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Seite:Meyers b13 s0927.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13

steht die Satire, die einzige poetische Gattung, welche die Römer selbständig und unabhängig von den Griechen zur Ausbildung gebracht haben. Ursprünglich bedeutete satura, wie erwähnt, eine aus Musik, Tanz und Gesang gemischte dramatische Aufführung. Ennius scheint zuerst den Namen zur Bezeichnung einer Gedichtsammlung von verschiedenartigem Inhalt und Versmaß verwendet zu haben. Solcher Art waren auch die Satiren des Gajus Lucilius (gest. 103 v. Chr.); jedoch erhielt durch ihn die Gattung eine bestimmte und für die Folgezeit maßgebende Richtung, durch die sie im wesentlichen zu dem wurde, was wir darunter verstehen, indem er die verschiedenartigsten Erscheinungen des damaligen Lebens zum Gegenstand einer bald humoristischen, bald schonungslos rügenden Besprechung machte. Eine dem verfeinerten Zeitgeschmack entsprechende Erneuerung und Fortbildung fand die Lucilische Satire in der Augusteischen Zeit durch die Sermonen und Episteln des Horaz, der sich auf den ausschließlichen Gebrauch des Hexameters beschränkte und nur das soziale und litterarische Leben in den Kreis seiner überwiegend humoristischen Besprechung zog. Seine Nachfolger waren im 1. Jahrh. n. Chr. Persius und Juvenalis, die teils infolge ihrer Individualität, teils veranlaßt durch die allgemeine Sittenverderbnis den zur Satire herausfordernden Kontrast zwischen Ideal und Wirklichkeit mit Bitterkeit und Schärfe behandelten. Eine eigentümliche Abart war die sogen. Menippeische Satire des in der letzten Zeit der Republik lebenden Polyhistors Varro, welcher nach dem Vorgang des Cynikers Menippos von Gadara ernste Gegenstände in humoristischem Ton und in einer aus Prosa und Poesie gemachten Form behandelte.

Die Fabel kam als besondere Dichtungsart erst zur Zeit des Tiberius und Claudius durch Phädrus zur Ausbildung. Außer ihm besitzen wir noch von Avianus aus dem 4. Jahrh. n. Chr. eine Fabelsammlung. – Die alexandrinische Idyllendichtung wurde in die römische Litteratur im Anfang des Augusteischen Zeitalters durch den jungen Vergil eingeführt, der in seinen „Eklogen“ jedoch hinter seinem Vorbild Theokrit ebenso zurückblieb wie hinter ihm Calpurnius Siculus (um 55 n. Chr.) und hinter diesem dessen Nachahmer Nemesianus (Ende des 3. Jahrh.). Die unter dem Namen Idylle vereinigten Dichtungen des Ausonius und Claudian verdienen diese Bezeichnung nur in beschränktem Maß.

Von den Kunstformen der Lyrik fand die leichteste, das Epigramm, schon früh auf römischem Boden Pflege und wurde seit Ennius bis in die spätesten Zeiten für mannigfache Zwecke, als Aufschrift, Gelegenheits- und Sinngedicht, teils auch als kleine erotische Elegie, verwendet. Hauptmeister in dieser Gattung ist Martialis (2. Hälfte des 1. Jahrh. n. Chr.). Die in großer Anzahl vorhandenen vereinzelten Erzeugnisse der römischen Epigrammenlitteratur sind in neuerer Zeit unter dem Namen der lateinischen Anthologie gesammelt worden. Der Einführung und Entwickelung der übrigen lyrischen Gattungen stand lange Zeit der vorwiegend dem Handeln zugewandte Charakter der Römer entgegen. Erst am Ende der Republik gewann durch den Einfluß der alexandrinischen Dichter besonders die Elegie in Rom Boden, und in dieser Gattung übertrafen die Schüler bald ihre Lehrer durch Wahrheit und Wärme der Empfindung wie durch Kunstvollendung. Der erste eigentliche römische Lyriker ist Catullus (geb. 87 v. Chr.), der sich in den verschiedensten lyrischen Formen mit Erfolg versuchte. Auf der von ihm gebrochenen Bahn weiterschreitend, brachten in der Augusteischen Zeit Propertius, Tibullus und Ovid die Elegie zur höchsten Blüte, während Horaz die Formen der iambischen Poesie und der äolischen Lyrik ausbildete. Seitdem war die Gewandtheit in der Handhabung der verschiedenen lyrischen Formen außerordentlich verbreitet und wurde von zahlreichen berufenen und unberufenen Dichtern bis in späte Zeiten geübt. Besonders glänzende Vertreter dieser Formbeherrschung sind Statius im 1. Jahrh. n. Chr. und Ausonius im 4. Jahrh. Eine hervorragendere Leistung unter den vielen inhaltlich unbedeutenden der spätern Lyrik ist das „Pervigilium Veneris“ („Nachtfeier der Venus“) aus dem 2. oder 3. Jahrh.

