verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
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dem römischen riche, gesetzen und ire geschrieben Rechten“ richten sollte, und die Reichskammergerichtsordnung (1495) erkannte die Rezeption an, indem sie die Richter auf „des Reichs und gemeine Rechte“, jedoch auch auf Statuten und Gewohnheiten verwies. Aber erst im 16. und 17. Jahrh., als auch die Untergerichte überall mit Rechtsgelehrten besetzt waren, war die Rezeption vollendet. Vgl. A. Stölzel, Die Entwickelung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien (Stuttg. 1872, 2 Bde.).
Die Anwendung des römischen Rechts auf einheimische Rechtsverhältnisse, welche auf ganz andrer sittlicher Auffassung, auf andern Gewohnheiten und wirtschaftlichen Bedingungen beruhen, rief viele und oft nur zu begründete Klagen und teilweise heftigen und zähen Widerstand hervor. Es hat denn auch das römische Recht weder das einheimische deutsche ganz zu verdrängen, noch sich selbst von dem Einfluß des letztern frei zu erhalten vermocht. Einmal ist es nur insoweit rezipiert, als es in dem „Corpus juris civilis“ enthalten und soweit dieses von den Glossatoren glossiert ist. Sodann sind nicht anwendbar diejenigen Bestimmungen, welche sich auf das Staatsrecht oder auf solche Einrichtungen beziehen, die in Deutschland nicht vorhanden sind, oder welche dem hier geltenden öffentlichen Recht widerstreiten. Es ist daher das heutige römische Recht wesentlich von demjenigen unterschieden, welches unmittelbar in dem „Corpus juris“ enthalten ist, und man kann, genau genommen, nicht den Inhalt des letztern, sondern die in den gangbaren Lehrbüchern vorgetragenen, in den Gerichten anerkannten Lehren als das geltende römische Recht ansehen.
Seit der Mitte des 18. Jahrh. machte sich eine Gegenströmung gegen das römische Recht bemerkbar. Aus derselben sind das schon seit dem Regierungsantritt Friedrichs II. ins Auge gefaßte allgemeine preußische Landrecht von 1794, welches das römische Recht nur als Aushilfsrecht bestehen ließ, und das schon von Maria Theresia beabsichtigte österreichische Gesetzbuch von 1811 hervorgegangen. Infolge der französischen Revolution ward das römische Recht am linken Rheinufer und in Baden vom französischen Recht, resp. von einer Nachbildung desselben verdrängt. 1815 mahnte Thibaut eindringlich an eine allgemeine deutsche Gesetzgebung, und obwohl Savignys Ansicht, welcher der Gegenwart den Beruf dazu absprach, zunächst die Oberhand behielt, fuhr man doch fort, neue Strafgesetzbücher und neue Straf- und Zivilprozeßordnungen zu erlassen, welche das römische Recht wenigstens auf diesem Gebiet mehr und mehr verdrängten. 1863 trat in Sachsen ein neues bürgerliches Gesetzbuch in Kraft, welches das römische Privatrecht vollständig beseitigte. In umfassendster Weise ist endlich die Gesetzgebung des neuen Deutschen Reichs dem Streben nach nationaler Rechtseinheit und Loslösung vom römischen Recht gerecht geworden (s. Deutsches Recht). Mit dem Inkrafttreten des allgemeinen deutschen Zivilgesetzbuchs wird dem römischen Recht nur noch ein wissenschaftlicher Wert und eine Bedeutung als juristisches Bildungsmittel zuerkannt werden können. Vgl. Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwickelung (Leipz. 1852–65, 4 Abtlgn.; 4. Aufl. 1878–88); Puchta, Kursus der Institutionen (8. Aufl., das. 1875, 2 Bde.); Derselbe, Pandekten (12. Aufl., das. 1877); Savigny, System des heutigen römischen Rechts (Berl. 1840–49, 8 Bde.); Krüger, Geschichte der Quellen und Litteratur des römischen Rechts (Leipz. 1888).
