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Seite:Meyers b16 s0006.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

in gefühlvollen, zierlichen Tiraden lange Unterhaltungen pflegen über alles, was die damalige Zeit bewegte. Wahrheit ist mit Dichtung gemischt; Handlung aber fehlt vollständig, dafür treten Galanterien und Liebesgeschichten ein. Dies Buch hatte einen außerordentlichen Erfolg weit über Frankreichs Grenzen hinaus; erst die Meisterwerke der klassischen Zeit vermochten seinen Einfluß zu verdrängen. Doch blieb es noch die Lieblingslektüre Lafontaines, und der gestrenge Boileau, wenn er auch die laxe, weichliche Moral tadelt, lobt die glänzende, geistreiche Darstellung und die fein erdachten und gut durchgeführten Charaktere. U. starb 1. Juni 1625. Von den Ausgaben der „Astrée“ nennen wir die von 1637, 5 Bde., und 1647, 5 Bde.; eine verkürzte Ausgabe erschien 1713 als „Nouvelle Astrée“. Die übrigen Schriften Urfés sind unwichtig. Vgl. Bonafous, Études sur l’Astrée et sur Honoré d’U. (Par. 1847); Chantelauze, Étude sur les d’U. (1860).

Urfehde, s. Urphede.

Urga (im Land selbst Bogdo-Kuren, „heiliger Lagerplatz“, genannt), wichtigste Stadt der nördlichen Mongolei, Hauptort der Chalka-Mongolen, in 1294 m Höhe, an der Tola (Nebenfluß des Orgon) und an der Straße von Kiachta nach Peking, ist seit 1604 Sitz des obersten Priesters (Kutuchta) der buddhistischen Mongolen, den sie als irdischen Stellvertreter eines Gottes verehren, zugleich Mittelpunkt der chinesischen Verwaltung der nördlichen Mongolei und hat eine teils seßhafte Bevölkerung, zusammengesetzt aus Lamas (ca. 10,000), chinesischen Händlern und Beamten, die in einer besondern Stadt wohnen, teils nomadisierende, in Zelten lebende von zusammen etwa 30–40,000 Seelen. Zwischen 1870 und 1872 unterhielt Rußland in U. eine Besatzung, jetzt hat es hier einen Konsul.

Urgandsch, Stadt in Chiwa, s. Urgendsch.

Urgebirge (primitives Gebirge, Grundgebirge), in der Geologie nach Werners Vorgang der Granit, Gneis, Glimmerschiefer und Thonschiefer mit den ihnen untergeordneten andern Schiefern, Hornblende-, Talk- und Chloritschiefern, körnigem Kalkstein etc. Wurden diese Gesteine von Werner selbst als der erste kristallinische Absatz aus dem chaotischen Urmeer angesehen, so blieb die Urnatur desselben auch später noch bestehen, als man annahm, daß dieses kristallinische Grundgebirge die erste Erstarrungskruste der anfänglich feurig-flüssigen Erdkruste gewesen sei. Solange diese wie andre Annahmen über die Entstehung der betreffenden Gesteine Streitfragen sind, ist die Bezeichnung „U.“ zu vermeiden und statt ihrer eine andre, keine hypothetischen Annahmen über die Entstehung der betretenden Gesteine in sich schließende zu wählen. Am meisten in Gebrauch sind „laurentische Gneisformation“ und „huronische Schieferformation“, welche zusammen Werners U. entsprechen.

Urgel, Stadt, s. Seo de Urgel.

Urgendsch (Urgandsch), Stadt im Chanat Chiwa (Russisch-Turkistan) und größter Ort desselben, an einem vom Schah-Abad, Nebenfluß des Amu Darja, abgeleiteten Kanal, mit 30,000 Einw. Die Stadt ist infolge ihrer glücklichen Lage Wohnsitz aller Kaufleute Chiwas, welche Handel mit Rußland, Persien und Afghanistan treiben.

Urgeschichte, derjenige Teil der Kulturgeschichte, welcher sich mit dem Auftreten des Menschen in vorgeschichtlicher Zeit beschäftigt; s. Kulturgeschichte und besonders Prähistorie.

Urgewicht, s. Eichen.

