verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14 | |
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Kreis des preußischen Regierungsbezirks Liegnitz. – Die gleichnamige Hauptstadt des Kreises und Fürstentums, am Bober, Knotenpunkt der Linien Sommerfeld-Breslau, S.-Sorau, Lissa-Hansdorf und Neusalz-S. der Preußischen Staatsbahn, 114 m ü. M.,
Wappen von Sagan. | |
hat eine große evangelische und 3 kath. Kirchen, eine Gymnasialkirche, ein schönes Schloß (einst Wohnsitz Wallensteins, der 1629–30 Kepler hier bei sich hatte) mit Gärten, Treibhäusern, Park und vorzüglichen Sammlungen und (1885) mit der Garnison (eine reitende Abteilung Feldartillerie Nr. 5) 12,010 meist evang. Einwohner, welche starke Tuchfabrikation, Woll- u. Leinweberei, Garnspinnerei, Färberei, Zeugdruckerei, Holzschleiferei, berühmte Oblatenbäckerei, Bierbrauerei und lebhaften Handel betreiben. S. ist Sitz eines Amtsgerichts, einer Reichsbanknebenstelle und hat ein Gymnasium, ein Schullehrerseminar, eine Präparanden- und eine Strafanstalt. Vgl. Leipelt, Geschichte der Stadt und des Herzogtums S. (Sorau 1854).
Sagan, Dorothea, Herzogin von S., Prinzessin von Kurland und Semgallen, geb. 21. Aug. 1793, Tochter des Herzogs Peter von Kurland und Sagan und der Herzogin Dorothea, geborner Reichsgräfin von Medem (gest. 20. Aug. 1821), Nichte der bekannten Elise von der Recke, hatte früh die bedeutendsten Männer ihrer Zeit zu Verehrern und ward in das Getriebe der europäischen Diplomatie eingeweiht. Durch ihre Vermählung mit Edmund Talleyrand von Périgord, Herzog von Talleyrand und von Dino (22. April 1809), ward sie die Nichte des berühmten Talleyrand und dessen Liebling und spielte infolgedessen zur Zeit Napoleons I. und der Restauration eine sehr einflußreiche Rolle am französischen Hof. Die Ehe war aber unglücklich, und nach dem Tode Talleyrands (1838) verließ sie Paris und begab sich nach dem Herzogtum S., welches sie von ihren Schwestern geerbt hatte. Hier trat sie in ein romantisches Verhältnis zu dem jungen Fürsten Felix von Lichnowski. Friedrich Wilhelm IV., der sie hoch schätzte, verlieh ihr 1845 den Titel einer Herzogin von S. Sie starb 19. Sept. 1862.
Sagar (Saugor), Hauptstadt eines Distrikts in den britisch-ind. Zentralprovinzen (10,373 qkm oder 188 QM. mit 564,950 Einw.), an der Heerstraße von Benares nach Bombay 591 m ü. M. gelegen, kam 1818 an die Engländer, hat ein altes Fort mit englischer Besatzung und (1881) 44,416 Einw. Der Distrikt erzeugt vornehmlich Weizen.
Sagard, Flecken auf der Insel Rügen, Halbinsel Jasmund, hat eine evang. Kirche, Schlämmkreidefabrikation und (1885) 1471 Einw. Dabei das größte Hünengrab Rügens, das Dubberworth.