Römisches Reich. Das römische Volk, d. h. die Bewohner des altrömischen Staats, ist der Überlieferung nach aus der Vereinigung von Angehörigen dreier verschiedener Völker entstanden, der Latiner, Sabiner und Etrusker, und enthielt diesem Ursprung gemäß drei Stämme (tribus), Ramnes, Tities und Luceres genannt. Jeder dieser drei Stämme zerfiel in 10 Kurien, jede Kurie wiederum in 10 Dekurien oder Gentes (Geschlechter); an der Spitze jeder Tribus stand ein Tribunus, jeder Kurie ein Curio, jeder Dekurie ein Decurio. Die Angehörigen dieser Tribus waren die einzigen Vollbürger (Patrizier, patricii) und bildeten das ursprüngliche römische Volk (populus Romanus Quirites oder Quiritium, s. Quiriten); neben ihnen gab es in der ältesten Zeit nur noch Klienten, d. h. Hörige, welche, obgleich nicht unfrei, doch in persönlicher Abhängigkeit von einzelnen Vollbürgern standen (s. Klientel), und Sklaven. Weil die Vollbürger den Klienten einen väterlichen Schutz zu gewähren hatten, so hießen sie Patrone (patroni). Zu diesem Kern der ältesten römischen Bürgerschaft kamen aber schon unter den Königen, hauptsächlich unter dem vierten derselben, Ancus Marcius, zahlreiche Einwohner der benachbarten, hauptsächlich latinischen, Städte hinzu, welche nach Unterwerfung ihrer Städte in das römische Bürgerrecht aufgenommen wurden und wohl persönlich vollkommen frei waren, aber an dem Stimm- und Ehrenrecht der Vollbürger keinen Anteil hatten. Sie hießen Plebejer, und ihr Kampf um Gleichstellung mit den Patriziern bildet einen Hauptinhalt der innern Geschichte Roms. Hierzu kamen nach der Unterwerfung der Latiner die Bürger latinischen Rechts, die Bewohner der unterthänigen Städte (municipia), welche das Jus sine suffragio, das Bürgerrecht ohne Stimmrecht, d. h. die Pflichten eines römischen Bürgers (Aushebung und Steuern), hatten, aber nicht die Rechte eines solchen. Ein weiterer Bestandteil wurde zu dem Organismus des römischen Staats durch die Bundesgenossen (socii) hinzugefügt, d. h. durch diejenigen Völker, welche, nachdem sie besiegt worden, zwar ihre Selbständigkeit behielten, aber den Römern zur Heeresfolge und zu Tribut verpflichtet waren. Einen besondern Bestandteil der Bürger bildeten endlich noch die Freigelassenen (libertini), welche den übrigen Bürgern in mehrfacher Beziehung nachstanden. Alle diejenigen, welche nicht zu einer dieser Klassen gehörten, wurden Fremde (peregrini, in ältester Zeit auch hostes) genannt. Nachdem in dem bis ins 3. Jahrh. v. Chr. fast ununterbrochen fortgesetzten Kampf die politischen Vorrechte der Patrizier so gut wie völlig aufgehoben worden waren, bildete sich allmählich aus den Familien derer, welche vorzugsweise im Besitz der Ehrenstellen und großen Reichtums waren, ein neuer bevorrechteter Stand, die sogen. Nobilität; zwischen sie und die große Masse des Volkes trat der Ritterstand (ordo equester), welcher ohne alle Beziehung zum Kriegsdienst alle diejenigen umfaßte, welche ein bestimmtes Vermögen besaßen, und in der letzten Zeit der Republik nicht ohne politische Bedeutung war. In der Kaiserzeit nahm die Gesamtheit derjenigen Familien, deren Angehörige im Senat saßen oder gesessen hatten, immer mehr den Charakter eines eignen Standes, des Ordo senatorius, an.
Die Verfassung des Staats war ursprünglich eine monarchische. An der Spitze desselben stand ein vom Volk gewählter König, der die Funktionen des obersten Richters, Feldherrn und Priesters in sich vereinigte.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 933. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0933.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2024)