: a) Thalassicollea, Einzeltiere, bei denen das Skelett fehlt oder aus einzelnen zusammenhangslosen, rings um die Zentralkapsel zerstreuten Kieselnadeln (spicula) oder aus einem lockern Geflecht unregelmäßig verbundener Nadeln und Stäbe besteht, sich aber niemals in die Zentralkapsel fortsetzt; b) Polycystinea; das Skelett bildet eine sehr verschieden gestaltete Gitterschale, die häufig durch Einschnürungen in mehrere Glieder zerfällt und eine Längsachse besitzt. Oft sind mehrere sphäroidale Schalen eingeschachtelt und durch radiale Stäbe verbunden, oder es tragen starke radiale Hohlstacheln ein System tangentialer Netzbalken anstatt des Gittergehäuses; c) Acanthometrae; das Skelett besteht aus radialen Akanthinstacheln, welche sich in der Zentralkapsel vereinigen, häufig auch noch durch Fortsätze eine äußere Gitterschale bilden; d) Meerqualstern (Polycyttaria), Kolonien mit zahlreichen Zentralkapseln (Nestern), oft von ansehnlicher Größe, bald ohne Skelett, bald mit spärlichem Netzwerk von Nadeln, bald mit Gitterkugeln in der Umgebung der Zentralkapseln. Sie erscheinen als Gallertklumpen von kugeliger, stabförmiger oder kranzförmiger Gestalt. S. Tafel „Protozoen“. Vgl. d’Orbigny, Tableau méthodique de la classe des Céphalopodes (Par. 1826); Dujardin, Observations sur les Rhizopodes (das. 1835); Schultze, Über den Organismus der Polythalamien (Leipz. 1854); Derselbe, Über das Protoplasma der R. (das. 1863); Ehrenberg, Über noch zahlreich jetzt lebende Tierarten der Kreidebildung (Berl. 1839); Williamson, On the recent Foraminifera (Lond. 1858); Carpenter, Introduction to the study of the Foraminifera (das. 1862); Häckel, Die Radiolarien (Berl. 1862–87, 2 Tle.); R. Hertwig, Der Organismus der Radiolarien (Jena 1879); Brandt, Monographie der koloniebildenden Radiolarien (Berl. 1885).
Rhizotōmen (griech., „Wurzelschneider“), im Altertum die Sammler und zugleich die ersten Kenner von Arzneikräutern.
Rhizotrogus, Junikäfer, s. Maikäfer.
Rhò, Flecken in der ital. Provinz Mailand, Kreis Gallarate, an der Eisenbahn Mailand-Novara-Turin, mit Abzweigung nach Varese und Arona, hat eine von Pellegrino Tibaldi 1583 entworfene Wallfahrtskirche, ein Konvikts- und ein Missionärkollegium und (1881) 3774 Einw.
Rhöadinen, Ordnung im natürlichen Pflanzensystem aus der Abteilung der Dikotyledonen, charakterisiert durch zwei- bis vierzählige, mit Kelch und Krone versehene Blüten, vier oder mehr Staubblätter und zwei bis viele zu einem oberständigen Fruchtknoten mit wandständigen Samenleisten verwachsene Fruchtblätter. Häufig kommen bei ihnen aufspringende Früchte vor, deren Klappen sich von der stehen bleibenden Placenta ablösen. Die Ordnung umfaßt die Familien der Papaveraceen, Fumariaceen, Kruciferen und Kapparidaceen.
Rhodănus, Fluß, s. Rhône.
Rhodānverbindungen (Thiocyan-, Sulfocyan-, Schwefelcyanverbindungen) finden sich als normale Produkte der rückschreitenden Stoffmetamorphose in fast allen Flüssigkeiten der Säugetiere, beim Menschen namentlich im Speichel und entstehen bei Einwirkung von Schwefel auf Cyanmetalle oder von Cyanwasserstoffsäure auf Schwefelammonium, beim Glühen von Schwefelkalium in Cyangas, beim Erhitzen von stickstoffhaltigen organischen Substanzen mit Alkali und Spuren von Schwefelsäuresalzen, bei Einwirkung von Ammoniak auf Schwefelkohlenstoff sowie unter mannigfachen andern Verhältnissen. Aus den Rhodanmetallen läßt sich Rhodanwasserstoffsäure (Schwefelcyanwasserstoffsäure, Sulfocyansäure, Thiocyansäure, Schwefelblausäure) HCNS abscheiden, z. B. durch Behandeln von Rhodankalium mit verdünnter Schwefelsäure. Dieselbe bildet eine farblose, ölartige Flüssigkeit, riecht stechend, essigartig, schmeckt rein sauer, erstarrt bei −12,5°, mischt sich mit Wasser, ist mit demselben destillierbar und siedet bei 102,5°. Mit Basen bildet sie die Rhodanmetalle (Rhodanide, Sulfocyanate, Sulfocyanide), welche nicht giftig, kristallisierbar, meist in Wasser löslich sind und Eisenoxydsalze blutrot färben (empfindliche Reaktion). Die Rhodanide der Alkali- und Erdalkalimetalle ertragen trockne und bei Ausschluß der Luft ziemlich hohe Temperaturen, zersetzen sich aber beim Erhitzen an der Luft. Die Rhodanide der Schwermetalle sind viel weniger beständig. Ammoniumrhodanid (Rhodanammonium, thiocyansaures Ammoniak) NH4CNS entsteht beim Erwärmen von Cyanwasserstoffsäure mit gelbem Schwefelammonium oder beim Mischen von Schwefelkohlenstoff mit Alkohol und Ammoniakflüssigkeit und Verdampfen. Es bildet farblose, zerfließliche Kristalle, löst sich leicht und unter sehr starker Temperaturerniedrigung in Wasser, auch in Alkohol, schmilzt bei 169° und zersetzt sich bei wenig höherer Temperatur. Es wird in Leuchtgasanstalten als Nebenprodukt gewonnen und durch Erhitzen mit Pottasche, Kohlen und Eisen in Ferrocyankalium (Blutlaugensalz) übergeführt. Kaliumrhodanid (Rhodankalium, thiocyansaures Kali) KCNS entsteht beim Schmelzen von geröstetem gelben Blutlaugensalz mit kohlensaurem Kali und Schwefel und wird durch Auskochen der Schmelze mit Weingeist und Verdampfen der Lösung in farblosen Kristallen erhalten. Es schmeckt kühlend, etwas beißend, ist zerfließlich, löst sich unter starker Temperaturerniedrigung im Wasser, ist narkotisch giftig und dient als scharfes Reagens auf Eisenoxydsalze, mit welchen es eine außerordentlich intensiv blutrote Färbung gibt. Man benutzt es deshalb in der analytischen Chemie, auch zu Kältemischungen, zur Darstellung andrer R. und des künstlichen Senföls. Man hat es auch, da es sich leicht bildet, zur Darstellung von Blutlaugensalz verwertet, indem man Schwefelkohlenstoff auf Ammoniak einwirken ließ und das entstandene sulfokarbonsaure Ammoniak
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 792. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0792.jpg&oldid=- (Version vom 25.9.2022)