verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1 | |
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Im neuern, durch Cicero und die spätern Römer vorbereiteten, zur Renaissancezeit in Italien ausgebildeten Sinn ist A. entweder eine höhere Unterrichtsanstalt oder, und zwar noch häufiger, eine Gelehrtengesellschaft. In der ersten Bedeutung ist A. s. v. w. Universität. Im Unterschied von der Universität versteht man unter A. öfters auch eine Anstalt, welche zum Vortrag nicht aller Wissenschaften, sondern nur einer einzelnen oder mehrerer bestimmt oder auch künstlerischen Studien gewidmet ist. Dergleichen Lehranstalten sind z. B. die katholisch-theologische A. zu Münster in Westfalen (mit zwei Fakultäten und den Rechten einer Universität), das Lyceum Hosianum in Braunsberg und die acht königlichen Lyceen (Akademien für Theologie und Philosophie) in Bayern; ferner die Kriegsakademien zu Berlin, München, die Militärakademien in Wiener-Neustadt, Wien etc.; die Marineakademien in Kiel, Fiume; die Bergakademien zu Freiberg, Klausthal, Leoben, Přibram, Schemnitz etc.; die Forstakademien zu Freiburg, Tharandt, Aschaffenburg, Hohenheim, Münden, Eberswalde etc.; die Akademien für Landwirtschaft zu Hohenheim, Poppelsdorf etc.; die Handelsakademien zu Wien, Graz, Triest etc. Hierher gehören ferner die Akademien der bildenden Künste (s. Kunstakademien). Akademien insbesondere für Baukunst finden sich in Berlin, Dresden, St. Petersburg etc. Endlich ist noch der Musikakademien zu gedenken, worunter man teils wirkliche höhere Lehranstalten für Musik (s. Konservatorien), teils Institute oder Gesellschaften zur praktischen Pflege der Tonkunst versteht. Hierher gehören unter andern die 1669 gegründete Académie royale de musique (jetzige Große Oper) in Paris, die A. für italienische Opernmusik (1720 gegründet, durch Händel berühmt) und die Academy of ancient music (seit 1710) in London, die Accademia filarmonica in Bologna und in Verona, die Singakademie in Berlin, das Gewandhaus in Leipzig, die Musikakademien in Brüssel, in Stockholm etc. – Ein Mittelding zwischen Schule (Gymnasium) und Universität bildeten früher die sogen. akademischen Gymnasien und die Ritterakademien (s. d.), welche jetzt meist zu einfachen Gymnasien umgestaltet oder, wie auch das akademische Gymnasium in Hamburg (1883), ganz eingegangen sind.
Das Vaterland der Akademien im Sinn von Gelehrtenvereinen ist der Sache nach das gräzisierte Ägypten mit Alexandria (wo das „Museion“ thatsächlich eine A. von hoher Bedeutung war), dem Namen und der ganzen Einrichtung nach Italien. Am Hof Cosimos von Medici zu Florenz entstand um 1470 eine Platonische A. An der Spitze dieses Vereins stand der berühmte Platoniker Marsilius Ficini, mit dessen Tod sich (1521) die A. auflöste. Vielleicht schon einige Jahre früher hatte sich an dem Hof Alfons’ V. zu Neapel um Antonio Beccadelli Panormita ein Kreis von Gelehrten zu einer A. vereinigt, in welcher namentlich Laurentius Valla und Giov. Pontano (daher Accademia Pontaniana) hervorragten. Diese A. wählte schon auswärtige Mitglieder und Ehrenmitglieder. Der A. von Neapel folgte gegen 1498 die zu Rom als Accademia antiquaria. Ihr Gründer war Jul. Pomponius Lätus, der Astrolog, ihr Hauptzweck Erforschung der italienischen Altertümer. Auch sie knüpfte auswärtige Verbindungen an, mußte sich aber, weil einzelne Mitglieder vom Papst Paul II. wegen angeblicher Ketzereien verfolgt wurden, in die Verborgenheit zurückziehen und dauerte als geheime Gesellschaft nur bis 1550. Erst unter Benedikt XIV. lebte sie 1742 wieder auf. Von größter Bedeutung für die Entwickelung der italienischen Sprache und Litteratur ward die Accademia della Crusca (eigentlich „Kleien-A.“, weil sie die Sprache reinigen wollte wie das Mehl von der Kleie), welche der sonderbare Dichter Grazzini in hohem Alter im Oktober 1582 zu Florenz gründete, und aus welcher das zuerst in Venedig 1612 gedruckte sehr einflußreiche „Vocabolario della Crusca“ hervorging. Sie wurde Vorbild für die französische A. und für die deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrh. sowie für die zahlreichen Akademien oder Gesellschaften der Wissenschaften (Societäten), welche seitdem in allen Staaten der gebildeten Welt entstanden sind. Über die italienischen Akademien der spätern Zeit s. unten (S. 249).
