verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1 | |
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reichliche oder unzeitige Darreichung (z. B. im Fieber oder bei Kindern) geradezu als Gifte wirken. Die meisten A. werden im Laufe von 1–3 Tagen in veränderter chemischer Zusammensetzung durch den Darm und die Nieren wieder ausgeschieden, und es bedarf erneuter Einfuhr, wenn ihre Wirkung fortdauern soll; einzelne Stoffe dagegen, z. B. Digitalis, wirken noch mehrere Tage nach, und diese Wirkung steigert sich bei andauerndem Gebrauch bis zu bedrohlichen Vergiftungserscheinungen (kumulative Wirkung). Bis zu einem gewissen Grad sind die Folgen, welche ein A. hervorrufen wird, wenn man es in dieser oder jener Menge gibt, mit Bestimmtheit vorauszusagen; wenn es trotzdem Schwankungen gibt, wenn eine erwartete Wirkung ausbleibt oder eine andre unerwartete Nebenwirkung eintritt, so kann entweder eine mangelhafte Beschaffenheit der Arznei die Schuld daran tragen, oder es kann eine gewisse abnorme Reaktion des Körpers, eine Idiosynkrasie, zu Grunde liegen. Über die Wirkungsweise der A. im Körper ist sehr wenig Sicheres bekannt. Wenn sich im Magen durch abnorme Prozesse eine große Menge Säure gebildet hat und man Magnesia oder doppeltkohlensaures Natron einführt, so ist die Beseitigung der Säure leichtverständlich, da sich dieselbe mit der Magnesia oder dem Natron zu einem neutralen Salz verbindet. Es gibt aber nur sehr wenige Fälle dieser Art, und für die Mehrzahl der A. fehlt uns jede Einsicht in die chemischen Prozesse, welche sich zwischen denselben und gewissen Bestandteilen der Gewebe abspielen, und auf welche die Wirkung der A. in letzter Reihe zurückzuführen ist. Ebenso kennen wir auch nur von sehr wenigen Arzneimitteln die Schicksale, welche dieselben im Körper erleiden, und oft genug werden A. ohne jegliche chemische Veränderung in den Exkrementen wieder ausgeschieden. Viele A. unterliegen der Einwirkung der Verdauungssäfte und der die Gewebe durchtränkenden Flüssigkeiten. Ob sich aber hieraus die Thatsache erklärt, daß manche A. bei direkter Einführung ins Blut sehr energisch wirken, vom Magen aus aber ganz wirkungslos erscheinen, ist noch fraglich. Vgl. die Handbücher der Arzneimittellehre von Husemann (2. Aufl., Berl. 1883, 2 Bde.), Nothnagel und Roßbach (4. Aufl., das. 1880); Hirsch, Die Prüfung der A. mit Rücksicht auf die wichtigsten europäischen Pharmakopöen (das. 1875); Binz, Grundzüge der Arzneimittellehre (6. Aufl., das. 1879); Waldenburg und Simon, Arzneiverordnungslehre (das. 1877); Liebreich und Laugaard, Arzneiverordnungslehre (das. 1884).
