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Seite:Meyers b16 s0503.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

filzig, im Alter meist kahl, die Ranken gewöhnlich einmal gegabelt, die Blütenrispe aufrecht, die Blüten klein, gelblichgrün, wohlriechend, die Beeren kugelrund oder oval, bereift, grün, gelblich, rot bis schwarzblau, ein- bis viersamig, zuweilen samenlos (var. apyrena). Wahrscheinlich gibt es von jeder Rebenart männliche, weibliche, zwitterige und solche mit zwitterigen und männlichen Blüten. Wirklich beobachtet wurden diese vier Formen aber nur bei Vitis vinifera, von der die Kultursorten weiblich oder zwitterig und nur ausnahmsweise einzelne Stücke männlich sind. Die Fuchstraube (V. Labrusca L.), sehr stark wachsend, mit herzförmigen, oft drei- und fünflappigen, entfernt stachelspitzig gezahnten, unterseits grau- oder rostfarben filzigen Blättern, in kleinen Trauben stehenden Blüten und großen Beeren, wächst in den östlichen und mittlern Staaten Nordamerikas und wird in vielen Varietäten, auch in Europa, kultiviert (Catawba, Isabella etc., rote Kelter- und Tafeltrauben), namentlich auch zu Lauben- und Mauerbekleidungen benutzt. Die Sommerrebe (V. aestivalis Mchx.), mit breit herzförmigen, bisweilen drei- und fünflappigen, grob und ungleich gezahnten, unterseits graugrün filzigen Blättern, in großen Rispen stehenden Blüten, kleinen Beeren und an den jungen Trieben, Ranken und Blütenständen filzig, wächst in den südöstlichen Staaten Nordamerikas, in Mittel- und Südamerika und wird ebenfalls in mehreren Varietäten kultiviert. Ebenso die herzblätterige Rebe (V. cordifolia Mchx.), in Kanada, in den östlichen und mittlern Staaten Nordamerikas, mit herzförmigen, eingeschnitten gezahnten, auch dreilappigen, selten völlig unbehaarten, meist auf der Unterfläche, besonders auf den Nerven und Adern, etwas behaarten Blättern, lockerer, reichblütiger Rispe und kleinen Beeren, wird bei uns seit langer Zeit zu Lauben, zum Überziehen von Staketen etc. benutzt. Die rundblätterige Rebe (Fuchsrebe der südlichen Staaten, Büffelrebe, Winter-, Forsttraube, V. rotundifolia Mchx.), in Virginia, südwärts bis Florida, sehr stark wachsend, mit herzförmigen, selten drei- und fünflappigen, stumpf gezahnten, meist unbehaarten, glänzenden Blättern, in kleinen Rispen stehenden Blüten, liefert besonders Tafeltrauben mit sehr großen, aber wenig zahlreichen Beeren.

Die Heimat des Weinstocks ist nicht mit Sicherheit bekannt; wahrscheinlich stammt er aus den Ländern südlich vom Schwarzen und Kaspischen Meer, wurde aber frühzeitig sehr weit verbreitet; vielfach findet man ihn jetzt verwildert, so in Südspanien, bisweilen starke, baumartige Stämme bildend und hoch in die benachbarten Bäume steigend, im Donauthal von Wien bis in das Banat, in Siebenbürgen, am Bodensee, im Rheinthal bei Mannheim, Schwetzingen, Rastatt, Neuenburg (Var. silvestris Gmel., mit weniger zahlreichen Ranken, kleinern Blättern und Blüten). Er gedeiht in einer Region, deren mittlere Sommerwärme 20° und deren mittlere Wintertemperatur +5 bis 0° beträgt. In Europa läuft die nördliche Verbreitungslinie des Weinstocks von der Mündung der Loire (47,5°) zum Rhein (51°) und in Schlesien bis 52° nördl. Br. (einzelne Weinberge kommen noch bis 53° nördl. Br. vor), fällt dann rasch nach Süden und in Bessarabien auf 46°. In Norwegen reift die Traube an den Ufern des Sognefjords noch unter 61°. Die Äquatorialgrenze läuft ziemlich parallel mit dem 30.°, sinkt jedoch im Seeklima bis zum 10.°. In Nordamerika reicht der Weinbau bis 50° nördl. Br. In den Alpen steigt die Rebe zu Camperlongo in Piemont unter dem 45.–46.° bis 970 m Höhe, sonst aber erhebt sie sich durchschnittlich nicht über 530 m. In frühern Zeiten hat der W. unzweifelhaft ein größeres Verbreitungsgebiet besessen: man baute ihn in England und Norddeutschland, wo die Traube jetzt nur in sehr geschützter Lage und am Spalier kümmerlich reift, aber er ist in diesen nördlichen Lagen nicht etwa einer ungünstigen Klimaveränderung halber verschwunden, sondern weil dort bei den verbesserten Verkehrsmitteln die Kultur nicht mehr verlockend erscheint.