Sagasta, Don Práxedes Mateo, span. Staatsmann, geb. 21. Juli 1827 zu Torrecilla de Cameros, ward Ingenieur an der Spanischen Nordbahn, nach der Revolution 1854 von der Provinz Zamora in die konstituierenden Cortes gewählt, flüchtete nach Niederwerfung der radikalen Erhebung in Madrid im Juli 1856 nach Frankreich und ward, nach der Amnestie zurückgekehrt, Professor an der Ingenieurschule in Madrid, progressistisches Mitglied der Cortes und Redakteur der „Iberia“. Nach dem mißlungenen Aufstand vom 22. Juni 1866 floh er von neuem nach Frankreich, ward nach dem Aufstand von 1868 Minister des Innern und eifriger Anhänger Prims und durch seine Rivalität mit Zorrilla mehr und mehr zu konservativen Grundsätzen hingedrängt. Im Oktober 1871 zum Präsidenten der Cortes gewählt, trat er 20. Dez. als Minister des Innern in das Ministerium Malcampo, dessen Führung er 18. Febr. 1872 übernahm, mußte aber wegen Verwendung öffentlicher Gelder für Wahlagitationen 22. Mai 1872 zurücktreten, ward 3. Jan. 1874 nach dem Staatsstreich des Generals Pavia unter Serrano Minister des Auswärtigen, 13. Mai des Innern, 4. Sept. Ministerpräsident, wurde 30. Dez. durch die alfonsistische Erhebung gestürzt und war seitdem Führer der Konstitutionellen oder der sogen. dynastisch-liberalen Opposition in den Cortes, welche nach ihrer Vereinigung mit Martinez Campos und andern Generalen Canovas beim König zu Falle brachte und im Februar 1881 die Regierung übernahm. S. ward Ministerpräsident des neuen liberalen Kabinetts, das sich bis 1883 behauptete. 1885 trat er wiederum an die Spitze einer liberalen Regierung.
Sagazität (lat.), Scharfsinn.
Sage, im allgemeinen alles, was gesagt und von Mund zu Mund weiter erzählt wird, also s. v. w. Gerücht; im engern Sinn eine im Volk entstandene erdichtete oder durch Erdichtung ausgeschmückte und mündlich fortgepflanzte Erzählung von irgend einer Begebenheit. Knüpft sich die S. an geschichtliche Personen und Handlungen, indem sie die im Volk fortlebenden Erinnerungen an geschichtliche Zustände, Persönlichkeiten, dunkel gewordene Thaten zu vollständigen Erzählungen ausbildet, so entsteht die geschichtliche S. und, sofern sie sich auf die alten Helden des Volkes erstreckt, die Heldensage; sind aber die Götter mit ihren Zuständen, Handlungen und Erlebnissen Gegenstand der S., so entsteht die Göttersage oder der Mythus (s. Mythologie) und auf dem Gebiet monotheistischer dogmatischer Religion die Legende (s. d.). Haftet die Erzählung an bestimmten Örtlichkeiten, so spricht man von örtlichen Sagen. Noch eine Sagengattung bildet endlich die Tiersage, welche von dem Leben und Treiben der Tiere, und zwar fast ausschließlich der ungezähmten, berichtet, die man sich mit Sprache und Denkkraft ausgerüstet vorstellt. Oft hat sich um eine besonders bevorzugte Persönlichkeit, wie z. B. König Artus, Dietrich von Bern, Attila, Karl d. Gr. etc., und deren Umgebung eine ganze Menge von Sagen gelagert, die nach Ursprung und Inhalt sehr verschieben sein können, aber doch unter sich in Zusammenhang stehen, und es entstehen dadurch Sagenkreise, wie deren im Mittelalter in germanischen wie romanischen Ländern mehrere bestanden und zahlreiche Epen hervorgerufen haben (vgl. Heldensage). Die echte S. erscheint somit als im lebendigen Glauben wurzelnd und aus dem Drang des dichterischen Volksgeistes entsprungen. Obwohl wie alle Volkspoesie am kräftigsten blühend in der ältern Zeit, verstummt sie doch auch bei weiterer Kultur nicht; vielmehr ist der Volksgeist noch heute thätig, bedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten mit dem Schmuck der S. zu umkleiden. Die Anknüpfung an ein gewisses Wirkliches, sei dies ein innerliches oder äußerliches, ist hauptsächlich das Merkmal, welches die S. vom Märchen (s. d.) unterscheidet. Wie das Märchen, liebt sie das Wunderbare und Übernatürliche, obschon ihr dasselbe nicht unentbehrlich ist. Am meisten wohnt sie in Burg- und Klosterruinen, an Quellen, Seen, in Klüften, an Kreuzwegen etc., und zwar findet sich eine und dieselbe S. nicht selten an mehreren Orten wieder.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b14_s0170.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2024)