verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2 | |
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Preußens, die baltischen Herzogtümer, große Teile von Polen und Südrußland, ebenso weite Striche Ungarns und Siebenbürgens durch deutsche Auswanderer kolonisiert. Eine eigentliche A. nach Rußland begann unter Katharina II., sie wurde auch von ihren Nachfolgern eifrig gefördert. Nach Ungarn kamen Deutsche schon seit Geisa II. und nach langer Unterbrechung durch Maria Theresia und Joseph II. Doch beträgt die deutsche Bevölkerung nach dem Untergang zahlreicher deutscher Sprachinseln heute nur 1,882,371 Seelen, d. h. 12 Proz. der Gesamtbevölkerung. Weit bedeutender aber als diese östliche A. ist die namentlich seit den ersten Jahren dieses Jahrhunderts anhebende überseeische A.
Dieselbe richtete sich anfangs ausschließlich nach Nordamerika, und der Zug dorthin ist auch heute noch so stark, daß von der gesamten deutschen A. 95 Proz. auf dieses Gebiet entfallen. Die ersten Deutschen kamen 1683 aus Frankfurt a. M. unter der Führung von Pastorius und siedelten sich in der Nähe von Philadelphia an. Es folgten dann über England und Rotterdam zahlreiche Züge nach, deren Stärke sich ziffermäßig nicht nachweisen läßt; doch darf man annehmen, daß bis 1820 mehrere Hunderttausende Deutscher nach Amerika übersiedelten. Später hat sich die deutsch6e A. über alle Erdteile verbreitet. Mit einer Schätzung derselben seit 1815 haben sich unter andern Gäbler, Löher und Pösche in Philadelphia beschäftigt. Ihre Berechnungen weichen indes so weit voneinander ab, daß die einen für die Periode 1815–1843 die Zahl 383,000, die andern 740,000 finden. Eine vollständige Statistik über die Zahl der Auswanderer, welche aus deutschen Häfen befördert wurden, besitzen wir erst seit 1847; doch schließt dieselbe auch die nichtdeutschen Auswanderer ein und berücksichtigt nicht die aus nichtdeutschen Häfen abgegangenen deutschen Auswanderer. Indes möchten diese beiden Mängel einander gegenseitig einigermaßen aufheben. Aus deutschen Häfen wurden deutsche und fremde Auswanderer befördert:
1847–53: | 370415 |
1854–60: | 446370 |
1861–67: | 472881 |
1868–74: | 772294 |
1875–81: | 644442 |
1882–84: | 590492 |
Seit 1871 werden die aus Bremen und Hamburg, seit 1872 die aus Antwerpen, seit 1874 die aus Stettin beförderten Auswanderer aus dem Deutschen Reich von den übrigen getrennt aufgeführt. Über diese vier Häfen wanderten Deutsche aus:
1873: | 103638 |
1874: | 45112 |
1875: | 30773 |
1876: | 28368 |
1877: | 21964 |
1878: | 24217 |
1879: | 33327 |
1880: | 106190 |
1881: | 210547 |
1882: | 193869 |
1883: | 166119 |
1884: | 143586 |
Über Havre wurden 1871–84 direkt 63,183 deutsche Auswanderer befördert. Das Hauptziel deutscher A. ist unverändert die amerikanische Union geblieben, andern überseeischen Gebieten haben sich nie mehr als 4–5 Proz. der gesammten deutschen A. zugewandt.
Staaten | Auswanderer | Von 1000 Auswanderern |
Vereinigte Staaten von Nordamerika | 1250937 | 955,5 |
Britisch-Amerika | 3289 | 2,5 |
Mexiko und Zentralamerika | 444 | 0,4 |
Westindien | 916 | 0,7 |
Brasilien | 27128 | 20,7 |
Andre südamerikanische Staaten | 8524 | 6,5 |
Afrika | 2929 | 2,2 |
Asien | 441 | 0,3 |
Australien | 14664 | 11,2 |
Von der Gesamtzahl, 1,309,272, gingen 648,930 über Bremen, 531,670 über Hamburg, 7629 über Stettin und 121,043 über Antwerpen.
