verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
|
er dort seine Studien und Arbeiten fort. Versuche, durch Vermittelung berühmter Schriftsteller (er wandte sich an Herder, Wieland, Lichtenberg u. a.) einen Verleger zu gewinnen, schlugen fehl. Zu Anfang 1787 bot sich endlich dem Dichter wenigstens ein Unterkommen als Hauslehrer dar, er übernahm den Unterricht eines jüngern Bruders seines Freundes Örthel zu Töpen. Seine dortige Stellung war jedoch unbehaglich, und schon im Sommer 1789 kehrte er nach Hof zurück. Inzwischen schrieb er neue Satiren unter dem Titel: „Auswahl aus des Teufels Papieren“ (Gera 1789), die ebensowenig Aufsehen erregten wie Jean Pauls Erstlingsbuch. Im März 1790 übernahm dieser aufs neue ein Lehramt. Einige Familien zu Schwarzenbach beriefen ihn zum Unterricht ihrer Kinder, und jetzt betrieb der Dichter sein Amt in angenehmen persönlichen Verhältnissen mit wahrhaft begeisterter Freudigkeit. Die Sonntagsbesuche in Hof gewährten erquickliche Erholung, und in dem damals mit seinem dortigen Freund Otto immer inniger geschlossenen Herzensbund erwuchs ihm ein köstlicher Besitz für sein ganzes späteres Leben. Um jene Zeit beschloß der Dichter, sich zuerst in einer größern Schöpfung, einem pädagogischen Roman, zu versuchen. Ehe derselbe aber in Angriff genommen wurde, entstanden einige kleinere Humoresken: „Die Reise des Rektors Fälbel und seiner Primaner“, „Des Amtsvogts Freudels Klaglibell über seinen verfluchten Dämon“ und das „Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auethal“. Sogleich nach Vollendung des „Wuz“ begann R. den beabsichtigten großen Roman. Während der Arbeit zwar verflüchtigte sich der ursprüngliche Plan, die „Unsichtbare Loge“ (Berl. 1793, 2 Bde.) blieb unvollendet; „eine geborne Ruine“ nannte der Dichter selbst sein Werk, in welchem neben einzelnen unvergleichlich schönen Stellen bereits die ganze Unfähigkeit Jean Pauls zu plastischer Gestaltung, die maßlose Überwucherung der phantastischen Elemente und alles, was sonst den reinen Genuß an seinen Dichtungen stört, zu Tage trat. Gleichwohl bildet das Erscheinen des Buches in Jean Pauls Leben einen Wendepunkt günstigster Art. Das verhältnismäßig hohe Honorar, das es eintrug, endete zunächst die materielle Not des Dichters; nicht minder wirkte es geistig befreiend und ermutigend auf ihn. Im Herbst 1792 legte er seine Hand an einen neuen Roman, den „Hesperus“ (Berl. 1795), der sich gleich der „Unsichtbaren Loge“ eines großen Erfolgs beim Publikum erfreute. Seit dem Frühling 1794 wieder in Hof bei der Mutter weilend, schrieb er in den nächstfolgenden Jahren: „Das Leben des Quintus Fixlein“ (Bair. 1796), ein humoristisches Idyll wie das Leben Wuz’, nur in breiterer Anlage; die „Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin“ (Berl. 1796), ein Romantorso mit satirischem Anhang; die „Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten Siebenkäs“ (das. 1796–97, 4 Bde.), in gewissem Sinn die beste Schöpfung des Dichters, welcher in den Persönlichkeiten des sentimentalen Siebenkäs und des satirischen Leibgeber die entsprechenden Elemente seiner eignen Natur zu verkörpern versuchte. Noch während der Arbeit an dem letztgenannten Roman empfing Jean Paul eine briefliche Einladung nach Weimar, von weiblicher Hand geschrieben. In der Ilmstadt, meldete die Briefstellerin, die sich Natalie nannte (welchen Namen der Dichter alsbald einer Gestalt im Siebenkäs anheftete), seien die besten Menschen von Jean Pauls Werken entzückt. Ohne Verzug folgte dieser dem Ruf. Seine Aufnahme übertraf alle seine Erwartungen; vor allen andern begegnete ihm Charlotte v. Kalb (die pseudonyme Briefschreiberin) mit glühender Verehrung. „Sie ist ein Weib wie keines“, berichtete Jean Paul an Freund Otto, „mit einem allmächtigen Herzen, mit einem Felsen-Ich, eine Woldemarin.