verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16 | |
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(s. Christologie, S. 98). Aber ihre formelle Vollendung erfuhr dieselbe erst durch Anselm von Canterbury, der die Majestät Gottes als durch die Sünde beleidigt darstellte und aus der Notwendigkeit eines Gott für seine angegriffene Ehre zu erstattenden Äquivalents den Begriff einer vom Gottmenschen zu leistenden Genugthuung herleitete. Denn die Kräfte aller gewöhnlichen, zumal in Sünden gefallenen, Menschen reichen hierfür nicht aus, und doch mußte ein Mensch Genugthuung leisten, während die Unendlichkeit der Schuld direkt auf den unendlichen Gott in Bezug auf ihre Sühnung zurückweist. Nur die freiwillige Dahingabe des sündlosen Lebens des Gottmenschen erschien dem Gewicht aller Sünden gegenüber als ein ausreichendes, ja mehr als ausreichendes Gegengewicht. Diese Lehre hielten auch die Reformatoren fest und erklärten sich namentlich entschieden gegen die Sühnung der göttlichen Gerechtigkeit durch sogen. gute Werke. Die lutherischen Theologen des 17. Jahrh. betonten fast nur noch die juridische Seite der V. und fanden die von Christus geleistete Genugthuung in dessen thätigem und leidendem Gehorsam (Gesetzeserfüllung und Erduldung der Sündenstrafe), während die Socinianer und Rationalisten die ethische Seite in den Vordergrund stellten und die neuere Philosophie einen spekulativen Gehalt in die harte Schale auch dieses Dogmas zu legen wußte. Vgl. Baur, Die christliche Lehre von der V. (Tübing. 1838); Ritschl, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und V. (3. Aufl., Bonn 1888–89, 3 Bde.); Kreibig, Die Versöhnungslehre (Berl. 1878).
Versöhnungstag (Versöhnungsfest, im Volksmund Langer Tag, hebr. Jom ha-Kippurim, auch Sabbat der Sabbate [3. Mos. 23, 32] genannt), das heiligste aller israelitischen Feste, wird 10. Tischri in strengster Sabbatsruhe durch persönliche Kasteiung und Enthaltung von allen Sinnengenüssen (Fasten) gefeiert (3. Mos. 16, 30 u. 31; 23, 27 u. 28). Der V. bezweckt die Versöhnung des reuigen, Besserung versprechenden Israeliten mit Gott, wozu noch eine Vorbereitung durch Gebet und fromme Werke (Aussöhnung mit den Feinden, Almosengeben etc.) besonders in den dem V. vorangehenden, mit dem ersten Neujahrstag beginnenden zehn Bußtagen tritt. Von der heute üblichen Feier wich die früherer Zeiten ab. Solange der Opferkultus bestand, versah der Hohepriester, der als Zeichen der Unschuld leinene Gewänder anlegte, selbst den Hauptteil des Gottesdienstes, brachte zu den täglichen Opfern noch das Sündopfer für sich und die Seinigen und nahm die Sprengung des Bluts vor. Dann wurde von zwei Böcken der eine, durch das Los bestimmte geschlachtet und mit dem Blute desselben die Bundeslade besprengt, der andre aber (Asasel), nachdem der Hohepriester die Hände auf ihn gelegt und seine und des Volkes Sünden bekannt hatte (daher der Name Sündenbock), an einen wüsten Ort gebracht und dort losgelassen, in späterer Zeit aber in einen Abgrund gestürzt. Darauf brachte der Hohepriester für sich und das Volk zwei Widder und sieben Lämmer als Brandopfer dar und versöhnte so das Heiligtum, das Stiftszelt, den Altar und das ganze Volk. Dieser Feier in ihren Hauptzügen ähnlich war die während der Dauer des zweiten Tempels; im Sündenbekenntnis sprach der Hohepriester den vierbuchstabigen Gottesnamen (Jahveh) aus, worauf das Volk betend sich verbeugte und den Spruch des Priesters: „Ihr sollt rein sein!“ empfing. Die Feier schloß mit einem Gebet. Nach je 49 Jahren ward am V. das Jubeljahr (s. d.) durch Posaunenschall im ganzen Land verkündet.