Arzneipflanzen (hierzu Tafeln „Arzneipflanzen I bis III“), die zur Bereitung von Arzneimitteln dienenden Pflanzen. Man hat seit den ersten Anfängen der Heilkunde zahlreiche Pflanzen wegen ihrer wirklichen oder vermeintlichen Heilkraft verwendet, und Rosenthal zählt in seiner Synopsis über 8000 A. auf, ohne damit irgendwie Vollständigkeit zu erreichen. Unter diesen Pflanzen sind nun aber ganz außerordentlich viele, deren medizinische Wirksamkeit mit vollem Recht angezweifelt werden darf, und im Lauf der Zeit sind denn auch immer mehr Pflanzen aus dem Arzneischatz gestrichen, um nur günstigsten Falls noch hier und da als Volksheilmittel benutzt zu werden, während neuere Einführungen zwar zahlreich genug auftauchen, aber nur in seltenern Fällen als eine wirkliche Bereicherung des Arzneischatzes sich dauernde Geltung verschaffen. Die neuere Medizin, deren Streben ohnehin auf Vereinfachung der ärztlichen Verordnungen gerichtet ist, hat vollends sehr viele früher geschätzte A. fallen lassen; so führt die „Pharmacopoea germanica“ noch nicht 200 Pflanzen auf, von denen überdies eine Anzahl, wie Kirsche, Himbeere, Raps, Kakao etc., gar nicht als A. zu bezeichnen sind und andre, wie Rose, Linde etc., kaum noch von Ärzten angewandt werden. Die A. verteilen sich ziemlich gleichmäßig über das ganze Pflanzenreich, der vierte Teil etwa gehört den Kryptogamen und Monokotyledonen, der Rest den Dikotyledonen an, und von letztern liefern die Kompositen, Labiaten, Umbelliferen, Solaneen und Papilionaceen die meisten Droguen. Nach ihrem Vaterland verteilen sich die A. um so ungleicher; über die Hälfte gehört Europa an, und zu diesen könnte man noch etwa 20 hinzurechnen, welche in Südeuropa und Vorderasien einheimisch sind. Afrika liefert etwa 12 A., Asien dagegen 34, und diese kommen meist aus Vorder- und Hinterindien und von den Inseln. Amerika hat uns nur wenige, allerdings einige sehr wichtige A. geliefert, Südamerika gegen 20, Nordamerika aber nur etwa 5. Australische Droguen haben bis jetzt kaum irgend welche Bedeutung. Einige der wichtigsten A. sind auf beifolgenden Tafeln abgebildet; die Beschreibung der einzelnen Pflanzen ist unter den lateinischen Gattungsnamen zu suchen.
Arzt (altdeutsch Arzât, v. lat. Archiāter, „Oberarzt“; lat. Medicus), ursprünglich ein Mann, der sich mit der Behandlung von Krankheiten beschäftigt, während heutzutage A. in Deutschland ein Titel ist, den der Staat auf Grund einer umfassenden Prüfung: 1) in der Anatomie, Physiologie, pathologischen Anatomie, 2) in der Chirurgie und Augenheilkunde, 3) in der innern Medizin, 4) in der Geburtshilfe, 5) in der öffentlichen Gesundheitspflege durch eine Approbation erteilt. Diese Staatsprüfung kann an jeder deutschen Universität nach vorher eingeholter Bewilligung der Oberexaminationskommission des Landes abgelegt werden (übrigens bezeichnet die moderne Gesetzgebung auch den geprüften und approbierten Tierarzt als A.). Früher war der A. ein gewerbtreibender Künstler, der nach gesetzlichen Taxen kurierte, und es bestanden besondere, einseitig gebildete Klassen von Ärzten, z. B. Wundärzte, Landärzte, Militärärzte etc. Abstufungen, die dem innern Wesen der ärztlichen Wissenschaft gänzlich zuwider sind, da diese sich durchaus nicht bruchstückweise und noch weniger ohne gehörige Vorbereitung durch naturwissenschaftliche Studien aneignen läßt, während es doch im Interesse des Einzelnen wie der ganzen Gesellschaft liegt, daß nur vollständig durchgebildeten Ärzten das menschliche Leben anvertraut werde. In neuerer Zeit werden auch weibliche Ärzte ausgebildet. Es sind vorzugsweise Russinnen und Amerikanerinnen, welche sich teils auf den Universitäten und Fachschulen ihrer Heimat, teils auf Schweizer Universitäten für die ärztliche Praxis ausbilden, vorzugsweise für Geburtshilfe, Frauenkrankheiten und innere Medizin. Auf den Schweizer Universitäten verleiht man den weiblichen Ärzten selbst den Doktorgrad. Über die Vorteile und Nachteile einer solchen Institution läßt sich im Augenblick noch kein definitives Urteil abgeben. In Amerika praktizieren bereits 400 weibliche Ärzte, meist in New York, Massachusetts und Pennsylvanien. In Rußland sind 12 weibliche Doktoren offiziell angestellt, um Frauen in der Arzneikunde zu unterrichten. 30 weibliche Ärzte befinden sich im Dienste der Gemeinden, 40 andre bedienen die Hospitäler.
Nach der deutschen Gewerbeordnung ist die Ausübung der Heilkunde ohne Nachweis der Befähigung jedem gestattet. Das frühere Verbot der Kurpfuscherei (Medikasterei) ist in Wegfall gekommen, und der A. ist
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 894. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0894.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2021)