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Seite:Meyers b15 s0664.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15

Brett gestellt und bei gewöhnlicher Temperatur im Schatten getrocknet. Gegenstände von nicht kreisförmigem Querschnitt oder von komplizierter Gestalt werden in Formen hergestellt. Diese bestehen meist aus Gips, welcher der Masse so viel Wasser entzieht, daß sie sich nach Entfernung der Form nicht mehr verbiegt. Das Formen wird verschieden ausgeführt. Bei der Ballenformerei drückt man die Masse in Stücken von geeigneter Größe mit den Fingern oder mit Hilfe eines Holzes so in die Form, daß das Stück gleichmäßige Scherbenstärke erhält. Ist die Form zweiteilig, so werden beide Hälften schließlich aufeinander gelegt und die beiden Thonmassen miteinander vereinigt. Teller, Tassen etc. formt man mit Hilfe von dünnen Blättern aus weicher Porzellanmasse, die häufig mit Maschinen erzeugt werden. Man gießt auch die Porzellanmasse in Form eines gleichmäßig flüssigen Breies in die porösen Formen, welche Wasser absorbieren und sich dadurch mit einer Schicht von kompakterer Masse auskleiden. Sobald dies geschehen ist, gießt man das flüssig Gebliebene ab und füllt neue Masse ein, was so oft wiederholt wird, bis hinreichende Wandstärke erreicht ist. Viele Figuren, Blumen, Ornamente etc. werden aus freier Hand mit dem Bossiergriffel gebildet. Die geformten Gegenstände bedürfen häufig noch einer nachträglichen Bearbeitung durch Abdrehen, Ausbessern, Guillochieren etc.; auch werden Henkel und andre ähnliche Teile angesetzt, worauf man sie trocknen läßt. Unglasiertes Porzellan kommt als Biskuit in den Handel, besonders in Form von Kunstgegenständen, alle Gebrauchsgegenstände aber werden glasiert.

Die Porzellanglasur ist sehr hart, glatt, glänzend, bekommt nicht leicht Risse und haftet sehr fest auf dem Porzellan. Diese Eigenschaften verdankt sie ihrer Zusammensetzung, die mit der des Porzellans selbst wesentlich übereinstimmt. Man bereitet sie aus einem Gemenge von fein gepulvertem und geschlämmtem Kaolin, Quarzsand, Gips und Porzellanscherben, die mit Wasser etwa zur Konsistenz der Kalkmilch angerührt werden. Die zu glasierenden Stücke müssen neben gewisser Festigkeit insbesondere Porosität besitzen, welche sie befähigt, Feuchtigkeit schnell und leicht zu absorbieren. Damit sie diese Eigenschaft erhalten, müssen sie einem schwachen Brande, dem Verglühen, unterworfen werden. Zieht man sie dann durch eine Flüssigkeit, in welcher feine Körper suspendiert sind, wie in der Glasurflüssigkeit, so halten sie letztere wie ein Filter in ihren Poren zurück, absorbieren die Feuchtigkeit, bedecken sich mit Glasurschicht und erscheinen nach dem Herausziehen trocken.

Um von den glasierten Stücken alle Verunreinigungen fern zu halten, werden sie nicht der direkten Einwirkung des Feuers ausgesetzt, sondern in eigens für diesen Zweck angefertigten Thongefäßen, Kassetten oder Kapseln, die aus feuerfester Masse bestehen, gebrannt. In diese Kapseln werden die Objekte eingesetzt; dieselben kommen dann in den Porzellanbrennofen und zwar Kapsel auf Kapsel, so daß möglichst an Raum erspart wird. Das Brennen des Porzellans, wie der keramischen Objekte überhaupt, hat in der Neuzeit erhebliche Fortschritte gemacht in Ausnutzung der Wärme, Ersparung von Brennstoff, Verwertung auch schlechter Brennmaterialien. Bis vor etwa zehn Jahren diente für den Porzellanbrand der Holzetagenofen mit periodischem Brande. Die Verbesserungen der Heizungsanlagen im Hüttenwesen, die Anwendung des Ringofens in der Ziegelfabrikation wirkten regenerierend auf diesem Gebiet. Kontinuierlicher Brand, Benutzung von Gas als Brennstoff, Vorwärmung der Verbrennungsluft, Ausnutzung der Verbrennungsgase charakterisieren die Gegenwart; damit sucht sie bedeutende Leistungsfähigkeit und Bequemlichkeit des Betriebs zu verbinden. Bereits im vorigen und Anfang der 40er Jahre dieses Jahrhunderts versuchte man in Frankreich, Porzellan mit Steinkohle zu brennen, jedoch ohne Erfolg; erst in den 60er Jahren bürgerten sich solche Öfen neben den ältern Etagenöfen in England, Frankreich und Mitteldeutschland ein. In den 50er Jahren machte Salvetat auf den hohen Wert der Gasfeuerung für die keramischen Industrien aufmerksam, und es konstruierte dann Venier den ersten brauchbaren Gasofen für die Thunsche Porzellanfabrik zu Klösterle in Böhmen.