Die einzelnen Teile des Deutschen Reichs haben, wie die folgende Tabelle zeigt, in verschiedenem Maße sich hieran beteiligt.
Staaten und Landesteile | Deutsche Auswanderung 1871–81 | Durchschnittl. jährliche Auswanderung auf 1000 Ew. |
Provinz Ost- und Westpreußen | 96820 | 2,63 |
„ Brandenburg | 35897 | 0,96 |
„ Pommern | 90400 | 5,34 |
„ Posen | 77425 | 4,13 |
„ Schlesien | 23000 | 0,52 |
„ Sachsen | 13791 | 0,51 |
„ Schleswig-Holstein | 46738 | 3,77 |
„ Hannover | 62500 | 2,72 |
„ Westfalen | 21464 | 0,95 |
„ Hessen-Nassau | 30081 | 1,75 |
„ Rheinland | 25893 | 0,58 |
Hohenzollern | 750 | 1,01 |
Preußen ohne nähere Bestimmung | 878 | – |
Preußen: | 525637 | 1,75 |
Bayern | 71669 | 1,23 |
Sachsen | 26525 | 0,81 |
Württemberg | 43591 | 2,01 |
Baden | 33125 | 1,92 |
Hessen | 20298 | 1,97 |
Mecklenburg-Schwerin | 28665 | 4,51 |
Mecklenburg-Strelitz | 3259 | 2,95 |
Thüringische Staaten | 12544 | 0,97 |
Oldenburg | 8866 | 2,39 |
Braunschweig | 3227 | 0,84 |
Anhalt | 1426 | 0,56 |
Waldeck | 1074 | 1,73 |
Schaumburg-Lippe | 1945 | 1,13 |
Lippe | ||
Lübeck | 887 | 1,27 |
Bremen | 5894 | 3,42 |
Hamburg | 11816 | 2,37 |
Elsaß-Lothringen | 3762 | 0,22 |
Deutschland ohne nähere Bestimmung | 1488 | – |
Deutsches Reich: | 805698 | 1,62 |
Die verhältnismäßig stärkste A. weisen dünn bevölkerte und zwar vornehmlich Ackerbau treibende Landesteile auf, wie die Provinzen Pommern, Posen, Preußen, Schleswig-Holstein und Hannover, ferner die beiden Mecklenburg und Oldenburg. Hier ist es die unbefriedigende Verteilung von Grund und Boden, welche die Bewohner nach Ländern jenseit des Meers blicken läßt. Die industriereichen Gebiete liefern weit weniger Auswanderer, doch ist die Zahl derselben aus Württemberg, Baden, Hessen nicht unbedeutend; hier ist aber nicht die Not, vielmehr der Wunsch, eine wenn schon leidliche, aber dennoch den Unternehmenden nicht hinlänglich befriedigende Lage zu verbessern, die Triebfeder gewesen, wobei auch geschichtliche Überlieferungen mit ihrem Einfluß auf den Wandertrieb eine wichtige Rolle spielen. In den Seestädten haben naturgemäß eng geknüpfte Beziehungen mit dem Ausland die A. zu fördern vermocht.
Die A. aus Österreich-Ungarn läßt sich nicht mit Genauigkeit feststellen, da eine Anzahl von Leuten das Kaiserreich verläßt, ohne ihre Absicht kundzugeben. Für Cisleithanien gibt die offizielle Statistik 169,356 Personen an, welche 1850–83 auswanderten mit dem Vorsatz, nicht wieder zurückzukehren. Böhmen, Mähren, Tirol, Galizien, das Litorale, namentlich der Kreis Gradisca, liefern das stärkste Kontingent. Die Hauptmasse dieser Auswanderer nimmt
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0160.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2022)