Der W. gedeiht auf sehr verschiedenartigem Boden, in vulkanischen Verwitterungsprodukten, in Thonschiefer, Lias, Keuper, Muschelkalk, in der Sandsteinformation, im Urgebirge und im angeschwemmten Land, fordert aber eine bestimmte physikalische Beschaffenheit des Bodens, wärme- und wasserbindende Kraft und namentlich eine geschützte, sonnige Lage. Er fordert wiederholte kräftige Düngung, am besten von Kompost mit Guano oder mit Superphosphat und Kali. Man pflanzt in den Weinbergen (die nicht immer Berge sind) und Gärten nach vorheriger Entwässerung des Untergrundes in Reihen, deren Entfernung sich nach dem Rebsatz (den anzupflanzenden Weingattungen), nach Behandlung wie nach Boden und Lage richtet. Früher pflanzte man möglichst viele Sorten durcheinander, heute strebt man nach Reinheit des Satzes und pflanzt entweder nur eine oder zwei harmonierende Sorten zusammen. In Deutschland kultiviert man in reinem Rebsatz fast nur zwitterblütige Sorten, in Ungarn in gemischtem Rebsatz neben zwitterblütigen sehr allgemein weibliche Sorten. Im Garten pflanzt man je nach Klima und Lage nur sicher reifende Sorten; spätreifende mit großen wertvollen Trauben werden zeitweise unter Fenstern an Mauern gezogen, nur wenige Sorten eignen sich zur Früherziehung, bez. Treiberei. Die Fortpflanzung des Weinstocks geschieht durch Augen, Schnittlinge von ein-, seltener zweijährigem Holz, Ableger, krautartige Stecklinge und Pfropfen. Man pflanzt meist im Frühjahr so tief, daß auch die bewurzelten Reben nur mit einem, höchstens zwei Augen über den Boden hervorsehen, und sucht die Wurzeln möglichst in die Tiefe zu leiten. Die weitere Behandlung des Weinstocks ist nach Klima, Lage, Sorte und Gebrauch sehr verschieden, sowohl im Berg als im Garten. Auf dem Stamm des Weinstocks steht die Rebe, und diese trägt die Rute, den diesjährigen fruchtbaren Trieb. Aus älterm Holz sich entwickelnde Wasserschosse sind in der Regel unfruchtbar. Die Rute besitzt in Abständen von 10–15 cm Knoten, und an dem untern Teil jedes Knotens sitzt ein Blatt mit gewöhnlich zwei Augen im Blattwinkel. Von diesen Augen treibt eins noch im Sommer aus, während das andre im nächsten Jahr die Tragrute mit 2–5 Trauben liefert. Der Geiz stärkt das schlafende Auge, wird er ausgebrochen, so treibt das schlafende Auge aus, und es bildet sich ein drittes Auge, welches aber nicht hinreichend erstarkt, um im nächsten Jahr eine fruchtbare Tragrute zu liefern. Dem Blatt gegenüber sitzt eine Ranke oder eine Traube. Die junge Rute beginnt mit 2–5 leeren oder nur mit schwachen Ranken besetzten Knoten, bringt dann eine oder zwei Trauben, darauf einen leeren Knoten und vielleicht noch zwei Trauben. Folgt auf eine Traube eine Ranke, so erscheint später keine Traube mehr. Die Ruten werden in angemessener Länge gekappt, und wenn nun der Geiz um so kräftiger treibt, so kappt man ihn ebenfalls, damit er Nebenruten treibt.

Durch die Kultur sind zahlreiche Varietäten entstanden, deren Nomenklatur ebenso wie die des Obstes sehr verworren ist, zumal eine und dieselbe Sorte im

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0503.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2022)
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