“ Zurückhaltender empfingen Goethe und Schiller den Hesperusverfasser, der sich in Weimar meist im Kreis des ihm wahlverwandten Herder bewegte. In jene Zeit fallen die Anfänge des „Titan“, die Abfassung des „Jubelsenior“ (Leipz. 1797) und die Schrift „Das Kampanerthal, oder: Die Unsterblichkeit der Seele“ (Erfurt 1798). Im Sommer 1797 trat eine neue weibliche Gestalt auf die Lebensbühne des Dichters, Emilie v. Berlepsch, eine junge und schöne Witwe, mit der Jean Paul eine Reihe wunderlich exaltierter Szenen durchmachte. Fast hätte eine (vermutlich unglückliche) Heirat den dramatischen Abschluß gebildet. Im Oktober 1797 führte eine Reise nach Leipzig den nun berühmt Gewordenen auf den Schauplatz seiner einstigen Kümmernis, und jetzt drängten sich die Bewunderer um ihn. 1798 folgte auf Einladung der Herzogin Amalie ein abermaliger Besuch in Weimar. Nach einem kurzen Aufenthalt in Hildburghausen (Frühjahr 1799), wo er vom Herzog den Titel eines Legationsrats erhielt, ging Jean Paul nach Berlin, in der Absicht, sich dort dauernd niederzulassen. Im Mai 1801 verheiratete er sich daselbst mit der Tochter des Tribunalrats Meyer, aber eine vom König erbetene Versorgung blieb versagt. Von den damals entstandenen Werken sind hervorzuheben: „Palingenesien“ (Gera 1798, 2 Bde.); „Jean Pauls Briefe und bevorstehender Lebenslauf“ (das. 1799) und die „Clavis Fichtiana“ (Erfurt 1800), eine Satire auf den Fichteschen Idealismus. In Berlin behagte es dem Dichter nicht auf die Dauer; bald nach seiner Hochzeit nahm er seinen Wohnsitz in Meiningen, wo er zum Herzog Georg in vertraute Beziehungen trat und den „Titan“ (Berl. 1800–1803, 4 Bde.) vollendete. Schon im Mai 1803 verließ er Meiningen wieder und siedelte sich nach kurzem Aufenthalt zu Koburg in Baireuth an, wo er bis zu seinem Tod wohnen blieb. Das nächste größere Werk des fortan in nur selten unterbrochener idyllischer Zurückgezogenheit lebenden Dichters war ein philosophisches, die „Vorschule der Ästhetik“ (Hamb. 1805, 3 Bde.; Tübing. 1813), ein Buch voll geistreichster Einfälle, aber auch voll konfuser Theoreme. Danach folgte die Abfassung der „Flegeljahre“ (Tübing. 1804–1805, 4 Bde.). Auch in diesem Roman, welcher zu den genialsten Schöpfungen Jean Pauls gehört und ihm selbst die liebste blieb, hat er die eigne Doppelnatur, die Gemütsinnigkeit und die humoristische Neigung seines Wesens, jene in dem weich gestimmten Walt, diese in dessen Zwillingsbruder Vult, zur Darstellung bringen wollen. In der „Levana, oder Erziehungslehre“ (Braunschw. 1807, 3 Bde.; Stuttg. 1815, 4. Aufl. 1861) sollten die in der „Unsichtbaren Loge“, im „Titan“ und in den „Flegeljahren“ in Romanform dargelegten Grundsätze theoretisch ausgeführt wiederkehren. Während der Zeit der französischen Fremdherrschaft schrieb Jean Paul zu eigner und seines Volkes Erheiterung die Humoresken: „Des Feldpredigers Schmälzle Reise nach Flätz“ (Tübing. 1809) und „Doktor Katzenbergers Badereise“ (Heidelb. 1809; Bresl. 1823), zwei Erzählungen von derbster Komik. Aber auch in ernsthaftern, wenngleich an satirischen Schlaglichtern reichen Schriften suchte er den gesunkenen Mut der Nation aufzurichten, so in der „Friedenspredigt in Deutschland“
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0812.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2021)