verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15 | |
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Die Zeit der Erfindung der U. ist nicht genau bekannt. Die Alten hatten nur Sonnen-, Sand- und Wasseruhren (s. d.). Der Grundgedanke der mechanischen Gewichtsuhr wurde schon von Aristoteles ausgesprochen, und im frühen Mittelalter finden sich mechanische Uhren in Deutschland. Im 12. Jahrh. benutzte man in Klöstern Schlaguhren mit Räderwerk, und auch Dante erwähnt solche. Da Sultan Saladin dem Kaiser Friedrich II. eine Räderuhr zum Geschenk machte, so hat man die Sarazenen für die Erfinder dieser Uhren gehalten, die erst durch die Kreuzzüge nach Europa gekommen seien. Der Bau der Turmuhren läßt sich bis ins 14. Jahrh. verfolgen. Die Benutzung des Pendels regte Galilei an, und unter seiner Leitung arbeitete Balcetri an einer Pendeluhr, allgemein wurde die Pendeluhr aber erst bekannt, als Huygens, der eine solche 1656 konstruierte, sein „Horologium oscillatorium“ (1673) hatte erscheinen lassen. Als Erfinder der Taschenuhren gilt Peter Henlein (Hele) in Nürnberg (um 1500); die ersten hatten cylindrische Form, die eiförmigen (Nürnberger Eier) kamen um 1550 auf. Barlow erfand 1676 die Repetieruhren.
Die Verfertigung der Uhren wird jetzt fast durchweg fabrikmäßig betrieben, und zwar nimmt die Schweiz hinsichtlich der Produktion und Beschaffenheit ihrer Taschenuhren den ersten Rang ein. Genf (seit 1587), Locle und Chaux de Fonds sind die Hauptsitze dieser Industrie. Hier, in Biel, Solothurn und St.-Imier bestehen Uhrmacherschulen. Die englischen Uhren besitzen zwar einen großen Ruf; doch sind ihnen wirklich gute Schweizer Uhren gleichzustellen, ja hinsichtlich der Konstruktion vorzuziehen. In Deutschland werden Taschenuhren seit 1845 in Glashütte in Sachsen (mit Uhrmacherschule) und in Silberberg (Schlesien), hier auch Wächter-, Kontroll- und Turmuhren gefertigt. Die vorzüglichsten Pendeluhren mit zahlreichen Arten von Gehäusen, mit Weckern, Schlagwerken, Spielwerken, Figuren, Kuckuck etc. liefert der Schwarzwald seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrh., besonders seit 1780. Für diese Uhren, die auch in Freiburg (Schlesien) dargestellt werden, besteht eine Uhrmacherschule in Furtwangen. Hauptsitze der Schwarzwälder Uhrenindustrie sind im frühern Seekreis: Hüfingen, Neustadt, Villingen und im frühern Oberrheinkreis: Freiburg, Hornberg, Triberg und Waldkirch. Frankreich hat bedeutende Taschenuhrenfabrikation in Besançon. Stutzuhren werden besonders in Paris, Wien, Prag, Graz, Augsburg, Berlin und Lähn in Schlesien gefertigt. Die Vereinigten Staaten haben seit 1854 Pendel- und Taschenuhrenindustrie besonders in Waltham (Massachusetts) und Elgin (Illinois); mit vortrefflichen Arbeitsmaschinen liefert man Uhren, welche bei gleichem Preis den schweizerischen mindestens gleichkommen und diesen selbst in Europa erfolgreich Konkurrenz machen. Vgl. Jürgensen, Die höhere Uhrmacherkunst (2. Aufl., Kopenh. 1842); Rösling u. Stoß, Der Turmuhrenbau (Ulm 1843); Martens, Beschreibung der Hemmungen der höhern Uhrmacherkunst (Furtwang. 1858); Saunier-Großmann, Lehrbuch der Uhrmacherei (Glash. 1879, 3 Bde.); Derselbe, Das Regulieren der U. (das. 1880); Derselbe, Taschenwörterbuch für Uhrmacher (das. 1880); Felsz, Der Uhrmacher als Kaufmann (Berl. 1884); Rüffert, Katechismus der Uhrmacherkunst (3. Aufl., Leipz. 1885); Sievert, Leitfaden für Uhrmacherlehrlinge (4. Aufl., Berl. 1886); Horrmann, Repassage einer viersteinigen Cylinderuhr (2. Aufl., Leipz. 1886); Gelcich-Barfuß, Geschichte der Uhrmacherkunst (4. Aufl., Weimar 1886); Schilling-Baumann, Über Uhren, deren Geschichte und Behandlung (Zürich 1875); Rambol, Enseignement théorique de l’horlogerie (Genf 1889 ff.); „Die Marfelssche Uhrensammlung“ (Frankf. a. M. 1889, 18 Tafeln); vier Fachzeitschriften (in Leipzig, Berlin, Romanshorn und Wien).