Die Prosalitteratur.

Auf dem Gebiet der Prosa haben wir schon aus früher Zeit Kunde von mancherlei Aufzeichnungen: sakralrechtlichen Formularen, Handels- und Bundesverträgen, von den Pontifices geführten Jahrbüchern („Annales Pontificum“ oder „Annales maximi“), in welche außer den jährlichen Magistraten die verschiedenartigsten Vorfälle des Jahrs nach dem Datum in nüchterner Form eingetragen wurden, Familienchroniken u. a. Besonders bedauernswert ist der Verlust des Landrechts der zwölf Tafeln aus den Jahren 451–450 v. Chr., welches nicht bloß in politischer und juristischer Beziehung, sondern auch litterarhistorisch von großer Bedeutung war als das älteste römische Schriftwerk, welches den Namen eines Buches verdient. Eine wirkliche römische Prosalitteratur entwickelte sich erst verhältnismäßig spät. Der Begründer der schriftmäßigen Prosa ist M. Porcius Cato (234–149), der zuerst die lateinische Sprache für eine vielseitige schriftstellerische Thätigkeit verwendete.

Im wesentlichen Unterschied von der Poesie ging die Geschichtschreibung bei den Römern von den höhern Ständen aus und blieb bis zum 1. Jahrh. v. Chr. ausschließlich in den Händen derselben. Ihre ersten Anfänge fallen in die Endzeit des zweiten Punischen Kriegs, wo Q. Fabius Pictor die lange Reihe der Annalisten eröffnete, so genannt, weil sie sich in ihren Darstellungen der römischen Geschichte, deren ganzen Verlauf sie bis auf ihre Zeit zu schildern pflegten, der Annalenform bedienten. Wie Fabius, so schrieben auch seine nächsten Nachfolger griechisch bis Cato, der in seinen „Origines“ nicht nur zuerst das Lateinische zum Darstellungsmittel machte, sondern auch den Gegenstand zu einer Geschichte Italiens erweiterte. Bis in Ciceros Zeit fand diese annalistische Behandlung der römischen Geschichte ununterbrochen Vertreter (s. Annalen). Gemeinsam war allen die Ausbeutung ihrer Vorgänger und das Bestreben, die Ereignisse in ein für Rom möglichst günstiges Licht zu stellen, anfangs durch Verschweigen des Ungünstigen, später auch durch Übertreibungen; ebenso allgemein war der sich immer steigernde Hang zu rhetorischer Ausschmückung, und dieser rhetorische Charakter ist eine Haupteigentümlichkeit der römischen Geschichtschreibung geblieben. Von dieser ganzen annalistischen Litteratur sind nur dürftige Bruchstücke erhalten. Die Reihe der noch vorhandenen Geschichtschreiber eröffnet Gajus Julius Cäsar, dessen „Commentarii de bello gallico“ und „de bello civili“ zu den besten Erzeugnissen der römischen Prosa gehören. Sein Zeitgenosse war Cornelius Nepos, der Freund des Cicero, Atticus und Catullus, von dessen zahlreichen Schriften wir noch kurze Biographien meist griechischer Feldherren besitzen. Von Gajus Sallustius Crispus (87–36), dem ersten kunstgerechten Historiker der Römer, haben wir die Geschichte

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 927. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0927.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2024)
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