Versorgungsanstalten, Anstalten, welche Gelegenheit geben, Ersparnisse, namentlich kleinere, zinsbar anzulegen, sei es in der Form von Sparkasseneinlagen oder zur Erlangung einer Leib- oder Altersrente, wie die französische, 1850 errichtete Caisse de retraite pour la vieillesse. Einige derartige Institute, wie die Allgemeine Versorgungsanstalt in Karlsruhe, haben sich neuerdings mehr dem Betrieb des eigentlichen Lebensversicherungsgeschäfts zugewandt. Die für das Deutsche Reich geplante Alters- und Invalidenversorgung wird zum Teil nach den Grundsätzen der Versicherung eingerichtet werden.
Versorgungsberechtigung, der durch Gesetz, Vertrag oder letztwillige Verfügung begründete Anspruch auf einen Beitrag zum Lebensunterhalt. Dahin gehören namentlich die Ansprüche der Beamten und Offiziere auf Versorgung ihrer Witwen und Waisen, ferner deren Pensionsansprüche (s. Pension) sowie die Militärversorgung (s. d.) überhaupt.
Versorgungsbrief, s. v. w. Panisbrief.
Versprechen (Besprechen), das Hersagen bestimmter Formeln (Segens- und Bannformeln) unter Beobachtung gewisser Zeremonien, auch das Aufschreiben derselben auf einen Zettel oder auf hölzerne Teller, z. B. „Fieberverschreiben“, um Krankheiten oder Wunden zu heilen, Blutungen zu stillen, Feuersbrünste zu löschen etc. Das Verfahren wurzelt in dem Glauben der Naturvölker, daß alle Krankheiten durch Bezauberung entstehen, wie er bei einzelnen derselben sogar das Eintreten böser Dämonen und Elben aus Krankheitsursache in den Körper selbst voraussetzte. Der Glaube an die Macht des „gesprochenen Worts“ über jene drohenden Mächte und Gefahren ist beinahe allverbreitet; wir begegnen dem Blutversprechen in der Odyssee (XIX, 457) und dem „Runenzauber“ Odins in der Edda. Das Christentum konnte diesen Aberglauben um so weniger ersticken, als ja die Heilung der Besessenen und alles Exorzisieren, Beschwören und Bannen durch kirchlichen Machtspruch auf demselben Glauben an die Macht gewisser Formeln beruht. Die alten Formeln wurden einfach christianisiert, indem man an die Stelle der Anrufungen heidnischer Dämonen die Namen Christi und der Heiligen setzte. Die beiden ältesten und merkwürdigsten deutschen Segensformeln aus dem 10. Jahrhundert sind die sogen. Merseburger Zaubersprüche (s. d.). Weitere Sammlungen solcher Segen finden sich z. B. im Anhang zur ersten Ausgabe von J. Grimms „Deutscher Mythologie“ (Götting. 1835), in Wolfs „Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde“ (das. 1853–59) und im Anhang zu Wolfs „Beiträgen zur deutschen Mythologie“ (das. 1852). Die in der Provinz Preußen gebräuchlichen Formeln hat H. Frischbier („Hexenspruch und Zauberbann“, Berl. 1870), die russischen L. Maikow (Petersb. 1869) herausgegeben. Vgl. Beschwörung und Feuerbesprechen.
Verstaatlichung, die Übertragung von wirtschaftlichen Unternehmungen an den Staat. Dieselbe kann erfolgen im finanziellen Interesse (Tabaksmonopol), oder weil die Unternehmung in Staatshänden am vollständigsten ihren Zweck im Dienste der Gesamtheit erfüllt (Eisenbahnen, Post, Telegraph etc.).
Verstählen, weiches Eisen auf der Oberfläche in Stahl verwandeln, geschieht durch die sogen. Einsatzhärtung (vgl. Einsetzen), auch durch Bestreuen und Einreiben des glühenden Eisens mit Blutlaugensalz und Ablöschen, durch Eintauchen von weißglühendem Schmiedeeisen in dünnflüssig geschmolzenes Roheisen etc. V. (Aufstählen, Vorstählen) nennt man
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0160.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2021)