Unter den allgemeinen Akademien gebührt in ihrer geschichtlichen Bedeutung den unter dem Namen Institut de France zusammengefaßten Akademien zu Paris die erste Stelle. Die Anfänge bestanden in einem Privatverein für die Pflege der französischen Sprache, welcher sich seit 1630 bei Valentin Conrart versammelte. Kardinal Richelieu erweiterte diesen Verein (2. Jan. 1635) zur Académie française, welche 10. Juli 1637 ihre Sitzungen begann und von Anfang an, wie heute noch, 40 Mitglieder zählte. Vier von ihnen erhielten von Colbert 1663 den besondern Auftrag, die Abfassung und Redaktion der Inschriften auf den öffentlichen Denkmälern zu leiten. Diese Kommission, la petite Académie genannt, erhielt 1701 den Namen Académie royale des inscriptions et médailles und ein Reglement, wonach die Zahl ihrer Mitglieder auf 40 festgesetzt und der Kreis ihrer Thätigkeit auf Geschichte, Archäologie und Philologie ausgedehnt wurde. Ein Dekret des Regenten vom 4. Jan. 1716 änderte den bisherigen Namen um in Académie royale des inscriptions et belles-lettres. Die Académie des sciences wurde 1666 durch Colbert den beiden bisherigen Akademien hinzugefügt, 1699 neu gegliedert und 1785 erweitert. Eine königliche A. der Bildhauerei und Malerei (de sculpture et de peinture) war schon 1648 von Mazarin errichtet und 1655 von Ludwig XIV. bestätigt worden. Im J. 1671 gründete Colbert eine A. der Baukunst (d’architecture), zu deren persönlichem Beschützer Ludwig XV. sich durch offenes Handschreiben vom Februar 1717 erklärte. Als königliche Einrichtungen wurden diese Akademien durch das Dekret des Konvents vom 8. Aug. 1793 aufgehoben, aber bereits 25. Okt. 1795 durch das Direktorium als Institut national wiederhergestellt, mit einer Gliederung in drei Klassen, welche Napoleon I. 1803 zu vier Klassen erweiterte. Im J. 1806 nahm das Institut national den Namen Institut de France an, 1811 den Zusatz impérial; 1814 wurde es wieder Institut royal. Die alten Namen Académie française, Académie des inscriptions et belles-lettres, Académie des sciences wurden wieder eingeführt und als vierte Abteilung die Académie des beaux-arts hinzugefügt. Als fünfte A. trat 1832 auf Guizots Veranlassung die Académie des sciences morales et politiques hinzu, welche schon früher als zweite Klasse des Institut national existiert hatte, aber von Napoleon 1803 beseitigt worden war. Eine sechste Sektion, Politik, Verwaltung und Finanzen umfassend, wurde von Napoleon III. 1855 geschaffen, aber auf Antrag der A. 1866 wieder beseitigt. Untereinander sind diese Akademien durch eine Anzahl gemeinschaftlicher Einrichtungen verbunden. Die Vakanzen in jeder Klasse besetzt die freie Wahl der übrigen Glieder derselben
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0247.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)