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Seite:Meyers b19 s0750.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

lebhaft zitronengelb oder purpurrot gefärbt, einige leuchten sogar durch die Nacht, während wieder andre sich auch am Tage unter schwarzen und grünen Färbungen verbergen. Was die Anlockungsgerüche anbetrifft, so ist zu bemerken, daß viele P. (z. B. Agaricus fragrans, Trametes suaveolens, T. odora, Polyporus salicinus und Hydnum suaveolens) nach Anis, andre nach Kumarin (z. B. Lactarius camphoratus, Hydnum graveolens und tomentosum), andre nach Zwiebeln (z. B. Marasmius porreus und M. scorodonius) oder nach frisch gemahlenem Getreide, Kleie oder Mehl duften (z. B. Agaricus frumentarius und 15 andre Agaricus-Arten), und daß diese Gerüche dem Weidevieh angenehm scheinen, welche die Sporen derselben mit ihrem Miste verbreiteten. Sicherer verbürgt als diese vielfach bestrittene Hypothese, welche voraussetzt, daß die Sporen unverdaut den Darm verlassen müßten, dürfte die Anlockungskraft der Fäulnisgerüche vieler P. auf Aasfliegen und andre Aasinsekten sein, die zur Verbreitung ihrer Sporen beitragen mögen. In den „Annals of Botany“ von 1889 wurde gezeigt, daß die Abteilung der Phalloiden durch Färbung, Geruch und andre Anziehungsmittel ebenso hervortrete wie irgend welche Phanerogamengruppe. Unter 1288 andern Pilzen wurden 73 Proz. unauffällige ermittelt, während sie bei den Phalloiden nur 2 Proz. ausmachen: 90 Proz. derselben sind rot oder weiß gefärbt. Nach Köhler und Schübler beträgt das Verhältnis der unauffälligen Phanerogamenblüten bei mehr als 4000 Arten 4 Proz., das der rot und weiß blühenden Arten 50 Proz. Unter den Blumen fanden sich nur 10 Proz. duftende, während die Zahl der einen starken Geruch verbreitenden Phalloiden 76 Proz. erreicht. Außerdem besitzen 18,6 Proz. dieser P. strahlige oder sternförmige Formen, die sie ihren Besuchern schon aus weiter Entfernung erkennbar machen. Bei der Gattung Coprinus, wo die Sporen in einer schwarzen, stark riechenden Flüssigkeit (welche nach Haas zwei Glukoside enthält) schwimmen, erinnern manche Arten an Fliegenblumen. Auch die Peziza-Arten, welche frei auf der Hautschicht ausgebreitete Sporen tragen, sind lebhaft und oft noch brillanter gefärbt als die Phalloiden.

Anderseits hält Cooke die Farben vieler Arten für Schutzfarben. So wachsen auf den Plätzen, wo Kohlen gebrannt wurden, und die daher einen schwarzen Hintergrund bieten, verschiedene Arten mit schwarzbraunem oder schwarzem Hute, wie Cantharellus carbonarius, Agaricus atratus, A. ambustus und A. carbonarius, ferner zwei kleine dunkle Collybia-Arten etc. In der Kiefernstreu wachsende Arten, wie A. vaccinus und A. imbricatus nebst Hydnum auriscalpium, gleichen den umherliegenden Kiefernzapfen, A. sordidus alten Dunghäufchen, A. hypnorum mit seinen kleinen spitzen Hütchen sogar den Mooskapseln, die Cortinarius-Arten mit ihren lebhaften Farben verstecken sich im Herbstlaub, Paxillus panuoides gleicht in Farbe und rauher Oberfläche den Sägespänen, auf denen man ihn findet. Infolge dieser Anähnlichung vieler P. an den Standort sind gewisse Pilzarten schwer zu finden und erfordern sehr scharfe Augen. An die Erscheinung der Mimikry erinnert endlich die für den Pilzgenuß sehr verhängnisvolle Thatsache, daß viele genießbare P. Erscheinungsform und Tracht der giftigen und daher gemiedenen Arten angenommen haben. Wachsen sie dann gar noch durcheinander, wie die beiden Lactarius-Arten, so sind Verwechselungen beim Sammeln sehr naheliegend und bringen zuweilen gute, als Speise schätzbare Arten in Verdacht. Es wäre daher nützlich, wenn die guten Arten mit ihren giftigen Vorbildern auf Schultafeln nebeneinander abgebildet würden, da die Nachahmung niemals so vollkommen ist, daß sie nicht bei größerer Aufmerksamkeit zu unterscheiden wären. Als solche Doppelgänger sind namentlich folgende Arten hervorzuheben:

I. Eßbare Arten:   II. Giftige Arten:
Agaricus caesarius   gleicht   Agaricus muscarius
ovoideus     phalloides
rubescens     pantherinus
procerus     rachodes
campestris   melaspermus
fastibilis
Taylori
Lactarius deliciosus     Lactarius torminosus
Russula alutacea     Russula emetica
Cantharellus cibarius     Cantharellus aurantius
Marasmius oreades     Marasmius urens

Piperazin (Diäthylendiamin, Äthylenimin) C4H10N2, eine chemische Verbindung, die als ein Piperidin C5H11N aufzufassen ist, in welchem eine CH2-Gruppe durch die NH-Gruppe ersetzt ist. Hofmann erhielt sein Diäthylendiamin aus Äthylenbromid und Ammoniak, Ladenburg sein Äthylenimin aus salzsaurem Äthylendiamin. Beide Darstellungsweisen sind außerordentlich schwierig, und erst seitdem Majert eine bequemere angegeben, hat das P. praktische Bedeutung gewonnen. Es bildet glasglänzende Tafeln, ist geschmacklos, sehr hygroskopisch, in Wasser außerordentlich leicht löslich, schmilzt wasserfrei bei 104–107° und siedet bei 145°. Es reagiert stark alkalisch, wird von übermangansaurem Kali wahrscheinlich zu Glykokoll oxydiert, widersteht aber der Chromsäure und der rauchenden Schwefelsäure. Salzsaures P. kristallisiert in langen seidenglänzenden Spießen, ist in Wasser sehr leicht, in Alkohol schwerer löslich. In Dosen von 2 g und mehr ist P. vollkommen ungiftig. Besonders bemerkenswert ist sein Verhalten zu Harnsäure. Die kalte wässerige Lösung von P. löst zwölfmal soviel Harnsäure wie kohlensaures Lithion unter gleichen Verhältnissen. Harnsaures P. ist in Wasser von 17° siebenmal leichter löslich als harnsaures Lithion, auch bildet P. niemals mit Harnsäure ein saures, sondern immer das leicht lösliche neutrale Salz. Im Organismus unterliegt P. nicht oder nur zum Teil der Oxydation, wenigstens läßt es sich nach Einnehmen von 1 g im Harn leicht nachweisen, und zwar noch nach 1,5 Tagen. Das Verhalten gegen Harnsäure läßt es als besonders geeignet zur Bekämpfung der harnsauren Diathese und deren Folgezustände, wie Gicht, Harngries, Harnsteine, erscheinen, und soweit bis jetzt die Erfahrungen reichen, bewährt es sich gegen diese Leiden sehr gut. Versuche mit einprozentiger Piperazinlösung zeigten, daß dieselbe Harngries mit größter Leichtigkeit und Harnsteine in wenigen Stunden löst. Brogniart hatte vor einiger Zeit in Hoden eine Substanz, das Spermin, entdeckt, welches er als Regenerator für geschwächte Naturen empfahl. Die Sache erregte ein gewisses Aufsehen, doch zeigte sich nur zu bald, daß die auf das Spermin gesetzten Hoffnungen eitel waren. Ladenburg sprach dann die Vermutung aus, daß das Spermin mit dem von ihm dargestellten P. identisch sei. Diese Vermutung hat sich später als irrig erwiesen, aber die auf das P. gerichteten Studien ließen in demselben ein Arzneimittel erkennen, welches sehr viel wichtiger erscheint als das Spermin.

Pitman, Isaak. Das 50jährige Bestehen der Pitmanschen Phonographie wurde 1887 in London

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 736. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0750.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)
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