Elektrische Uhren wurden zuerst von Steinheil 1839, von Wheatstone u. Bain 1840 konstruiert. Man unterscheidet jetzt drei Systeme: sympathische Uhren (elektrische Zeigerwerke), bei welchen die Angaben einer gewöhnlichen Normaluhr durch elektromagnetische Vorrichtungen auf eine größere Anzahl von Zifferblättern übertragen werden; elektromagnetische Stundensteller, welche mit Hilfe des elektrischen Stroms in bestimmten Zeiträumen die Richtigstellung einer Anzahl von Uhren mit selbständigen Gangwerken nach den Angaben der Normaluhr bewirken, und elektrische Pendeluhren, welche ohne ein Laufwerk nur durch den elektrischen Strom in Thätigkeit gesetzt und erhalten werden. Bei den sympathischen Uhren sendet die Normaluhr mittels einer in das Getriebe eingelegten einfachen Kontaktvorrichtung in jeder Minute in die Leitung einen Strom, welcher die Fortbewegung des Minutenzeigers der sympathischen U. um ein Feld veranlaßt. Die sympathische U. von Siemens u. Halske (Fig. 1) besteht aus dem Elektromagnet MM, der auf der Platte g und mit dieser auf der Platte PP festgeschraubt ist. Den Polen pp ganz nahe gegenüber steht fast vertikal der um h drehbare Anker aa; die Abreißfeder f zieht ihn in die Ruhelage, wenn er von den Polen pp nicht angezogen ist, bis zu dem Aufhaltestift i zurück. An seinem verlängerten Ende befindet sich ein stählerner Stößer c sowie etwas tiefer eine kleine stählerne Schneide b. R ist ein Zahnrad mit 60 eigentümlich gekrümmten Zähnen, für dessen Achse die Platte e das Lager bildet. Auf derselben Platte e ist ein kleiner stählerner und leicht federnder Sperrhaken d festgeschraubt. So oft ein galvanischer Strom durch die Leitung LL…, also durch den Elektromagnet MM, hindurchgeht, wird der Anker aa angezogen und durch den Stößer c ein Zahn des Rades R fortgestoßen. Die Schneide b fällt dabei sofort in eine Zahnlücke ein und verhütet, daß durch den Stoß des Stößers mehr als Ein Zahn fortgestoßen werde, während zugleich der federnde Haken d über den schiefen Rücken des zu seiner Rechten liegenden Zahns hinweggleitet und in die nächste Zahnlücke einfällt, um beim Rückgang des Stößers c bei Unterbrechung des Stroms zu verhindern, daß das Rad R selbst wieder mit zurückgeschleift werde. Es folgt hieraus, daß sich bei jedem Durchgang des Stroms durch die Leitung LL das Rad R um eine Zahnbreite bewegt und daher bei 60maliger Wiederherstellung und Unterbrechung des Stroms eine volle Umdrehung erleidet. Die Achse des Rades R trägt den Minutenzeiger, und eine einfache Räderübersetzung führt zur Bewegung des Stundenzeigers. Um nun die einmalige Umdrehung des Rades R in einer Stunde zu erreichen, muß die Batterie in jeder Minute einmal geschlossen und wieder geöffnet werden. Dies geschieht durch die Normaluhr, die zu diesem Behuf ein Rad enthält welches in jeder Minute eine Umdrehung macht. Fig. 2 zeigt dieses Rad bei w. Der auf demselben festgelötete Zapfen z erreicht in jeder Minute einmal seine tiefste Stellung, in welcher er die an der Klemme a befestigte Metallfeder f
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 976. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b15_s0976.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2022)