verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2 | |
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Atropīn (Daturin), Alkaloid, welches sich in der Tollkirsche (Atropa Belladonna) und dem Stechapfel (Datura Stramonium) findet und dem ausgepreßten, auf 90° erwärmten, filtrierten und mit Kalilauge versetzten Safte der blühenden Belladonna durch Schütteln mit Chloroform entzogen wird. Das A. geht vollständig in das Chloroform über, wird daraus durch Verdampfen gewonnen und durch Umkristallisieren gereinigt. Die Ausbeute beträgt bis 0,3 Proz. Es bildet farb- und geruchlose Nadeln, schmeckt unangenehm und lange anhaltend bitter, löst sich schwer in Wasser, leicht in Alkohol und Chloroform, schmilzt bei 115°, bildet schwer kristallisierbare, leicht in Wasser und Alkohol, nicht in Äther lösliche Salze, von welchen das schwefelsaure und baldriansaure in der Medizin benutzt werden. Beim Erhitzen mit Salzsäure oder Barytwasser spaltet sich das A. in ein neues Alkaloid, Tropin, und in Tropasäure. A. ist höchst giftig; in sehr geringer Dosis ins Auge gebracht, bewirkt es Erweiterung der Pupille ohne Reizung. Man benutzt es als Arzneimittel bei Kardialgie, Neuralgie, als örtliches schmerzstillendes Mittel, besonders in der Augenheilkunde zur Untersuchung des Auges und als Heilmittel bei Entzündungen des Auges, bei Hornhautgeschwüren, nach Operationen, um der Entzündung vorzubeugen, etc. A. ist gewissermaßen Gegengift gegen Morphin und umgekehrt; eins hebt die giftigen Wirkungen des andern im tierischen Körper auf, aber das A. hindert nicht die schmerzstillende Wirkung des Morphins. Man kann daher letzteres bei gleichzeitiger Darreichung von A. in viel größerer Dosis anwenden als allein. A. wurde 1831 von Mein entdeckt. Geiger und Hesse fanden 1833 das A. im Stechapfel, und Planta wies die Identität beider Alkaloide nach.
Atrŏpos, Bücherlaus.
Atrŏpos, eine der Parzen oder Mören (s. d.).
Atrozität (lat.), Grausamkeit, Scheußlichkeit.
Atschier, s. Strychnos.
Atschin (Atjin, Atjeh, engl. Acheen), ein bis 1873 selbständiges Reich, jetzt niederländisches Gouvernement auf der Insel Sumatra, 51,040 qkm (928 QM.) groß, umfaßt die nordwestliche Spitze derselben und wird von dem ganz Sumatra in eine östliche und eine westliche Hälfte teilenden Kettengebirge durchzogen, das hier unter 4°17′ nördl. Br. im Abong-Abong (wahrscheinlich Vulkan) zu 3350 m Höhe ansteigt (s. Karte „Hinterindien“). Daneben enthält das Land ansehnliche Strecken wellenförmigen oder ganz flachen, tief gelegenen Bodens, der von zahlreichen schmalen und wenig tiefen Küstenflüssen bewässert wird und sich besonders für Reisbau sowie Baumzucht und Gartenbau eignet. Flora wie Fauna stimmen im übrigen mit denen von Sumatra überein; eine besondere Rolle unter den Bodenerzeugnissen spielen Pfeffer und Arekanüsse. Die Bevölkerung ward 1882 auf 479,419 Seelen berechnet, worunter 474,300 Eingeborne, 196 Europäer, 3165 Chinesen, 547 Araber u. a. Die einheimische Bevölkerung ist nach dem Äußern, Kleidertracht, Charakter und Sitten von den übrigen Bewohnern Sumatras deutlich unterschieden. Von mittlerer Größe und dunkler als jene, sind sie auch thätiger und betriebsamer, gute Seeleute und militärisch geschulte Krieger, doch auch wegen ihres schlechten Charakters verrufen, sittenlos, rach- und mordsüchtig und leidenschaftliche Opiumraucher. Ihre ethnologische Stellung ist noch nicht sicher bestimmt; die Sprache gehört (nach van den Berg) der polynesischen Familie an. Die Schriftzeichen sind malaiisch. Außer mit Landbau und Viehzucht beschäftigt sich die Bevölkerung auch mit Industrie (Weberei, Bearbeiten von Gold, Silber, Eisen, Fischerei) und Handel. Seit 1881 wird das Gouvernement A. eingeteilt in Groß-Atjeh (die nordwestliche Spitze) mit dem Hauptort Kota Radja, Nord- und Ostküste mit dem Hauptort Tilok Semawe und Westküste mit dem Hauptort Malaboeh. Die beiden letzten Abteilungen bestehen nur aus Niederlassungen an der Küste. Hauptstadt des Gouvernements ist Kota Radja oder Atschin, das im nordwestlichen Ausläufer des Landes an dem für Boote befahrbaren Atschinfluß, 7 km von seinem Hafen Oleh-leh, liegt, mit dem es seit 1876 durch Eisenbahn verbunden ist. Diese Eisenbahn soll weiter ins Innere geführt werden. Die ehemals große und blühende Stadt wurde während des Kriegs (s. unten) fast ganz zerstört, aber wieder aufgebaut und zwar fast durchweg aus Holz; sie ist Sitz des Gouverneurs, hat eine Besatzung (in dem alten Kraton, der Citadelle der Atschinesen) von 2000 Mann, schöne, von der holländischen Regierung erbaute Moschee u. a. Auch der Handel ist wieder aufgeblüht. Östlich von A. liegt die sogen. Pedirküste mit der Stadt Pedir, die einen bedeutenden Handel mit Arekanüssen treibt. – Zu Anfang des 17. Jahrh., als das Reich A. auf der Höhe seiner Macht stand, erstreckte sich sein Gebiet längs der Westküste Sumatras bis an Benkulen und längs der Ostküste bis Kampar, während ein Teil der angrenzenden Binnenländer sowie ein großes Gebiet der Halbinsel Malakka seine Oberherrschaft anerkannten und ihm Tribut zahlten. Innere Unruhen führten später eine Trennung der Provinzen herbei. Durch den Londoner Vertrag vom 17. März 1824, welcher die Beziehungen der Engländer und Holländer zu Ostindien regelte, wurde Sumatra den Holländern allein überlassen, dabei aber die Souveränität des Reichs A. gewährleistet mit der Bedingung, daß britischen Schiffen und Unterthanen der freie Aufenthalt in den Häfen von A. gestattet und vom Sultan Sicherheit gegen den herrschenden See- und Menschenraub garantiert werde. Holland erneuerte noch 1857 einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit dem Sultan zu dem gleichen Zweck und ging endlich 1870 England gegenüber die Verpflichtung ein, den Briten in jenen Gegenden die nämliche Sicherheit zu gewährleisten wie den eignen Staatsangehörigen, erlangte aber gegen Abtretung seiner Besitzungen in Guinea das Recht, gegen A. nach Gutdünken zu verfahren. Als daher trotz aller Verträge der Sultan sich mehrmals des Menschen- und Seeraubs schuldig machte, während er mit dem holländischen Generalgouverneur unterhandelte, fremde Mächte in die Sache zu verwickeln suchte und energische Rüstungen veranstaltete, über welche er keine genügenden Aufklärungen gab, erklärte ihm der Generalgouverneur 25. März 1873 den Krieg und eröffnete denselben sofort, mußte aber infolge erlittener Verluste und insbesondere wegen der Heftigkeit des Monsuns, dessen Wüten die Verbindung zwischen dem Land und den Schiffen mehrere Wochen lang unterbrach, seine Truppen zurückziehen. Erst im Dezember langte General van Swieten mit einem stärkern Expeditionskorps von 12,000 Mann vor A. an. Die Landung wurde unter dem Feuer der holländischen Marine glücklich bewerkstelligt, Cattaperale, unterhalb der Festung Nwesapi, mit geringen Verlusten eingenommen, nach dem obern Lauf des Atschinflusses vorgerückt, die Linie desselben und die festen Werke auf beiden Flußufern besetzt und der befestigte Palast (Kraton) des Sultans eingeschlossen. Derselbe wurde 24. Jan. 1874 erstürmt. Doch war die Behauptung
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0025.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2022)