Urgicht, s. Gichtiger Mund.

Urgieren (lat.), drängen, auf etwas dringen, Nachdruck legen.

Urginĕa Steinh. (Meerzwiebel), Gattung aus der Familie der Liliaceen, Zwiebelgewächse mit schaliger Zwiebel, lanzettlichen bis linealischen, meist erst nach der Blüte vollständig sich entwickelnden Blättern, nacktem, schaftartigem Stengel, einfacher Blütentraube, papierartiger, sitzender, kugeliger oder oblonger, tief dreifurchiger Kapsel und flach gedrückten, flügelig gerandeten Samen. 24 Arten in warmen Klimaten, meist am Kap. U. maritima Baker (Scilla maritima L.), mit kugelig eiförmiger, oft mehr als 2 kg schwerer Zwiebel, äußern trocknen, braunroten, innern schleimig-fleischigen, farblosen oder braunroten Schalen, langen, lanzettförmigen, fleischig-krautigen Blättern, vor denselben erscheinendem, bis 1,25 m hohem Blütenschaft mit sehr reichblütiger Traube weißer, sternförmiger Blüten, wächst sehr häufig an sonnigen Küsten des Mittelmeers und in den benachbarten pontischen und atlantischen Uferländern bis in die Bretagne und Normandie, auch auf den Kanaren und am Kap. Die mittlern fleischigen Schalen sind als Bulbus Scillae offizinell und werden besonders auf Malta, in Kalabrien u. Spanien gesammelt. Sie sind nach dem Trocknen hornartig durchscheinend, geruchlos und schmecken schleimig, ekelhaft bitter. Die Zwiebel enthält bis 22 Proz. Zucker (wird daher in Griechenland auf Branntwein verarbeitet), viel Gummi, Schleim, einen Bitterstoff (Scillitin), außerdem Scillain und Scillitoxin (welche wie Digitalin wirken sollen) und sehr spitzige Kristalle von oxalsaurem Kalk, welche auf der Haut Jucken und Brennen erzeugen. Die Meerzwiebel wurde als „Auge des Typhon“ schon von den ägyptischen Priestern medizinisch benutzt. In Frankreich dient sie, mit Butter und Schmalz gekocht, als Ratten- und Mäusegift. Sie wirkt diuretisch, erregt in größern Dosen Brechen und Durchfall und kann, in sehr großer Menge genossen, sogar den Tod herbeiführen. Man benutzt sie als Diuretikum, auch als Expektorans und Brechmittel, früher äußerlich als Hautreiz.

Urgonien (spr. ürgonĭä́ng), s. Kreideformation.

Urgreif, s. v. w. Archaeopteryx.

Urgut, Stadt im asiatisch-russ. Generalgouvernement Turkistan, Kreis Serafschan, am Fuß des Serafschangebirges, hat 33 Moscheen, mehrere Schulen und Karawanseraien und 6000 Einw., meist Tadschik.

Urheber (Autor), derjenige, welcher ein litterarisches oder künstlerisches Erzeugnis geschaffen hat (s. Urheberrecht); auch derjenige, von welchem ein andrer ein Recht ableitet (s. Auctor). Im Strafrecht wird unter dem U. des Verbrechens (Auctor delicti) im Gegensatz zu dem Gehilfen (Socius delicti) derjenige verstanden, in dessen Person und Handlung sich der Thatbestand des Verbrechens vollständig in objektiver wie in subjektiver Hinsicht vereinigt findet. Das deutsche Strafgesetzbuch hat diese Bezeichnung nicht beibehalten; es bezeichnet insbesondere den sogen. intellektuellen U. als Anstifter (s. d.). Vgl. Teilnahme am Verbrechen.

Urheberrecht (Autorrecht, geistiges, litterarisches Eigentum), das ausschließliche Recht, über die Vervielfältigung und Veröffentlichung eines Erzeugnisses der geistigen Arbeit zu verfügen. Je nach der Verschiedenheit der Geistesprodukte, um welche es sich dabei handelt, wird zwischen litterarischem, artistischem, musikalischem U. sowie dem U. an Photographien und an Mustern und Modellen (gewerblichem U.) unterschieden. Die Verletzung des litterarischen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0006.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2022)
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