Fig. 2 zeigt den ältern Doppelofen für Holzkohlenfeuerung, wie er zu Sèvres Anwendung fand, Fig. 3 den Steinkohlenofen von Thoma, Fig. 4–6 den Gasofen von G. Mendheim. Der Holzetagenofen bestand aus drei durch flache Gewölbe getrennten Etagen; die beiden untern LL′ dienen zum Glattbrennen, die obere L″ zum Verglühen des Porzellans; alle drei Etagen kommunizieren durch die Öffnungen ccc in den Gewölben. Die seitlichen Thüren P gestatten den Zugang in die verschiedenen Räume; dieselben sind übrigens während des Brandes vermauert. f‌f sind die seitlich angebrachten Feuerkasten, die mittels eines eisernen Schiebers verschlossen werden können. In dieselben wird durch o etwas Holz gebracht und, sobald dieses brennt, o verschlossen und von oben neues Brennmaterial zugebracht. Die Luft tritt nun von oben zu dem Brennstoff, und die Flamme gelangt, durch die Kanäle gehörig verteilt, in den Ofen. Die Feuergase ziehen aufwärts, umspülen die eingesetzten Kapselstöße und entweichen durch den essenartigen Aufsatz H, welcher übrigens zur Regelung des Zugs durch Klappe I nach Wunsch geöffnet oder geschlossen werden kann. In Fig. 3 bei dem Thomaschen Ofen ist A der Glattbrennofen mit Einsetzthür a, C der Verglühofen, D die Esse, welche auf Kappe b des Verglühofens ruht. Der Ofen hat fünf Feuerkasten, in denen die Roststäbe der Roste g schräg hängen; l ist der Fülltrichter, durch p verschließbar. Durch seitliche Kanäle wird der Feuerung Luft zugeführt. Die Einrichtung ist derart, daß die Flamme an der Sohle r des Glattofens nach der Mitte getrieben wird, um eine gleichmäßige Verteilung der Hitze zu bewirken; durch w wird der Trockenraum S erwärmt, v ist die Klappe zur Zugregulierung.

Bei dem Gasofen von Mendheim erfolgt die Befeuerung der einzelnen Kammern durch Gas, welches in besondern, außerhalb des Ofens liegenden Generatoren erzeugt wird. Fig. 4 stellt den Grundriß des Ofens, Fig. 5 den Querschnitt, Fig. 6 den Längsschnitt der Kammer dar. Der Ofen besteht aus zwei parallelen Kammerreihen von 18 Kammern, welche in der Weise angeordnet sind, daß in jeder Reihe 9 Kammern liegen, die in der Mitte durch Rauchsammler getrennt (1–9, 10–18), an beiden Enden durch die Kanäle h1h2 verbunden sind. Das aus den beiden Schachtgeneratoren a aus Steinkohle erzeugte Gas tritt durch die eisernen Ventile bb in den Kanal cc ein, gelangt je nach Bedarf durch Ventile d1d2 in die Kanäle e1e2, um hier zum Heizen der bei f schließbaren Kammer zu dienen. Soll z. B. Kammer 8 befeuert werden, so öffnet man das zugehörige Ventil f; das Gas strömt hinter einer Feuerbrücke in dieselbe ein und kommt hier mit einem Luftstrom in Berührung, der bereits die fertig gebrannten Kammern 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, 11, 18, 17 passiert hat. Der Luftstrom

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b15_s0664.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2022)
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